Der 1998 erschienene Roman von Ingo Schulze dokumentierte in 29 „simplen storys“, was es in der ostdeutschen Provinz in den Jahren nach der deutschen Vereinigung zu beobachten gab: Menschen zwischen Verzweiflung und Aufbruch, absoluter Hoffnungslosigkeit und dem Versuch, doch irgendetwas aus dem eigenen Leben zu machen. Schulze verzichtet darin auf große Gefühle und innere Monologe und beschränkt sich lieber auf die schlichte Beschreibung von Äußerlichkeiten. Dabei hinterlässt er mit jeder „Story“ eine abgeschlossene Geschichte, die sich erst allmählich in ein großes Puzzle einzufügen vermag. So schließen sich am Ende die Kreise und das komplexe Beziehungsgeflecht der einzelnen Protagonist/innen wird hinter dem Chaos der politischen Umbrüche erkennbar.
Eine von Schüler/innen gestaltete Webseite soll dem besseren Verständnis des Romans dienen.
Die Webseite ist fast so alt wie der Roman selbst: Im Rahmen eines Deutsch-Leistungskurses machten es sich Schüler/innen des 12. Jahrgangs der Herderschule in Rendsburg im Jahr 1999 zur Aufgabe, ein Informationsnetz zu erstellen, dass als allgemeine Lesehilfe verstanden werden kann.
Die Struktur der Webseite ist sehr einfach und klar. In verschiedenen Unterkategorien wurden von den Schüler/innen Informationen zusammengetragen, die ein Verständnis des Plots und der damit in Verbindung stehenden sozialen, politischen und gesellschaftlichen Bezüge ermöglichen sollen. So findet sich in der Kategorie „Protagonisten“ eine Liste aller auftretenden Personen mit einer jeweiligen Beschreibung, die sich meistens auf deren Berufsstand oder ihren Wohnort bezieht. Klickt man weiter, findet man zu jeder Person außerdem eine Kurzbiographie, die durch Links mit den Kurzbiographien anderer Protagonist/innen verbunden ist, insofern im Roman eine Verbindung dieser beiden Personen besteht. Eine Grafik eröffnet den Betrachter/innen zusätzlich einen zugegebenermaßen eher verwirrenden Einblick in die Beziehungsgeflechte aller im Roman auftretenden Personen.
Neben dieser einfachen Lese- und Verständnishilfe haben sich die Schüler/innen außerdem mit der Multiperspektivität des Romans auseinandergesetzt. In der Kategorie „Perspektiven“ finden sich daher einige Überlegungen zu der Auflösung des linearen Erzählens in dem Roman und der Rolle Schulzes in seiner gewählten Erzählform.
Darüber hinaus wurden in den Kategorien „Geschichte“ und „Städte“ die Inhalte des Romans kontextualisiert und Informationen zugefügt, die die Schüler/innen in diesem Zusammenhang für wichtig hielten. Hier wie auch in den anderen Kategorien zeugen gewiss nicht alle Texte von Vollständigkeit und Genauigkeit, doch bieten sie gute Ansatzmöglichkeiten und Denkanstöße für die eigene Auseinandersetzung mit dem Roman. Zusätzlich zu den inhaltsbezogenen Kategorien findet sich außerdem eine charmante Biographie des Autors auf der Seite, die aus einem persönlichen Interview mit einem der Schüler hervorgegangen ist.
Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten bedürfte diese Webseite einiger Überarbeitung. Für die gemeinsame Erarbeitung des Romans mit Jugendlichen bietet sie jedoch einige Vorteile: Da alle Inhalte von Jugendlichen selbst recherchiert und verfasst wurden, wurde durchweg eine einfache, verständliche und jugendgerechte Sprache gewählt. Die Texte sind kurz und prägnant, beschäftigen sich mit den Fragen, die sich die Jugendlichen im Laufe der Lektüre selbst stellten. Die Visualisierung der vielschichtigen personellen Verbindungen erleichtert außerdem das Verständnis des komplexen Beziehungssystems der auftretenden Protagonist/innen. Neben einer Nutzung im Zuge der Lektüre im Unterricht kann die Webseite außerdem als Anregung dienen, um ein eigenesWebprojekt zu initiieren.