Der Berliner Historiker Wolfgang Wippermann legte 2009 mit „Dämonisierung durch Vergleich: DDR und Drittes Reich“ eine Streitschrift vor, die sich der Vergleichbarkeit der „zwei deutschen Diktaturen“ annimmt. Wippermann begründet auf 120 Seiten seine Ablehnung eines solchen Vergleiches und zieht Rückschlüsse auf die Verfasstheit der gegenwärtigen Geschichtspolitik in Deutschland.
Wippermann konstatiert zu Beginn seiner Ausführungen einen geschichtspolitischen Zeitgeist, in welchem sich die Rede von den „beiden Diktaturen“ bzw. den „beiden totalitären Staaten“ im öffentlichen Diskurs etabliert habe (S. 8). Wippermann positioniert sich hierbei entschieden gegen diese Art von Vergleichen und beabsichtigt mit seiner Streitschrift, die gängigen Argumente auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen. Der Autor sieht in diesem Diskurs keinen wissenschaftlichen Austausch von Thesen, sondern einen Schauplatz ideologischer Auseinandersetzungen (S. 9). In deren Kern würden insbesondere zwei Vergleichsaspekte wiederholt diskutiert: Zum einen werden nationalsozialistische Konzentrationslager mit sowjetischen Speziallagern in der SBZ bzw. der frühen DDR verglichen. Zum anderen werde behauptet, die Stasi sei nichts Anderes gewesen als eine „rote Gestapo“. Wippermann vermutet, dass auf diese Weise ein „geschichtspolitischer Revisionismus“ (S. 122) betrieben werde, indem gleichsam die DDR dämonisiert und der Nationalsozialismus relativiert werde. Dem Autor geht es laut eigenem Bekunden allerdings nicht um eine Verharmlosung der SED-Herrschaft. Im Gegenteil, diese sei „schlecht und böse“ gewesen, aber sie habe die Welt nicht wie der Nationalsozialismus in einen Weltkrieg gerissen, in dessen Verlauf Millionen von Menschen aus rassistischen Motiven heraus umgebracht wurden.
Wippermann stellt nicht grundsätzlich in Frage, dass Vergleiche zwischen bestimmten Aspekten der DDR und des Nationalsozialismus denkbar seien. Er stellt in seiner Streitschrift allerdings die Frage nach der Genese der herrschenden Formel von den „zwei deutschen Diktaturen“ in den Vordergrund. Laut Wippermann diene die Rede von den „beiden totalitären Staaten“ gegenwärtigen geschichtspolitischen Interessen, vornehmlich von rechtskonservativer Seite gegenüber der Partei Die Linke. Darüber hinaus, so der Autor, solle ein schleichender Paradigmenwechsel in der historischen Erinnerung an NS und DDR durchgesetzt werden. Am Ende dieser Entwicklung könnte dann die völlige Gleichsetzung von NS und DDR stehen, wodurch es auch bis zur Narration von den Deutschen als Opfern „zweier Diktaturen“ nicht mehr weit sei.
Ein Teil der Wissenschaft, vornehmlich der Politikwissenschaften, trage dazu bei, dass die beschriebene Entwicklung in großen Teilen der Öffentlichkeit zum Sagbaren wurde. Sie habe durch die Einführung eines definitorisch äußerst undeutlichen Totalitarismusbegriffs großen Anteil an der ideologischen Aufwertung der Debatte gehabt. Wippermann geht in seiner Einschätzung so weit, dass er davon ausgeht, Totalitarismus sei kein wissenschaftlicher, sondern ein ideologischer Kampfbegriff. Verwunderlich aus Sicht des Autors sei es allerdings, dass der eigentlich schon in der Mottenkiste verschwunden geglaubte Begriff überhaupt noch einmal reaktiviert worden sei. Auf der anderen Seite der gleichen Medaille befinde sich die Rede vom Extremismus. Ebenso wie der Totalitarismus zeichne sich der Extremismusbegriff vor allem durch seine „Vagheit“ aus, die ihn zu einer „vorzüglichen Waffe in der Hand der Rechten“ mache (S. 32). Trotz vieler Unzulänglichkeiten werde weiter von Extremismus und Totalitarismus gesprochen, worin Wippermann bestätigt sieht, dass sich im herrschenden Diskurs über die jüngere deutsche Vergangenheit eine „Totalitarismusdoktrin“ etabliert habe.
Durch Vergleiche zwischen dem NS und der DDR würden die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert, so Wippermann (S. 56). Wie geschieht dies aber konkret? Der Autor nennt zwei Beispiele, die repräsentativ für seine Argumentation stehen sollen. Zunächst beschreibt er den Streit um die erinnerungspolitische Deutungshoheit am Fall von Orten mit doppelter Vergangenheit, wie sie z.B. Buchenwald oder Sachsenhausen aufweisen. An beiden Orten werde heute sowohl der Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft gedacht als der auch der zu Tode gekommenen Insassen sowjetischer Speziallager. Es sei nicht leicht gewesen, die Mehrdeutigkeit von Buchenwald und Sachsenhausen museal zu thematisieren ohne zugleich Unterschiede in der Dimension der Verfolgung zu nivellieren. Es sei also durchaus möglich, so Wippermann, Orte mit doppelter Geschichte in ihrer Komplexität zu beschreiben. Das zweite Beispiel für die problematische Gleichsetzung von NS und DDR ist für Wippermann die Rede von der Stasi als eine „rote Gestapo“, die hier aber nicht weiter behandelt werden soll. Entscheidend ist für den Autor der Streitschrift das dem Vergleich zugrunde liegende Motiv des Geschichtsrevisionismus. Denn die „DDR war unzweifelhaft deutsch und mit Sicherheit auch eine Diktatur – aber keine 'zweite deutsche Diktatur'“ (S. 116).
Wolfgang Wippermann hat tatsächlich eine Streitschrift verfasst, die in klarer Sprache gegen unsachliche Vergleiche zwischen NS und DDR argumentiert. Dass er sich dabei zuweilen selbst nicht an die von ihm eingeforderten wissenschaftlichen Standards hält, ist hingegen ein Wermutstropfen in dem Buch. Denn wer als Wissenschaftler ernstgenommen werden möchte, darf eigentlich nicht mit Bezeichnungen wie „schlecht und böse“ im Zusammenhang mit der DDR hantieren. Gerade weil es Wippermann um ein genaues wissenschaftliches Arbeiten geht, fällt dies negativ auf. Dennoch ist es dem Autor gelungen, eine Entwicklung im Zentrum des „neuen deutschen Opferdiskurses“ anzusprechen und diese kritisch zu reflektieren. Und darin kann ihm schlecht widersprochen werden.