Die Ausgabe 2/2008 der Zeitschrift Politik & Unterricht der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg geht der Frage nach, inwiefern Gedenkstätten des nationalsozialistischen Terrors als Lernorte fungieren können. Die erste Hälfte des online verfügbaren Heftes stellt Unterrichtsvorschläge zur Entstehung, Funktion und Verbreitung des KZ-Systems vor. Dabei steht insbesondere im Vordergrund, wie die KZ-Häftlinge im NS-Regime ausgegrenzt, verfolgt und schließlich in den Lagern ermordet wurden.
Drei Unterrichtsvorschläge haben die Autorinnen Anette Hettinger und Angelika Stephan ausgearbeitet. Sie orientieren sich an der geographischen Verteilung der Gedenkstätten in Baden-Württemberg und eignen sich vor allem für den Einsatz im Geschichtsunterricht der Sekundarstufe II sowie in der Projektarbeit. Im ersten Unterrichtsbaustein wird das System der frühen Konzentrationslager am Beispiel von Kislau, Heuberg und Oberer Kuhberg vorgestellt. Im zweiten Baustein werden drei Varianten nationalsozialistischer Rassepolitik behandelt. Der dritte und letzte Unterrichtsbaustein widmet sich dann der letzten Phase des NS-Regimes, in der das dichte Netz der KZ-Außenlager in die unmittelbare Nachbarschaft der deutschen Bevölkerung rückte.
Die Autorinnen empfehlen, das Heft dezidiert zur Vorbereitung auf einen Gedenkstättenbesuch zu nutzen, da es den Zusammenhang zwischen Gedenkstätte und Schule betone. Dabei stützen sich Hettinger und Stephan vor allem auf die Annahme, das Schülerinnen und Schüler historische Vorgänge besser verstünden, wenn sie sich mit ihnen „vor Ort“, also in unmittelbarer Nachbarschaft beschäftigten. Methodisch getragen wird dieser regionalgeschichtliche Zugang im vorliegenden Heft von der Konzentration auf konkrete Einzelschicksale, um sich subjektbezogen der NS-Geschichte zu nähern. Aus Sicht der Autorinnen sind Gedenkstätten Ausdruck politischer und finanzieller Auseinandersetzungen in Deutschland nach 1945 und somit „Orte, an denen konkret erfahren und geübt werden kann, wie Geschichte »gemacht« wird“ (S. 7).
In der zweiten Hälfte finden sich begleitende Texte und Materialien für den Einsatz im Unterricht. Die ausgewählten Quellen bestehen vor allem aus zeitgenössischen Fotografien, Zeitungstexten und Berichten von Zeitzeugen. Ergänzend wird auch die Täterperspektive einbezogen, z.B. mittels Gesetzestexten zur Schutzhaft. Diese Kombination von zeitgenössischen und retrospektiven Dokumenten vermag es tatsächlich, einen Einblick in die Funktion der KZs in der NS-Ideologie zu vermitteln. Auch die Arbeitsaufträge sind verständlich formuliert und regen die Schülerinnen und Schüler vor allem zu einem kritischen historischen Arbeiten an. So wird häufig dazu aufgefordert, gedanklich unterschiedliche Perspektiven einzunehmen und somit Argumentationen nachzuvollziehen. Zudem sollen die Jugendlichen selbst recherchieren und nach weiteren Informationen zu den ausgewählten Dokumenten suchen.
Das Heft „Gedenkstätten. Lernorte zum nationalsozialistischen Terror“ vermag durch seine anspruchsvolle Zusammenstellung verschiedener Quellengattungen und Arbeitsaufträge zu überzeugen. Schülerinnen und Schülern werden so mehrere Möglichkeiten geboten, sich der Geschichte des NS-Terrorregimes am Beispiel der Konzentrationslager zu nähern. Durch seinen regionalgeschichtlichen Ansatz dürfte das Heft eine sinnvolle Ergänzung zur Vorbereitung eines Gedenkstättenbesuchs in Baden-Württemberg darstellen.