Spielfilme sind stets Spiegelbilder ihrer Zeit. Die Beschäftigung mit dem Holocaust nimmt dabei eine besondere Rolle ein. Denn die Grundfragen lauten stets: Darf und kann man die Shoah überhaupt verfilmen? In welchem Verhältnis stehen künstlerische Freiheit und historische Fakten?
Filme sind heute wichtiger den je. Thomas Krüger, Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) und Horst Walther, Leiter des Instituts für Kino und Filmkultur bringen es im Filmheft zu „Zug des Lebens“ auf den Punkt: „Wie Lesen und Schreiben zu den fundamentalen Kulturtechniken gehört, so gehört das Verstehen von Filmen und das Erkennen ihrer formalen Sprache zu den Kulturtechniken des neuen Jahrhunderts.“
Für den Einsatz in der Bildungsarbeit möchten wir Ihnen drei Spielfilme vorstellen, die auf unterschiedliche Weise jüdischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus thematisieren. Das Ungewöhnliche an „Zug des Lebens“, „Defiance -Unbeugsam“ und „Inglourious Basterds“ ist ihre Perspektive auf den Holocaust. Juden werden hier nicht als Objekte der Vernichtung, sondern als Subjekte des (bewaffneten) Widerstands gezeigt. Das unterscheidet die drei Beispiele von vielen Spielfilmen der vergangenen Jahrzehnte.
Der französische Film „Zug des Lebens“ von Radu Mihaileanu beschreibt eine unglaubliche Geschichte. Um sich vor der drohenden Verfolgung der Nationalsozialisten zu retten, beschließen die jüdischen Bewohner eines osteuropäischen Schtetls sich selbst zu deportieren. Um nach Palästina zu gelangen, besorgen sie sich einen alten Güterzug, schneidern Uniformen und einigen Dorfbewohnern wird akzentfreies Deutsch beigebracht. Und tatsächlich setzt sich der Zug in Bewegung.
Das Filmheft der BpB und des Instituts für Kino und Filmkultur enthält neben zahlreichen Diskussionsanregungen und Materialien auch Hintergründe zur Entstehung des Filmes. So findet sich auch ein Interview mit dem Regisseur, der darin sein Werk als „Märchen“ bezeichnet. Eine Dokumentation habe er nicht drehen wollen. Streng genommen, so Mihaileanu weiter, gehe es auch nicht um fliehende Juden, sondern um einen Menschen, der träumt, dass alle noch am Leben sind: „So lange man sich noch an die Menschen erinnert, sind sie nicht tot. Wenn man sie vergisst, sterben sie ein zweites Mal. Man muss die Geschichte immer wieder erzählen.“ Auf diese Weise wehrt sich der Filmemacher gegen jegliche Art von Schlussstrichmentalität
Das Filmheft ist zu empfehlen. Überblicksartig vermag es die Broschüre, „Zug des Lebens“ in seinem filmischen und historischen Kontext zu erklären, ohne vorgefertigte Antworten zu geben.
Zum Download des Filmheftes „Zug des Lebens“.
Die Geschichte von „Defiance -Unbeugsam“ beruht auf einer „wahren Begebenheit“. Die Bielski-Brüder beschließen in den Wäldern Weissrusslands bewaffneten Widerstand gegen ihre Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu leisten. Es gelingt ihnen, ein Versteck zu errichten, ein "Jerusalem in den Wäldern". Drei Jahre lang überleben auf diese Weise Tausende Juden die Besetzung des Landes durch die deutsche Armee.
Regisseur Edward Zwick hatte sich viel vorgenommen. Der Filmemacher wollte historische Wirklichkeit und filmische Interpretation verbinden. Dabei muss ein solch hoher Anspruch eigentlich scheitern. Zwick erzählt hier vor allem eine Abenteuergeschichte mit einer gehörigen Portion Partisanenromantik. Allerdings kann man dem Regisseur zu Gute halten, dass er den jüdischen Widerstand gegen die Vernichtungsmachinerie der Nationalsozialisten überhaupt thematisiert und so einem größeren Publikum ins Gedächtnis ruft.
Kinofenster.de und Bildungscent.de bieten Lehrerinnen und Lehrern nicht nur Hintergrundinformationen zum Film, sondern auch Anregungen zur Diskussion. Letzteres bietet sich gut an, denn durch die Zuspitzung auf moralische Fragen eignet sich die Handlung dafür, sich in lebensweltlich orientierten Fächern mit universellen ethischen Themen auseinanderzusetzen. Denkbar wären Diskussionsfragen wie: „Wie kann man auch im größten Elend Menschlichkeit bewahren? Ist es zu rechtfertigen, ein Menschenleben zu opfern, um viele zu retten? Rechtfertigt der Widerstand auch das Töten?“ Trotz aller berechtigen Bedenken kann „Defiance – Unbeugsam“ so unter pädagogischer Anleitung in der historisch-politischen Bildungsarbeit eingesetzt werden.
Hier finden Sie Informationen zum Film
Der Spielfilm „Inglourious Basterds“ von Regisseur Quentin Tarentino kam im Sommer 2009 in die deutschen Kinos. Die Geschichte einer Gruppe jüdischer US-Soldaten, die in das besetzte Frankreich auf ein Himmelfahrtskommando gegen die Deutschen geschickt werden, erregte große Aufmerksamkeit. Kritiker warfen Tarentino vor, er banalisiere den Holocaust. Der Film selbst gibt dazu eigentlich wenig Anlass, wie schon in der ersten Szene deutlich wird. „Es war einmal im Nazi-besetzten Frankreich.“ Dieser erste Satz des Filmes lässt darauf schließen, dass hier ein Märchen - im Tarantino-Stil - erzählt wird.
Eli Roth, einer der Hauptakteure in „Inglourious Basterds“, teilt diese Einschätzung: „Es ist ein Film, der während des Zweiten Weltkriegs spielt, aber kein Kriegsfilm über den Zweiten Weltkrieg ist.“ Worum geht es also? Tarentino erzählt vor allem eine Rachegeschichte. Dabei nimmt er sich die künstlerische Freiheit, die Geschichte nach seinen Wünschen umzuschreiben. An dieser Stelle ließe sich auch in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit zur Diskussion ansetzen. Wie bei jedem Spielfilm gilt es auch hier, sich nicht von der historischen Kulisse des Films täuschen zu lassen. In diesem Sinne unterscheidet „Inglourious Basterds“ nichts von vermeintlich realistischeren Filmen wie „Sophie Scholl“ oder „Schindlers Liste“.
Zur weiteren Information über „Inglourious Basterds“ hat Kinofenster.de in Zusammenarbeit mit der Stiftung Lesen Begleitmaterial in Form eines PDF-Dokuments gesammelt. Anschaulich und übersichtlich wird sowohl die Geschichte des Filmes erklärt, als auch Hintergrundinfos zur Entstehung und Besetzung gegeben. Wer einen Einstieg in die pädagogische Beschäftigung mit dem Tarentino-Werk für die Fächer Ethik, Geschichte oder Sozialkunde sucht, wird hier fündig.
Zum Begleitmaterial zum Film "Inglourious Basterds".