Alessandro Sinigaglia wurde 1902 geboren und wuchs in der italienischen Stadt Florenz auf. Dort wurde er durch die sozialistische Kultur in den Arbeitervierteln geprägt. Seine Mutter, Mary White, war Afroamerikanerin aus St. Louis in Missouri. Sie war nach Florenz gekommen, um dort als Dienstmädchen zu arbeiten. Der Vater David war ein Jude aus Italien und stammte aus Mantua. Als 1922 in Italien die Faschisten an die Macht kamen, beteiligte sich Alessandro Sinigaglia am kommunistischen Untergrund, wo er eine Führungsposition inne hatte.
Cover der italienischen Biographie von
Alessandro Sinigaglia, erschienen im
Odradek Verlag
Der amerikanische Spanienexperte Fraser Ortanelli schreibt über ihn:
„Als er im März 1928 spät abends von einer Versammlung nach Hause kam, fand er drei Polizisten vor seiner Tür. Überraschenderweise erkannten sie ihn nicht, und er konnte fliehen. [...] Er überquerte illegal die Grenze nach Frankreich und kam danach in die Sowjetunion. In Moskau besuchte er die prestigeträchtige Leninschule, heiratete eine Russin und hatte mit ihr ein Kind. [...]
Als er von dem Krieg in Spanien erfuhr, eilte er 1936 zur Verteidigung der Republik nach Spanien. [...] Angesichts seiner früheren Erfahrungen in U-Booten der italienischen Flotte kam er auf den republikanischen Kreuzer Méndez Núñez. [...] Seine wichtigste Funktion während des Krieges war die Räumung der vielen Minen vor dem Hafen von Barcelona, die die Faschisten ständig legten. [...]“
(In: The Volunteer, Summer 1999, XXI/3, S. 9-10.)
Alessandro Sinigaglia besuchte die Parteischule. Bevor er schließlich nach Spanien ging, lebte er in der Schweiz, um dort die italienischen Kommunisten zu organisieren.
Weiter schreibt Fraser Ortanelli:
„Nach der Niederlage der Republik wurde auch er im berüchtigten französischen Lager Vernet interniert. 1941, nach der deutschen und italienischen Besetzung Frankreichs, übergab die Vichy-Behörde ihn an die Polizei Mussolinis, zusammen mit den meisten italienischen Freiwilligen. [...] Im Sommer 1943 führte die Entscheidung des Königs, Mussolini abzusetzen, zur Freilassung der politischen Gefangenen. Wegen ihrer militärischen Erfahrung bildeten die Interbrigadisten den Kern der bewaffneten Widerstandsbewegung. Sinigaglia kehrte nach Florenz zurück und wurde Chef der Militärorganisation der Kommunistischen Partei [...]. Während des Winters von 1943/44 führten sie Dutzende kühner Angriffe gegen Truppen und Objekte der Nazis und Faschisten. [...]“
(In: The Volunteer, Summer 1999, XXI/3, S. 9-10.)
Nach der Niederlage der spanischen Republik wurde Alessandro SinigagIia erst nach Saint Cyprien in den östlichen Pyrenäen, später in die französischen Konzentrationslager Gurs und Vernet verschleppt – wie viele andere Spanienkämpfer. Die Vichy-Regierung gab 1940 bekannt, dass alle italienischen Internierten des Lagers an Italien ausgeliefert würden. Dort galt Alessandro Sinigaglia als gefährlicher Aufrührer.
In einem Schreiben des Politischen Büros der Quästur Florenz heißt es über ihn:
„Der betreffende Anführer, der am 9. April d.J. beim Betreten des Königreiches verhaftet wurde, wegen ähnlicher Verbrechen im Grenzbuch eingetragen und außerordentlich hierher überführt, wurde nach seiner politischen Vergangenheit befragt: Aus einer Akte geht hervor, dass gegen Sinigaglia, bekennender Kommunist und früheres Mitglied der Arditi del Popolo, im März 1928 (1929 A.d.V.) zusammen mit zahlreichen anderen Aufrührern beim Sondergericht für die Verteidigung des Staates angeklagt wurde, Haftbefehl des Untersuchungsrichters im zuständigen Kriegsgericht von Florenz vom 14. Mai 1928 wegen Anstiftung zum bewaffneten bürgerlichen Aufstand gegen die Staatsmacht; wegen aufrührerischer Propaganda und Neugründung der kommunistischen Partei; Anfang März 1928 amtlich festgestellte heimliche Auswanderung nachts zu Fuß [...] in die Schweiz. Nach Russland verzogen, Arbeit in Moskau in einem elektrischen Herstellungsbetrieb bis 1935. Nach den Mitteilungen unserer königlichen Botschaft besuchte er dort die Kurse der kommunistischen Universität für westliche Mitarbeiter und den Verein der politischen Emigranten. In Russland nahm er den Namen Gallone Luigi an, offensichtlich zu dem Zweck, die Aufmerksamkeit unserer konsularischen Behörden von sich abzulenken. Im Juni 1935 verließ er Russland an Bord eines Handelsschiffes, stieg heimlich in Le Havre aus, ging nach Paris. Von Frankreich aus ging er in die Schweiz mit nächtlicher Grenzüberquerung in S. Louis. Unter dem falschen Namen EPOCA Ernesto, geboren in Florenz am 16.5.1905, Vatersname Giovanni, Name der Mutter Cecilia De Carli, wurde er in Bellinoza festgenommen und nach drei Monaten Gefängnis entlassen mit der Auflage, die Schweiz innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Er ging im Januar 1936 nach Frankreich und von dort heimlich nach Spanien. In Barcelona war er als Hafenarbeiter und anschließend als Mechaniker beschäftigt, nach Ausbruch des Bürgerkrieges meldete er sich im Oktober 1936 freiwillig zur roten Kriegsmarine und wurde als Torpedo-Matrose auf einem Kreuzer eingesetzt. Mitte 1938 wurde er in die U-Boot-Abwehr in Barcelona versetzt. Nach dem Sieg der Franquisten und Demobilisierung der roten Milizen am 9. Februar 1939 ging er über die Pyrenäen nach Frankreich, wo er im Konzentrationslager Saint Cyprien interniert und im Mai 1939 von dort nach Gurs verlegt wurde. Am 2. April 1940 habe er sich zusammen mit anderen Internierten energisch geweigert, dem von den französischen Behörden ausgeübten Druck für den Eintritt in die französische Armee oder in dessen Hilfstruppen nachzugeben. Am 18. Mai 1940 wurde er in das Konzentrationslager Vernet verlegt und kürzlich durch die italienische Waffenstillstands-Kommission befreit und repatriiert. In Berücksichtigung seines Vorlebens und wegen seiner besonderen politischen Gefährlichkeit wird vorgeschalgen, Sinigaglia in die politische Verbannung zu schicken, mit der Zustimmung durch Telegramm Nr. 32075-22729/13411 des Innenministeriums vom 12. dieses Monats.“
(In: Mauro Valeri: Jude Kommunist und Neger. Alessandro Sinigaglia. Held des Widerstands, S. 244ff.)
Alessandro Sinigaglia wurde schließlich vom 9. April 1941 in ein Internierungslager auf der italienischen Insel Ventotene verbannt. Seine Verbannung sollte bis zum 8. April 1946 dauern.
Am 13. Februar 1944 jedoch geriet Sinigaglia in einen Hinterhalt von italienischen Faschisten. Zwar konnte er fliehen, wurde jedoch bei diesem Fluchtversuch nach einigen hundert Metern erschossen. Die im Juni 1944 gegründete und nach ihm benannte 22. Brigata Garibaldi Vittorio Sinigaglia, nahm an der Befreiung von Florenz teil. Posthum wurde Sinigaglia mit der Medaglia d'Argento al Valor geehrt. An seinem Todesort erinnert eine Gedenktafel an ihn.
Literatur
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Gedenkorte Europa 1939 – 1945, Sinigaglia, Alessandro (1902 – 1944) (5. Mai 2016)
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Fraser Ottanelli, The Volunteer, Summer 1999, XXI/3, S. 9-10 in: Victor Grossman, Madrid Du Wunderbare. Ein Amerikaner blättert in der Geschichte des Spanienkrieges, Schkeuditz, 2006.
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Mauro Valeri: Jude Kommunist und Neger. Alessandro Sinigaglia. Held des Widerstands, Frankfurt am Main, 2014.