„Ich bin der glücklichste Mensch der Welt.“ Mit den Worten beginnt der Film über Owadjah Baruch, der im März 1943 mit seiner Familie aus seiner Heimatstadt Thessaloniki in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt wurde. Seine Eltern und seine Schwestern ermordeten die Deutschen unmittelbar nach ihrer Ankunft in den Gaskammern von Birkenau. Er selbst wurde als einer der Wenigen seines Transportes zur Arbeit im Lager ausgewählt. Angesichts des unermesslichen Leids und der schrecklichen Erlebnisse, die der griechische Jude während seiner mehr als zwei Jahre andauernden Gefangenschaft erfahren musste, erscheinen seine Worte am Anfang des Filmes überraschend und irritierend. Doch Baruch, der nach dem Krieg nach Israel auswanderte, hat sowohl während der Zeit im Lager als auch danach nie die Hoffnung auf ein glückliches und zufriedenes Leben aufgegeben. Grund dafür, dass er sich immer wieder zum Weitermachen zwang, war nicht zuletzt seine spätere Ehefrau Alisa Zarfati, eine Jüdin aus seiner Heimatstadt, die er in Auschwitz kennenlernte und mit der sich trotz der liebes- und lebensfeindlichen Umstände im Todeslager eine Liebesgeschichte entspann. Die Internationale Schule für Holocaust-Studien an der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hat in Zusammenarbeit mit dem Multimedia-Zentrum der Hebräischen Universität Jerusalem einen Dokumentarfilm produziert, der die berührende und außergewöhnliche Geschichte Owadjah Baruchs erzählt.
Im Rahmen der Dreharbeiten hat sich Owadjah Baruch noch einmal an die Orte seiner Vergangenheit begeben. Jahrzehnte später streift er durch die Straßen von Saloniki und erzählt dabei von der Kindheit in seinem Viertel Baron-Hirsch, dem Besuch einer jüdischen Schule, den zahlreichen Kinderstreichen und der beginnenden Verfolgung durch die Nationalsozialisten nach der Besetzung Griechenlands durch die Nationalsozialisten. Er beschreibt das Bild auf der Straße am Tag, nachdem die Deutschen die öffentliche Kennzeichnung der jüdischen Bevölkerung auch in Griechenland anordneten und die Gefühle, die das Tragen des gelben Sterns in ihm hervorriefen. Er besucht noch einmal die Orte, die vor der Shoah das Zentrum des jüdischen Lebens in Saloniki bildeten – die ehemalige Synagoge, das jüdische Viertel, den jüdischen Friedhof – und es wird deutlich, dass die Welt, in die er hineingeboren wurde und in der er aufwuchs, für immer verloren ist.
Die jüdische Welt Salonikis ging verloren, als die Deutschen im März 1943 damit begannen, die gesamte jüdische Bevölkerung – fast 70 Prozent der Einwohner_innen der Stadt – nach Auschwitz zu deportieren und dort zu ermorden. Nur etwa 4 Prozent der über 55.000 deportierten Juden und Jüdinnen überlebten und nur wenige von ihnen hatten später die Kraft, auf den Scherben ihrer alten Welt eine neue zu errichten.
Owadjah Baruch kam am 21. März 1943 an der Rampe in Auschwitz an. Unmittelbar von seiner Familie getrennt, wurde er zur Zwangsarbeit ausgewählt und in ein Außenlager von Auschwitz, Babitz, gebracht. Später, nachdem ihn ein Mitgefangener als Maschinenschlosser ausgab, kam er zur Arbeit in die Union-Fabrik, in der Bomben und Munition hergestellt wurden. Dort lernte er Alisa kennen, die ebenfalls zur Arbeit in den Unions-Werken gezwungen wurde, und es entwickelte sich eine heimliche Liebesgeschichte zwischen den beiden. Alisa, damals gerade mal sechzehn Jahre alt, wurde im berüchtigten Block 10 des Stammlagers in Auschwitz Opfer medizinischer Versuche, im Rahmen derer weibliche Häftlinge zu experimentellen Zwecken sterilisiert, verstümmelt und gequält wurden. Nur aufgrund des mutigen Handelns eines jüdischen Arztes, der die Operationen an den Frauen nicht wie vorgesehen durchführte, blieb Alisa trotz des Eingriffs gebärfähig.
Zusammen mit Tausenden anderen Gefangenen zwang man auch Owadjah Baruch im Januar 1945 auf einen der Todesmärsche Richtung Westen. Er überlebte den tagelangen Marsch und traf völlig entkräftet im Konzentrationslager Mauthausen in Österreich ein. Dort versuchte er während der letzten Wochen seiner Gefangenschaft verzweifelt, sich bei der Arbeit im Steinbruch am Leben zu halten. Nach der Befreiung durch die amerikanische Armee brachte man ihn in ein österreichisches Krankenhaus, wo er nach einigen Monaten genügend Kraft gesammelt hatte, um nach Griechenland zurückzukehren. Dort traf er Alisa wieder, die ebenfalls den Todesmarsch überlebt und aus Deutschland zurückgekehrt war. Die beiden heirateten und bestiegen ein Schiff, dass sie auf illegalem Wege nach Israel brachte. Dort bauten sie sich ein neues Leben auf, bekamen zwei Kinder und fanden nach und nach einen Umgang mit den erlittenen Traumata.
Es ist den Macher_innen des Filmes gelungen, ein berührendes und einfühlsames Bild von der Lebensgeschichte Owadjah Baruchs zu zeichnen – eine Geschichte, die Leidens- und Liebesgeschichte zugleich ist. Mit den Augen des Protagonisten wandert man durch die Stationen seines Lebens und am Ende fällt es schwer zu sagen, ob man traurig oder glücklich ist. So oder so, es ist ein Film der Hoffnung macht. Hoffnung, dass – so platt es klingen mag – am Ende manchmal doch die Liebe siegt.
Der Film ist Teil des Projektes „Zeitzeugen und Pädagogik“, in dem Überlebende ihre Geschichte vor, während und nach der Shoah erzählen. Die sieben verschiedenen, in diesem Rahmen entstandenen Filme porträtieren jeweils eine_n Überlebende_n und wurden vor Ort an den historischen Schauplätzen gedreht. Informationen zu den einzelnen Filmen sowie eine Bestellmöglichkeit findet sich auf der Website der Internationalen Schule für Holocaust-Studien. Dort hat man außerdem auch Zugang zu dem Konzept einer Unterrichtseinheit, die sich anhand der Filme des Projektes mit dem Thema „Individuum und Gemeinschaft“ auseinandersetzt.