Zum Beginn der Deportationen deutscher Juden in Ghettos und Lager vor 75 Jahren präsentiert die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten ein neues Online-Projekt mit Biografien der Verschleppten aus Nordwestdeutschland
Spätestens mit den Novemberpogromen von 1938 ging in Deutschland die Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung in brutale Verfolgung über. Drei Jahre später, im Herbst 1941, begannen die Deportationen jüdischer Männer, Frauen und Kinder in Ghettos und Lager im besetzten Polen und im Baltikum. Auch aus Nordwestdeutschland wurden Tausende Personen verschleppt. Die im Herbst 1941 beginnenden Deportationen waren Transporte in den Tod – noch vor der berüchtigten Wannseekonferenz. Oftmals wurde an den Zielorten im Osten zunächst die einheimische jüdische Bevölkerung ermordet, um Platz für die Transporte aus Deutschland zu schaffen. Bald wurden jedoch auch die Männer, Frauen und Kinder aus dem Deutschen Reich Opfer gezielter Mordaktionen oder starben an Hunger und Krankheiten. Nur Einzelne überlebten den Krieg.
Auf der Website "Geschichte.Bewusst.Sein." sind exemplarische Biografien der im Herbst 1941 aus Nordwestdeutschland Deportierten eingestellt: http://geschichte-bewusst-sein.de/materialien-im-ueberblick/deportationen-aus-nordwestdeutschland/biografien/.
Die vorgestellten Lebensgeschichten sowie vertiefende historische Dokumente und Fotos verdeutlichen den Prozess zunehmender Entrechtung und Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung nach 1933. Auswanderung in sichere Länder wurde immer schwieriger. Zwar gab es für die Verfolgten vereinzelt Hilfe und Unterstützung durch Nachbarn und Freunde. Sehr viel mehr Deutsche beteiligten sich jedoch an den gewaltsamen Ausschreitungen und nutzten die Notlage schamlos aus – etwa bei der „Arisierung“ jüdischen Eigentums. Als im Herbst 1941 die Deportationen begannen, war es ein offenes Geheimnis, dass die Verschleppten nicht zurückkehren würden.
Die präsentierten Biografien sind Ausgangspunkt für Fragen und sollen zu weiteren Nachforschungen anregen. Sie bieten Ansätze, um etwa im Schulunterricht den Verlauf der Entrechtung der jüdischen Bevölkerung in der eigenen Region nachzuverfolgen.
Das Projekt ist eine Gemeinschaftsarbeit von verschiedenen lokalen Institutionen, Initiativen und Einzelpersonen in Niedersachsen und Bremen. Mitgewirkt haben
- Jürgen Bohmbach, Stade
- Büro für Friedenskultur, Osnabrück
- Holger Frerichs, Schloßmuseum Jever / GröschlerHaus Jever
- Landeshauptstadt Hannover – Städtische Erinnerungskultur
- Bernhard Gelderblom, Regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln e.V
- Bernd Horstmann, Gedenkstätte Bergen-Belsen
- Sabine Maehnert, Stadtarchiv Celle
- Dr. Rolf Uphoff, Stadtarchiv Emden / Max-Windmüller-Gesellschaft Emden
- Susanne Weihmann, Helmstedt
Erstmals werden die Ergebnisse oft jahrelanger Recherchen überregional gesammelt präsentiert.
Kontakt
Dr. Jens BinnerStiftung niedersächsische Gedenkstätten
Leiter Kommunikation und Veranstaltungen
Im Güldenen Winkel 8
29223 Celle
E-Mail: jens [dot] binner [at] stiftung-ng [dot] de