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Ein Kommentar von Thomas Spahn
Claus Kleber stellte mir das ambitionierte Projekt im abendlichen heute journal vor, Kollege Daniel Bernsen erinnerte mich am folgenden Morgen in seinem Blog daran: Via Jahrhundertbus und youtube formiert sich ab sofort das „Gedächtnis der Nation“. ZDF, Stern und weitere Akteure, u. a. die Bertelsmann und die Robert Bosch Stiftung, unterstützen den verantwortlich zeichnenden, beim ZDF in Mainz ansässigen Verein „Unsere Geschichte. Das Gedächtnis der Nation e.V."
Ich schließe mich den Diskutierenden auf google+ an: In der Tat ist das groß angelegte, ambitionierte Projekt zu begrüßen und zugleich nicht unkritisch zu bewerten. Einerseits ist es ja nun nicht so, als ob oral history und erinnerte Geschichte von Zeitzeugen bereits in den Ebenen von Schule und Lehrerbildung flächendeckend und deren Stellenwert in der Geschichtskultur angemessen angekommen wäre. (Auch) daher ist die Initiative begrüßenswert, kann für historisches Lernen in und außerhalb von Geschichtsunterricht motivieren und das Geschichtsbewusstsein ausbilden helfen.
Andererseits: Nun auch die „Knoppisierung“ der Zeitzeugen-Portale? Gewiss, „Knopp-Bashing“ beschert den schnellen Konsens – sei es in Gestalt von betretendem Kopfnicken oder verächtlicherem Kopfschütteln – in Podiumsdiskussionen, Fachkonferenzen und Studienseminaren vielerorten. So auch in der Blogosphäre und Foren (cf.: google). Mir geht es in diesem Kommentar nicht um die Person Guido Knopp, dessen Verdienste für ein „Mehr“ an Geschichte im deutschen Fernsehen oder die daraus entstehenden Probleme und entstandenen Kontroversen im Allgemeinen (vgl. dafür etwa Publikationen zum Konstanzer Historikertag 2006: hsozkult sowie Wischermann et al. (Hg.), Geschichtsbilder 2007, 214-218).
Sondern: Werden die beeindruckenden Zeitzeugenprojekte großer (etwa: Visual History Archive, Zwangsarbeit 1939-1945, Fortunoff Video Archive) und kleiner Akteure (u.a.: zeitzeugengeschichte.de, Centropa, Deine Geschichte) nun um ein Zeitzeugen-Portal der Kategorie national master narrative ergänzt? Gut möglich, dass die bereits publizierten und die vielen zu erwartenden Video-Zeugnisse, die zur Veröffentlichung im „Gedächtnis der Nation“ ausgewählt werden, in ein wunderbares, in der Form einmaliges Nebeneinander individueller Narrationen zusammengeführt werden.
Dennoch fühlte ich mich zunächst an etwas anderes erinnert: den nationalgeschichtlichen Duktus der überaus erfolgreichen, jedoch allzu sehr national vereinnahmenden und verkürzenden Reihe „Die Deutschen“ der Redaktion Zeitgeschichte des ZDF. Es soll doch nun nicht darum gehen, eine „Schicksalsgeschichte“ der Deutschen im 20. Jahrhundert mit positiver Wendung zum Ende hin (1989/90) zu zeichnen und ergänzend mit individuellen Zeugnissen zu bebildern?
Es bleibt zu hoffen, dass nicht. Insbesondere ist ebenso zu hoffen, dass die „zentralen Themen der deutschen Geschichte“ nur in diesen ersten Projekttagen das Thema Migration aussparen oder ich das Thema in der bereits beeindruckenden Vielzahl von Beiträgen schlichtweg übersehen habe. Denn das Fehlen von Migration, Migranten oder etwa der Abkommen zur Anwerbung von „Gastarbeitern“ im „Gedächtnis der Nation“ verstört.
Vielleicht war dies in einer vorherigen Version auch anders? So schreibt Katrin Richter in der Jüdischen Allgemeinen vom 6. Oktober 2011, dass sich das Portal thematisch in "[d]eutsch-deutsche Geschichte", "Migration" und "Holocaust" aufgliedere. Vielleicht vermutete sie, wie ich zunächst, das Thema Migration auch einfach unter "Europa und die Welt"?
Sicherlich werden die Beiträge der Zeitzeugen das Portal um diese „Mosaiksteine im Geschichtsbild einer Nation“ ergänzen. Mit Blick auf die partizipativen Potenziale des Web 2.0 interessant zu beobachten. Dessen unbenommen sollte dieser Aspekt der Geschichte Deutschlands jedoch auch seitens der Redaktion integriert werden. Schließlich ist auch (oder: gerade!) der Umgang mit Migration für „das Selbstverständnis einer Gesellschaft präg[end]“ (vgl. Startseite des Portals).