„Ich weiß von sehr wenigen Menschen, die mit einer solchen Leidenschaft und einer solchen Energie sich darum bemüht haben, daß wirklich das Unheil in Deutschland sich nicht wiederholt und daß dem Faschismus in all seinen drohenden Erscheinungsweisen entgegengearbeitet wird. Er hat das mit einer ganz außergewöhnlichen Konsequenz getan und einer beispiellosen Zivilcourage.“ (Theodor W. Adorno über Fritz Bauer, Einleitung in die Soziologie (1968)
Die konsequente strafrechtliche Verfolgung der nationalsozialistischen Täter war sein Lebensziel: Fritz Bauer, jüdischer Remigrant aus Stuttgart, der den Holocaust mit seiner Familie im norwegischen und schwedischen Exil überlebte, wurde 1949 erst Landgerichtsdirektor, dann Generalstaatsanwalt in Braunschweig und schließlich 1956 in Hessen beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main. In diesen Positionen bemühte er sich nicht nur um eine lückenlose justizielle Aufarbeitung der NS-Verbrechen, sondern setzte sich auch für die
Resozialisierung von Straffälligen und für Teilhabe des Justizwesens am Wiederaufbau einer demokratischen Gesellschaft in der Bundesrepublik ein.
1959 erwirkte Bauer die Übergabe der Ermittlungen zu dem Gesamtkomplex Auschwitz vom Bundesgerichtshof an das Landesgericht Frankfurt am Main, das in seiner Zuständigkeit lag. Damit war Bauer Initiator und treibende Kraft des Frankfurter Auschwitz Prozesses, in dem 1963-65 insgesamt 22 ehemalige Angehörige des SS-Personals von Auschwitz vor Gericht gestellt wurden.
Sein unermüdlicher Einsatz in der Verfolgung der NS-Täter und sein stetiges Bemühen um verschiedenste Strafrechts- und Strafvollzugsreformen führten in der jungen Bundesrepublik zu ambivalenten Reaktionen, die Bauer letztlich in seiner Position stark isolierten: „In der Justiz lebe ich wie im Exil“, soll Bauer diesbezüglich einmal gesagt haben.
Doch Bauer verstand es auch, seine Rolle und seinen Einfluss zu nutzen, um die historische und demokratische Bewusstwerdung in der Gesellschaft voranzutreiben. „Tragt die Wirklichkeit an die Menschen heran“, forderte Bauer 1959 in einem Aufsatz zu publizistischen Fragen. (Bauer: Der junge Mensch, das Recht und die Publizistik, in: Neues Beginnen. Zeitschrift der Arbeiterwohlfahrt, Jg.10 (1959), Nr.4: 50) Als Plattform für dieses Anliegen diente ihm nicht selten der Gerichtssaal. Doch welches Medium wäre damals, zu Beginn der 1960er Jahre geeigneter gewesen, als das noch junge, jedoch schon massenhaft verbreitete Fernsehen? So trat Bauer in seinen letzten Lebensjahren bis zu seinem Tod 1968 im Rahmen verschiedenster Formate als Interviewpartner, Diskutant und Redner vor die Fernsehkameras, und bezog so öffentlich Stellung. Dabei äußerte es sich nicht nur über tagesaktuelle Fragen bezüglich der Verfolgung der NS-Verbrechen, sondern setzte sich auch mit Fragen zur Verantwortung der Justiz, revisionistischen Tendenzen und erstarkendem Nazismus auseinander. Des Weiteren brachte er Themen zur Sprache, die sein eigenes Tätigkeitsfeld nur sekundär tangierten. So nahm er im Laufe der Jahre wiederholt Stellung in Bezug auf Fragen zu Wirtschaftskriminalität, dem Sexualstrafrecht oder der Humanisierung des Strafvollzugs.
Bettina Schulte Strathaus hat für das Frankfurter Fritz Bauer Institut eine Doppel-DVD kompiliert, die insgesamt 298 Minuten Film- und Fernsehaufnahmen von Fritz Bauer zusammenführt. Es handelt sich dabei oft um Ausschnitte längerer Fernsehsendungen aus den Jahren 1961-69, in denen Bauer sich zu verschiedenen rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Fragen äußerte. So finden sich auf der DVD gleichermaßen Bemerkungen Bauers zum Eichmann-Prozess, der 1961 durch seine Mithilfe an der Ergreifung in Israel stattfinden konnte, und zu dem Thema Abtreibung. Die Vielseitigkeit der Kommentare zeichnen so ein detailliertes Bild von der justiziellen und politischen Beschaffenheit der Gesellschaft in der frühen Bundesrepublik auf der einen, und dem unermüdlichen Wirken Bauers auf der anderen Seite. Durch das Format „Als sie noch jung waren“ von 1967, in dem Bauer in einem Interview zentrale Stationen seines frühen Lebens analysiert, tritt außerdem neben dem Generalstaatsanwalt auch die Person Fritz Bauers zum Vorschein, dessen unbeschwerte Kindheit einer Jugend als Verfolgter des Naziregimes weichen musste.
Bei der Publikation handelt es sich um die Erstveröffentlichung historischer Fernsehaufnahmen anlässlich der Ausstellung „Fritz Bauer. Der Staatsanwalt“, die vom 10. April bis zum 7. September 2014 im Jüdischen Museum in Frankfurt am Main zu sehen ist. Die Ausstellung, mit zahlreichen Ton- und Audiodokumenten versehen, eignet sich besonders gut zum Besuch mit Schulklassen. Neben dem Filmmaterial beinhaltet die Publikation außerdem einen umfangreichen DVD-Rom Teil, in dem sich verschiedene PDF-Dateien – Interview-Transkriptionen, biographische Daten, eine Auswahlbibliographie – finden. Dadurch eignet sich das Material hervorragend für die pädagogische Arbeit.
Die DVD kann über den vertreibenden Filmverlag absolutmedien bestellt werden.