Die Herausgeber Norbert Haase und Bert Pampel thematisieren in ihrer Einführung die Schwierigkeiten, die sich aus der Gedenkstättenarbeit an Orten mit doppelter Vergangenheit ergeben können. Diese beginnen bei praktischen Problemen wie dem baulichen Zustand, der lediglich die DDR-Nutzung widerspiegele oder dem Hindernis bei der Aufarbeitung der Forschungslücke, das der „verordnete Antifaschismus“ in den Köpfen der Menschen in den neuen Bundesländern darstelle. Problematischer seien jedoch unterschiedliche Gewichtungen und Zielkonflikte, die bei der Gestaltung von Gedenkstätten für Opfer des NS-Regimes und der SED-Diktatur auftreten: Kommt man bei der konkreten Gedenkstättenarbeit – schon allein durch Sachzwänge bedingt - darum herum, eine Gewichtung der verschiedenen Vergangenheiten vorzunehmen? Wie gestaltet man Gedenken an Opfergruppen des SED-Regimes, die im NS zu der Gruppe der Täter gehörten? Schließlich: Wie kann es überhaupt gelingen, den Diktaturenvergleich zum Gegenstand der Arbeit einer Gedenkstätte zu machen und ist dieses überhaupt erwünscht? Auf der einen Seite bestehe der Bildungsauftrag einer Gedenkstätte darin, Menschen für die Werte zu sensibilisieren, die eben an diesen Orten mit Füßen getreten wurden; auf der anderen Seite berge die Instrumentalisierung von Gedenkstätten für die Illustrierung von Diktaturerfahrungen die Gefahr einer unzulässigen Reduktion der historischen Umstände in sich.
Sektion I beinhaltet theoretische Reflexionen über Fragen des Vergleichs von nationalsozialistischer und kommunistischer Diktatur. Die Autoren thematisieren den Totalitarismusbegriff, die Methodik des Diktaturenvergleichs und Differenzen zwischen NS und SED-Diktatur. Bereits in dieser Sektion zeigt sich das grundsätzliche Manko dieses Bandes, der – immerhin vor 15 Jahren veröffentlicht – nicht mehr den aktuellsten Stand der Forschung widerspiegelt. (Lesen Sie hierzu auch die Rezension zum Buch von Wolfgang Wippermann) Auch die Praxisberichte entstammen der Arbeit der Gedenkstätten, wie sie in den neunziger Jahren kurz nach der deutschen Vereinigung praktiziert wurde. Nichtsdestotrotz bieten sie praxisnahe Einblicke in die konkrete Arbeit von Gedenkstätten mit doppelter Vergangenheit und die Problematik dieser Arbeit.
Sektion II befasst sich mit den Erwartungen, die an Gedenkstätten mit doppelter Vergangenheit gerichtet werden. Besonders erwähnenswert erscheint dabei ein Beitrag von Bodo von Borries, der auf die Asymmetrien zwischen den Entwicklungen des Geschichtsbewusstseins bei ost- und westdeutschen Jugendlichen nach der Wiedervereinigung verweist. Die Jugendlichen trauten ihrer jeweiligen Herkunft gemäß der ehemaligen BRD bzw. DDR eine bessere Bewältigung des Nationalsozialismus zu, wobei bei ostdeutschen Jugendlichen eine Tendenz zur Verharmlosung des NS-Regimes zu erkennen sei. Von diesen Befunden ausgehend formuliert von Borries Erwartungen an die Arbeit in den Gedenkstätten mit doppelter Vergangenheit. Weitere Beiträge der Sektion thematisieren die Arbeit der Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit“ oder lassen Opferverbänden zu Wort kommen.
In der dritten Sektion stehen die Schwierigkeiten künstlerischer und architektonischer Gestaltung von Gedenkorten mit doppelter Vergangenheit im Fokus. Neben zwei Beiträgen zur Debatte um den Entwurf für das Dokumentenhaus in der Gedenkstätte Buchenwald, thematisiert Ulrike Haß-Zumkehr in ihrem Beitrag die sprachliche Gestaltung von Gedenkstätten. Sie analysiert dabei verschiedene Mahnmalstexte hinsichtlich ihrer beabsichtigten oder unbeabsichtigten Wirkung auf die Besucher und sensibilisiert auf diese Weise für verschiedene Möglichkeiten der Formulierung.
Die abschließende Sektion IV versammelt die konkreten praktischen Erfahrungen der Gedenkstätten Roter Ochse Halle und Münchener Platz Dresden und des DIZ Torgau, die bereits in einem Beitrag von Lernen aus der Geschichte vorgestellt wurden. Eine internationale Perspektive zeigt der Beitrag von Edmund Nowak, der das frühere deutsche Kriegsgefangenenlager und spätere sowjetische Lager Łambinowice/Lamsdorf zum Thema hat. Nowak beschreibt die Konzentration auf die nationalsozialistischen Verbrechen zur Zeit der Volksrepublik Polen und die Kontroversen innerhalb der Bevölkerung, die sich nach der Wende mit der Ausweitung der Erinnerung auf die Nachkriegsgeschichte des Lagers ergaben. Er demonstriert damit an einem sehr konkreten Fall die Problematik der Erinnerung an Orten mit doppelter Vergangenheit. Die abschließende Diskussion dieser Sektion zeigt auf, wie höchst unterschiedlich die Ansätze für einen Umgang mit der doppelten Vergangenheit in den Gedenkstätten in Deutschland sind.
Der Tagungsband versammelt einige spannende Beiträge, die sehr konkret von den Herausforderungen der Arbeit von Gedenkstätten mit doppelter Vergangenheit berichten. Sie dokumentieren außerdem die Überlegungen, die sich diesen Gedenkstätten vor allem zu Anfang ihrer Arbeit in den neunziger Jahren stellten.
Wer sich näher mit theoretischen Implikationen des Diktaturenvergleichs beschäftigen möchte der findet einen Beitrag mit dem Titel „Die Bedeutung des deutschen Diktaturenvergleichs für die politische Kultur der „Berliner Republik““ auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung. Der Autor Manuel Becker thematisiert Diktaturenvergleiche als zeitgeschichtliches Analyseverfahren, zeigt die Spezifika des deutschen Falles auf und verweist auf Perspektiven eines solchen Vergleiches.