Mit dem provozierenden Buchtitel "Hitler war's" will der Autor die zentrale Lebenslüge ganzer Generationen von der "deutschen Kollektiv-Unschuld" dekuvrieren. Er bezieht sich einleitend auf Interviews, die der amerikanische Offizier Padover von der Abteilung für psychologische Kriegführung im Oktober 1944 unmittelbar nach der Einnahme Aachens durch die 1. US-Armee mit Deutschen machte, in denen sich jeder als Nazigegner darstellte.
"Alle Schuld wurde auf Hitler geschoben, der die Sache ganz allein, ohne Hilfe und Unterstützung irgendeines Deutschen durchgezogen hatte." Dabei mag es damals den meisten darum gegangen sein, sich möglicher Bestrafung zu entziehen, aber auch um die Rettung nationalen Selbstwertgefühls. Die Schuldabwälzung auf den Dämon Hitler wurde jedoch, so der Autor, zur "Strategie der Deutschen", die er in Memoiren der Täter, in Literatur, Film, Theater und auch der Geschichtsschreibung nachweist.
Erst Anfang der 60er Jahren bahnte sich ein Wandel der öffentlichen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit an, ausgelöst durch die DDR-Kampagnen gegen ranghohe westdeutsche Amtsträger wie Globke und Oberländer und Enthüllungen über die Massenmordverbrechen durch Strafverfahren wie den Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main. Schließlich rebellierte die 68-Generation gegen ihre Eltern, Lehrer und Professoren, indem sie Aufklärung über deren Verhalten und Taten in der NS-Zeit einforderten.
Der Autor legt an gegenwärtigen Buchpublikationen, Fernseh-Dokumentationen und Spielfilmen überzeugend dar, dass bezüglich des Geschichtsbildes ein "Rollback nach dem Muster der 50er Jahre" stattfindet. Insbesondere im Jahr 2005, dem 60. Gedenkjahr nach Kriegsende, gab es eine Fülle von Publikationen und Fernsehsendungen von "Hitlers Sekretärin" bis zu "Goebbels als Familienvater und Sportsfreund", die er als "verharmlosend" charakterisiert. Insbesondere an dem von der bürgerlich-konservativen Presse als "Meisterwerk" hochgejubelte Spielfilm "Der Untergang" basierend auf dem gleichnamigen Buch von Joachim Fest über die letzten Tage Hitlers und seiner Gefolgschaft in der Reichskanzlei zeigt Heer, wie Hitler hier als ein "hypnotischer Überwältiger" inszeniert wird.
Der Filmemacher Bernd Eichinger wollte, wie er in verschiedenen Interviews betonte, mit diesem Film bewusst einen Paradigmenwechsel gegen die seiner Meinung nach "moralische Gesinnungsdiktatur der 68er" inszenieren. Der Hitler und Speer-Biograf Joachim Fest und der ZDF-Chefhistoriker Guido Knopp sind für Hannes Heer die beiden großen Befreier der Deutschen von ihrer schuldbeladenen Vergangenheit. Guido Knopp vermittele ein Bild von der NS-Geschichte, mit dem sich am besten leben lässt: "Der kleine Mann hatte mit all dem Schrecklichen nicht zu tun. Hitler war’s." An Beispielen der neueren Erinnerungsliteratur - z.B. Stephan Wackwitz "Ein unsichtbares Land", Uwe Timm "Am Beispiel meines Bruders" oder Wibke Bruhns "Meines Vaters Land" verweist Heer auf Familiengeschichten, die gegenüber dem Trend zur "Normalisierung" durch Wahrheitssuche und moralische Aufrichtigkeit geprägt sind. Hier wird persönliche Schuld bzw. Verantwortung nicht mehr abgeschoben.
Erstmals fällt im Unterschied zu Texten der 70er und 80er Jahre der Schatten der Verbrechen auf die Familien. Beispiele für beschönigende Biografien der Vorfahren weist er demgegenüber bei Thomas Medicus, Ulla Hahn und Arno Surminski nach. Harsch und kompromisslos argumentiert Heer, Projektleiter der ersten "Wehrmachtsausstellung", gegen das "Verschwinden der Täter" bzw. ihre Umdeutung zu unschuldig Verführten und Opfern. Sein Buch ist kämpferisch, engagiert, aber betont sachlich und zudem wissenschaftlich akribisch fundiert. Man muss seiner Argumentation nicht in allem folgen, aber es ist ein hochaktuelles Buch.