Der Rechtsbegriff „Haus des Islam“ bezeichnet die Gebiete unter islamischer Herrschaft und gibt den Rahmen für die vorliegenden gleichnamigen Arbeitsmaterialien des calwer Verlages vor. Die drei Islamwissenschaftler und christlichen Theologen Hannes Ball, Dr. Sadik Hassan, Dr. Wilhelm Schwendemann sowie der Architekt Traugott Wöhrlin haben sich mit dem Materialband das ehrgeizige Ziel gesetzt, das vorhandene „Zerrbild [über den Islam] zurechtzurücken und die dafür erforderlichen Informationen und Zusammenhänge zu vermitteln und aufzuzeigen“ (S. 7). Dem Titel entsprechend konzentrieren sie sich dabei nicht nur auf den Islam als Religion, sondern erläutern den gesellschaftlichen Kontext seiner Entstehung und Entwicklung sowie die Kultur islamischer Länder. Die Autoren betonen dabei in der Einleitung den Charakter des Islam als eine Religion des Wissens, die häufige Instrumentalisierung der Religion zum Machterhalt und die Bedeutung, die im Studium „des Fremden“ liege, um zu neuen Erkenntnissen über das Vertraute zu kommen. Ihr Ausgangs- und Vergleichspunkt ist dabei ausschließlich das Christentum.
Auf diese Weise – und das ist der wesentliche Kritikpunkt an dem ansonsten beeindruckenden Band – kreieren sie stets einen Gegensatz zwischen Christentum und Islam bzw. europäisch-abendländischer vs. orientalischer Kultur. Das Christentum als scheinbar selbstverständlicher Referenzpunkt wird dabei als „das Eigene“ dargestellt und mit dem Islam als „dem Fremden“ kontrastiert. Das bedeutet auch, dass beispielsweise das Judentum keine Beachtung findet und lediglich christliche Themen als Kontrapunkte (wie „Das christliche Gebet“ oder „Dialog zwischen Islam und Christentum“) Einzug in den Band gehalten haben. Auch nimmt der Islam in Deutschland kaum Raum ein. Die Autoren argumentieren, dass sich der Islam viel deutlicher bei einer Betrachtung der Länder des „Haus des Islam“ erfassen ließe, da die Beschäftigung mit dem Islam in Deutschland stets Integrationsprobleme mit einschließe, die mit der Religion nichts zu tun haben. So reduzieren die Autoren die islamischen Religion und Kultur auf die Herkunftsländer und die Unterstellung, dass es einen „richtigen“ und einen „falschen“ Islam gebe. Diese Darstellungsweise entspricht der, die jüngst in einer Studie des Georg Eckert Instituts in Bezug auf europäische Schulbücher kritisiert wurde.
Trotz dieser grundsätzlichen Kritik bietet der Band umfangreiche Materialien zu vielseitigen Themen, die die Kultur des Islam deutlich machen und die Religion in die Gesellschaft islamischer Länder einbetten. Da die Materialien keine fertigen Unterrichtsentwürfe darstellen, lassen sie sich auch anders einordnen und nutzen. Neben Grundzügen islamischer Theologie, islamische Staaten heute und dem politischen Islam liegt ein besonderer Schwerpunkt auf kulturellen Thematiken wie beispielsweise muslimisches Raumbewusstsein, muslimisches Wohnen und Baukultur, Zeitrechnung, Kalender und Feste, Namen und Namensgebung sowie das Verhältnis zu Sterben und Tod. Viele Themen werden mit christlich-kulturellen Vergleichsthemen verbunden (beispielsweise „Moschee und Kirche: ein Vergleich“ oder „Wenn Christen beten“), vor allem die stark theologisch ausgerichteten Kapitel verdeutlichen die Verschränkung der beiden Weltreligionen.
Die Materialien bestehen aus Sach- und Quellentexten, Reiseberichten, literarischen Texten, zahlreichen Abbildungen sowie ausgearbeiteten Aufgaben teilweise in Form von kopierfertigen Arbeitsblättern. Texte, die besonders für die Arbeit im Unterricht geeignet sind, sind gesondert markiert. Alles in allem entsteht so eine umfangreiche Materialsammlung, die einen reichen Fundus darstellt und dadurch auf der einen Seite vom Lehrenden eine kluge Auswahl der geeigneten Themen und Materialien erfordert und auf der anderen Seite eine Beschäftigung mit dem Islam jenseits von religiösen Themen ermöglicht.
Für den schulischen Bereich abgerundet wird der Band durch eine didaktische Verortung des Themas, seine curriculare Zuordnung im Kursangebot der Oberstufe des Landes Baden-Württemberg, Vorschläge für Einstiege in eine Unterrichtseinheit über den Islam, Entwürfe für Klausuren und Prüfungsaufgaben sowie eine umfangreiche Literaturliste. Aber auch für die außerschulische Bildungsarbeit oder die Erwachsenenbildung ist die Materialsammlung geeignet, bietet sie doch ein vielfältiges Spektrum an Themen und Arten von Texten und Material an. Es würde sich unter Umständen anbieten die eingangs dargelegten Kritikpunkte produktiv im Unterricht zu nutzen um Prozesse des Othering beispielhaft aufzuzeigen.