Prof. Dr. Karim Fereidooni ist Professor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Universität Bochum.

von Karim Fereidooni

Dieser Beitrag ist zuerst als Open-Access-Version in der Zeitschrift Politisches Lernen 01/2024 erschienen. 

Abstract

In diesem Beitrag fasse ich meine (außer)universitären Erfahrungen in der Lehrer*innenaus- und -fortbildung seit dem 7.10.2023 zusammen, indem ich 50 Handlungsvorschläge für Lehrer*innen im Umgang mit dem Hamas-Terror, den Gaza-Krieg und den Nahost-Konflikt präsentiere. 

Nach dem 7.10.2023 hat mir eine meiner Masterstudentinnen, die sich im schulischen Praxissemester befindet, nach ihrer mündlichen Prüfung diese Frage gestellt: „Herr Fereidooni, unser Schulleiter hat uns Lehrkräften eine Mail geschrieben, in der er uns verboten hat über den 7.10. und den gesamten Nahost-Konflikt zu sprechen. Was soll ich machen?“

Ich habe ihr gesagt, dass Sie sich über diese Dienstanweisung hinwegsetzen soll, denn Lehrkräfte müssen mit ihren Schüler*innen über den Terror am 7.10., den Gaza-Krieg sowie über den gesamten Nahost-Konflikt sprechen. Wenn Lehrer*innen nicht über diese Dinge mit ihren Schüler*innen sprechen, werden Schüler*innen die Schule als eine Institution wahrnehmen, die nichts mit ihrer Lebensrealität zu tun hat. 

Ich habe ihr drei Guidelines mit auf den Weg gegeben:

  1. Der 7.10. muss im Unterricht als Terrorakt verurteilt werden. Die Hamas ist eine Terrororganisation und keine Widerstandsbewegung. Jüdisches Leben zählt.
  2. Das Existenzrecht Israels darf nicht angezweifelt werden.
  3. Die Palästinenser*innen haben das Recht auf einen eigenen Staat. Muslimisches Leben zählt.

Im Rahmen der Thematisierung des Terrors am 7.10. darf es keine Multiperspektivität im Unterricht geben, denn es wurden 1.400 Menschen ermordet, sowie über 200 Menschen entführt und zwar von der Hamas. Nur eine Seite hat Gewalt ausgeübt. Wenn allerdings im Unterricht über den gesamten Nahost-Konflikt gesprochen wird, muss die Lehrkraft multiperspektivisch über die gegenseitigen Verletzungsverhältnisse der letzten 80 Jahre aufklären, denn der Konflikt und der daraus resultierende Schmerz kann nicht lediglich einer Seite zugeschrieben werden.

Derzeit gehen einige jüdische Schüler*innen in Deutschland aus Angst vor antisemitischen Übergriffen nicht in die Schule. Homeschooling wurde für sie eingerichtet. Muslimische Schüler*innen in Deutschland haben Angst in der Schule als Terrorist*innen gebrandmarkt zu werden und finden sich in Verhörsituationen wieder. Sie werden häufig pauschal als Antisemit*innen diffamiert. Zudem haben sie oftmals nicht die Möglichkeit, über das Leid in Gaza zu sprechen. 

Lehrer*innen werden den Nah-Ost-Konflikt nicht lösen können, wozu sie aber beitragen können, ist, den Lern- und Lebensort Schule für alle Schüler*innen zu einem gleichermaßen angenehmen Ort zu machen. Dazu gehört, dass sie allen Schüler*innen Raum geben, um über Gefühle zu sprechen.

Die Institution Schule ist für viele junge Menschen der einzige Ort, in dem sie mit anderen Meinungen konfrontiert werden. Diesen Schutzraum Schule müssen Lehrer*innen aufrechterhalten. Die Schule besitzt für viele Schüler*innen eine Korrektivfunktion. Die demokratischen Werte unserer Gesellschaft erlernen viele junge Menschen erst in der Schule und nicht zu Hause. 

Die Ergebnisse der Mitte Studie (vgl. Zick et al. 2023) verdeutlichen, dass Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist und nicht alleinig auf muslimische Menschen abgewälzt werden kann. Der Anteil von Muslim*innen an unserer Gesellschaft beträgt 6,2 bis 6,7 %, während die Zustimmungswerte zu antisemitischen Aussagen bei 20 % bis 30 % liegen (vgl. Zick et al. 2023). Richtig ist aber auch, dass Menschen mit niedrigem formalen Bildungsabschluss, AfD-Wähler*innen und Muslim*innen antisemitischen Aussagen stärker zustimmen (vgl. Hirndorf 2023). So zu tun, also ob die nicht muslimische deutsche Bevölkerung frei von antisemitischem Denken wäre, wird der gesellschaftlichen Realität nicht gerecht. Denn antiisraelischer Antisemitismus wird von einer breiten Bevölkerungsgruppe geteilt (Friedrichs et al. 2022).   

Lehrkräfte dürfen es nicht zulassen, dass Minderheiten gegeneinander ausgespielt werden, denn die Funktionslogik von Antisemitismus funktioniert nach dem Prinzip: „Teile und herrsche!“ 

Forschungsarbeiten unserer Arbeitsgruppe zeigen, dass Lehrer*innen nicht gut ausgebildet sind, um Antisemitismus zu begegnen und häufig tragen gerade Lehrer*innen antisemitische Phantasien und Wissensbestände in die Klasse hinein (Salzmann et al. in Druck). Wir konnten in unserer Studie belegen, dass jüdische Menschen häufig in Konfliktsituationen in den Schulbüchern vorkommen. Wenn jüdische Menschen überhaupt dargestellt werden, dann im Kontext von mittelalterlicher Judenverfolgung, Holocaust und Nah-Ost-Konflikt. Ganz normales jüdisches Leben in Deutschland spielt in den meisten Schulbüchern keine Rolle. Analog dazu haben wir im Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (2023), 761 Schulbücher danach untersuchen lassen, ob und wenn ja, wie Muslim*innen und der Islam vorkommen. Wenn muslimische Menschen überhaupt in Schulbüchern vorkommen, dann in den allermeisten Fällen in negativen Zusammenhängen. Weder das plurale jüdische noch muslimische Leben wird in den gängigen Schulbüchern abgebildet.    

Um Menschenfeindlichkeit in der Schule nachhaltig zu bekämpfen, müssen wir in der ersten und zweiten Phase der Lehrer*innenbildung stärker zum Themen Antisemitismus und Antimuslimischen Rassismus arbeiten. Professuren müssen geschaffen werden, die Lehrer*innenbildung und Demokratiefeindlichkeit fokussieren. 

Ich fordere ein Sondervermögen für die Bildung. Wir brauchen kleinere Klassen und mehr Zeit für Lehrer*innen, an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen sowie gute Konzepte der schulischen und außerschulischen Kooperation.

Seit dem 7.10.2023 habe ich viele Fortbildungen durchgeführt. Aus diesen Erfahrungen habe ich die folgenden 50 Handlungsempfehlungen im Umgang mit dem Hamas-Terror, dem Gaza-Krieg und dem Nahost-Konflikt entwickelt. Zahlreiche Verweise auf Videos und weitere Quellen zu den jeweiligen Thesen sind auf meiner Webseite zu finden: https://www.karim-fereidooni.de/50-handlungsempfehlungen-hamas-gaza-nahostkonflikt/  

1. Ich akzeptiere Möglichkeiten und Leerstellen des Unterrichts

  • Ich stelle mich der Situation und schweige nicht über den Hamas-Terror, den Gaza- Krieg und den Nahost-Konflikt.
  • Ich habe nicht den Anspruch, in einer Unterrichtsstunde den Hamas-Terror, den Gaza- Krieg und den Nahost-Konflikt erklären zu wollen.
  • Ich bereite mich emotional auf den Unterricht vor. Ich rede mit meinen Schüler*innen über meine und ihre Gefühle. Ich halte es aus, wenn jüdische und muslimische Schüler*innen über Leid, Trauer, Vertreibung und Tod sprechen.
  • Ich versuche meine Schüler*innen anzuregen, Fragen zum Hamas-Terror, zum Gaza- Krieg und zum Nahost-Konflikt zu stellen, die ich im Nachgang (mit einer gewissen Vorbereitungszeit) versuche zu beantworten.
  • Ich gebe zu, wenn ich Sachverhalte (noch) nicht erklären kann.
  • Ich bereite mich fachlich auf den Unterricht vor. Ich nehme mir die Zeit, um die Vielschichtigkeit dieses Komplexes zu durchdringen. Dafür lese ich Bücher, nehme an Vorträgen und Workshops teil.
  • Ich nutze u.a. Bildungsmaterialien von Ufuq.de, der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIGA) oder von Amina Nolte und Sophia Müller, um Antworten auf die Fragen meiner Schüler*innen zu finden. Ich bin mir aber bewusst, dass ich einige Dinge nicht erklären kann.

2. Ich nutze schulische und außerschulische Unterstützungsangebote

  • Ich fordere Hilfe von meiner Schulleitung und von meinen Kolleg*innen ein, damit ich in meinen Bemühungen nicht alleine gelassen werde, den Hamas-Terror, den Gaza- Krieg und den gesamten Nahost-Konflikt zu thematisieren. Ich als Teil meiner Fachkonferenzen überlege gemeinsam mit meinen Kolleg*innen, wie wir uns diesem Themenkomplex aus fachlicher und überfachlicher Perspektive nähern können.
  • Ich als Teil der Schulgemeinde rege an, dass wir eine Projektwoche zu diesem Themenkomplex durchführen. Für diesen Tag laden wir externe Referent*innen ein, z.B. vom Forum ziviler Friedensdienst.
  • Ich setze mich dafür ein, dass bei zukünftigen Pädagogischen Tagen Referent*innen eingeladen werden, die sich mit Demokratiebildung und Menschenfeindlichkeit beschäftigen, um von diesen Menschen zu lernen.
  • Ich kooperiere mit außerschulischen Partner*innen z.B. Meet a Jew (Zentralrat der Juden in Deutschland), Trialog von Shai Hoffmann und Jouanna Hassoun, schulpsychologischer Dienst und Systemberatung Extremismusprävention (Systex).
  • Ich führe regelmäßig kollegiale Fallberatungen mit meinen Kolleg*innen durch und melde mich für Supervision an, weil ich anerkenne, dass ich die Probleme meines Arbeitsalltags nicht alleine bewältigen kann.
  • Ich setze mich dafür ein, dass multiprofessionelle Teams an unserer Schule Wirklichkeit werden und ich arbeite daran mit, dass ein Konzept der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Professionen entwickelt wird.

3. Ich nehme die Multiperspektivität des Nahost-Konflikts ernst

  • Ich thematisiere im Unterricht die gegenseitigen Verletzungsverhältnisse der letzten 80 Jahre dieses Konflikts in ihrer Multiperspektivität. Ich schiebe keiner Seite die alleinige Verantwortung/Schuld zu für den Nahost-Konflikt zu.
  • Ich verurteile den Terrorismus, der am 7.10. stattgefunden hat und gleichzeitig thematisiere ich das menschliche Leid im darauffolgenden Gaza-Krieg.
  • Ich halte es aus, wenn jüdische und muslimische Schüler*innen unterschiedliche Perspektiven in den Unterricht hineintragen, die mit den universellen Menschenrechten vereinbar sind.
  • Ich zeige Haltung gegen Menschenfeindlichkeit und lege klar dar, dass Gewalt gegen Menschen in diesem Konflikt kein (antikolonialer) Widerstandsakt ist.
  • Ich versuche meinen Schüler*innen demokratische Werte beizubringen und schweige nicht, wenn menschenfeindliche Positionen dargestellt werden. Ich bin nicht neutral, wenn menschenfeindliche Meinungen vertreten werden. Dazu gehört u.a., dass ich mit meinen Schüler*innen über Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus spreche.
  • Ich setze mich im Unterricht für das Existenzrecht Israels ein und gleichzeitig thematisiere ich die völkerrechtswidrige Annektierung von Teilen des palästinensischen Westjordanlands durch Israel.
  • Ich nutze u.a. die Dokumentationen über Daniel Cohn-Bendit sowie das Auslandsjournal Extra mit Meron Mendel, um meinen Schüler*innen die Vielfältigkeit der israelischen Gesellschaft darzustellen, sowie den Spielfilm Gaza Surf Club, um die Pluralität der palästinensischen Gesellschaft zu skizzieren.
  • Ich spreche mich im Unterricht dafür aus, dass Palästinenser*innen das Recht auf einen eigenen Staat haben und gleichzeitig thematisiere ich, dass die Ermordung von jüdischen Menschen keine antikoloniale Widerstandshandlung ist, weil Israel kein Apartheitsstaat ist.
  • Ich lege im Unterricht dar, dass Palästinenser*innen in Gaza bereits mehrfach vor und nach dem 7.10. gegen die Hamas demonstriert haben und ich thematisiere, dass ca. die Hälfte der Bevölkerung von Gaza jünger als 19 Jahren ist. Ich lege dar, dass nur ein Bruchteil der heute in Gaza lebenden Menschen bei den letzten Wahlen im Jahr 2006 die Hamas gewählt hat.
  • Ich thematisiere, dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag die Gefahr genozidaler Handlungen durch die israelische Armee an Palästinenser*innen im Gaza- Streifen sieht und im Zuge dessen thematisiere ich die menschenfeindliche Sprache führender israelischer Minister*innen, die Palästinenser*innen als „menschliche Tiere“ bezeichnet haben.

4. Ich stelle menschliche Schicksale vor, anstatt Opferzahlen zu präsentieren

  • Ich befördere die Empathiefähigkeit meiner Schüler*innen, indem ich die individuellen Schicksale auf israelischer und palästinensischer Seite beleuchte, damit die Schüler*innen die menschlichen Schicksale hinter der großen Zahl der Getöteten kennenlernen.
  • Ich thematisiere im Unterricht die Einzelschicksale beider Seiten. Ich gehe u.a. auf die Ermordung des palästinensischen Rettungssanitäters Awad Darawshe ein, der auf dem Supernova-Festival, welches am 7.10. von den Hamas-Terroristen angegriffen wurde, Dienst tat und durch die Terroristen umgebracht wurde. Ich thematisiere das Schicksal von Shachar, Shlomi und Rotem Mathias, um die Grausamkeit des Terrors des 7.10. behandeln zu können.
  • Ich thematisiere das Leid der palästinensischen Bevölkerung im Rahmen des Gaza- Kriegs und zugleich informiere ich meine Schüler*innen über die Arbeit der Initiative „Bring Them Home Now“, die sich dafür einsetzt, dass die israelischen Geiseln, die von der Hamas nach Gaza entführt wurden, freigelassen werden.

4. Ich stelle Initiativen vor, die sich für den Frieden einsetzen

  • Ich stelle meinen Schüler*innen Initiativen vor, die sich vor Ort für Frieden zwischen Israelis und Palästinenser*innen einsetzen: z.B. Standing Together, Women Wage Peace13, Hands of Peace, School for Peace, Combatants for Peace und die jüdisch- muslimische Schule in Be’er Sheva.
  • Ich stelle meinen Schüler*innen Projekte vor, die sich in Deutschland und Österreich für Frieden einsetzen, z.B. Christlich-Islamisches Dialogforum Dortmund, Islamische Akademie NRW, Dialogperspektiven, Begegnen e.V. und die Mahnwachen für den Frieden.

6. Ich erläutere historische und geopolitische Zusammenhänge des Nahost-Konflikts

  • Ich stelle meinen Schüler*innen die historischen Zusammenhänge der Shoah dar und beleuchte u.a. die Rolle der christlichen Kirchen in der Zeit von 1933 bis 1945 und die Position des Großmuftis von Jerusalem.
  • Ich präsentiere muslimische Persönlichkeiten, die in der Zeit von 1933 bis 1945 jüdische Menschen vor der Deportation bewahrt haben, wie z.B. Si Kaddour Benghabrit, Abdul Hussain Sardari oder Mohammad Helmy.
  • Ich thematisiere die geopolitischen Zusammenhänge hinter dem Nahost-Konflikt und gehe u.a. auf die historische Rolle des englischen Kolonialismus von Palästina und die Vertreibung von ca. 700.000 bis 750.000 Palästinenser*innen zwischen 1947 und 1949 im Zuge der Teilungspläne Palästinas durch die Vereinten Nationen ein. Viele dieser geflüchteten Palästinenser*innen leben in Jordanien, im Libanon und in Syrien, wo sie
  • am gesellschaftlichen Rand leben. Inzwischen beträgt die Anzahl der palästinensischen Geflüchteten 3,47 Millionen.
  • Ich gehe auf den aktuellen Regional-Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien ein.

7. Ich entwickele Regeln des friedlichen Zusammenlebens für meine Schule

  • Ich habe nicht den Anspruch, den Nahost-Konflikt zu lösen. Vielmehr erarbeite ich mit meinen Schüler*innen gemeinsame Regeln des Miteinanders in unserer Klasse und in unserer Schule.
  • Ich arbeite gemeinsam mit meinen Schüler*innen daran, dass niemand Angst haben muss, in die Schule zu kommen.
  • Ich konzipiere Unterrichtsmaterialien mit meinen Kolleg*innen und meinen Schüler*innen, damit die Multiperspektivität des jüdischen und muslimischen Lebens in Deutschland sichtbar wird.

8. Ich nehme Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus ernst

  • Ich erkenne an, dass Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus in unserer Gesellschaft vorkommen und setze mich dafür ein, dass in unserer Schule beiden Ungleichheitsideologien gleichermaßen entgegengewirkt wird. Hierfür nutze ich u.a. die Erkenntnisse der Mitte Studie 2023 und den Bericht des Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit. Ich weiß, dass antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus nach dem Prinzip „teile und herrsche“ funktionieren.
  • Ich spiele in meinem Unterricht Minderheiten (Juden/Jüd*innen und Muslim*innen) nicht gegeneinander aus.
  • Ich erkenne an, dass meine muslimischen Schüler*innen bzw. meine Schüler*innen, die als muslimisch wahrgenommen werden und die ggf. in meinem Unterricht Antisemitismus reproduzieren, von antimuslimischem Rassismus betroffen sind. Und ich erkenne an, dass meine jüdischen Schüler*innen bzw. meine Schüler*innen, die als jüdisch wahrgenommen werden und die ggf. in meinem Unterricht antimuslimischen Rassismus reproduzieren, von Antisemitismus betroffen sind.
  • Ich nutze antimuslimischen Rassismus nicht, um Antisemitismus zu bekämpfen. Und ich nutze Antisemitismus nicht, um antimuslimischen Rassismus zu bekämpfen.

9. Ich besitze eine realistische Sichtweise auf mein schulisches Handeln

  • Ich bin mir bewusst, dass Schüler*innen die demokratischen Werte unserer Gesellschaft vor allem in der Schule lernen.
  • Ich weiß, dass mein Unterricht für viele Schüler*innen der einzige Ort in ihrem Leben ist, in dem sie mit gegensätzlichen Meinungen konfrontiert werden.
  • Ich überschätze und unterschätze meine Rolle nicht.
  • Ich erkenne an, dass Lernen ein zirkulärer Prozess und kein linearer Prozess ist.
  • Ich weiß, dass Bildungsprozesse Zeit brauchen.
  • Ich erkenne an, dass meine Schüler*innen, die sich aktuell menschenfeindlich äußern, vielleicht in einigen Monaten oder Jahren dazulernen und sich von ihren menschenfeindlichen Positionen lösen.
  • Ich verstehe, dass Schule ist ein Schutzraum für Schüler*innen ist, in dem Schüler*innen Entwicklungsmöglichkeiten haben müssen.
  • Ich erkenne an, dass Schüler*innen sich ausprobieren, mich provozieren und sich an meinen politischen Positionen reiben, um ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden. Ich setze mich Tag für Tag für die Bildung von jungen Menschen ein und begegne deshalb jungen Menschen respektvoll, auch wenn Sie mir diesen Respekt zeitweise nicht entgegenbringen.
  • Ich akzeptiere, dass ich als Lehrkraft eine Vorbildrolle in unserer Gesellschaft einnehme. Ich akzeptiere, dass ich einige meiner Schüler*innen mit meinen Bildungsangeboten nicht erreichen kann.
  • Ich realisiere, dass sich einige meiner Schüler*innen trotz meiner Bemühungen weiterhin menschenfeindlich äußern werden.

10. Ich gehe wertschätzend mit mir um

  • Ich mache mein persönliches Glück nicht vom Lernerfolg meiner Schüler*innen abhängig.

 

 

Literatur

Eine umfangreiche Liste „Antisemitismuskritische Bildung: Materialien und Anlaufstellen für Lehrkräfte und Lehramtsstudierende“, zusammengestellt vom Forschungsnetzwerk Antisemitismus im 21. Jahrhundert ǀ www.fona21.org, findet sich hier zum Download.

Friedrichs, Nils/Storz, Nora 2022: Antimuslimische und antisemitische Einstellungen im Einwanderungsland – (k)ein Einzelfall? SVR-Studie 2022-2, Berlin. Hg. Sachverständigenrat für Integration und Migration. (Online: https://www.stiftung-mercator.de/content/uploads/2022/10/SVR-Studie-2022-2__Antimuslimische-und-antisemitische-Einstellungen.pdf; 28.2.2024)

Hirndorf, Dominik (2023): Antisemitische Einstellungen in Deutschland. Hg. Konrad-Adenauer Stiftung. (Online: https://www.kas.de/documents/252038/22161843/Antisemitische+Einstellungen+in+Deutschland.pdf/cead70cb-a767-65f8-82a1-5f3537c409d1?; 28.2.2024)

Salzmann, Sebastian/Fereidooni, Karim/Goitowski, Katharina/Platt, Kristin/Tuncel, Teresa (in Druck): Antisemitismus als soziales Phänomen in der Institution Schule. Ergebnisse einer qualitativen Unterrichtsbeobachtungsstudie. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung.

Unabhängiger Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (2023): Muslimfeindlichkeit. Eine deutsche Bilanz. Hg. vom Bundesministerium des Innern und für Heimat. (Online: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/heimat-integration/BMI23006-muslimfeindlichkeit.pdf?__blob=publicationFile&v=9; 28.02.2024)

Zick, Andreas / Küpper, Beate / Mokros,Nico (2023): Die distanzierte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2022/23. Hg. Für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Franziska Schröter, Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachf. (Online: https://t1p.de/l6cq3; 28.2.2024)

 

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