Das Heft „Der Auschwitz-Prozess 1964-1965. Geschichte, Bedeutung und Wirkung“ des Fritz Bauer Instituts stellt Quellenmaterial für den Schulunterricht bereit. Es konzentriert sich dabei auf die Quellensorten Zeugenaussagen und Presseberichterstattung. Die Zeugenaussagen stehen sowohl in Textform als auch als Originalton auf einer CD zur Verfügung. Das zentrale Thema bildet dabei die Erinnerung der Zeugen und ihre Wahrnehmung. Die Herausgeber verstehen die Auswahl der Dokumente als eine „parteiliche Sicht auf die Erinnerung an Auschwitz“ (S. 8). Die emotionale Reaktion vieler Deutscher in den 1960er Jahren kann anhand der ausgewählten Presseberichterstattung betrachtet werden. Die fehlende Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Schuld spiegelt sich in den prozessualen Schlussworten von drei Angeklagten wieder, die in dem Material enthalten sind. Fotografien bieten eine weitere Möglichkeit der Erschließung des Prozesses.
Diese unterschiedlichen Materialien sind in verschiedenen Kapiteln gruppiert. Einführende Kapitel thematisieren die Vorgeschichte des Auschwitz-Prozesses, dabei vor allem Fritz Bauers Vorstellungen zur Wirkung des Verfahrens sowie den Ablauf des Prozesses. Zahlreiche zeitgenössische Zeitungsartikel ermöglichen es, die Rezeption der verschiedenen Phasen des Strafverfahrens in den Medien nachzuvollziehen. Ein weiteres Kapitel verdeutlicht das breite Spektrum der Täter, indem es drei ausgewählte, sehr unterschiedliche Angeklagte vorstellt. Als Quellenmaterialien stehen Auszüge der Anklage, sie belastende Zeugenaussagen, Zeitungsberichte, ihre Schlussworte, das Strafmaß und Auszüge aus der Begründung der Urteile zur Verfügung.
Die Zeugenaussagen des Heftes wurden nach zwei verschiedenen Gesichtspunkten zusammen gestellt und bilden den zentralen Teil des Materials. Zeugenaussagen gegen ausgewählte Angeklagte thematisieren die zentrale Rolle, die diese Aussagen vor Gericht einnahmen. Sie wurden nach der Maßgabe der Bedeutung der Angeklagten, gegen die sie aussagten ausgewählt; Reaktionen aus der Presse ergänzen diese. Zeugenaussagen zu Auschwitz dagegen folgen dem Anliegen Fritz Bauers, das Gesamtgeschehen in Auschwitz im Prozess aus der Perspektive der Opfer zu thematisieren und ermöglichen eine Vorstellung von den Bedingungen in Auschwitz.
Dem besonderen Fall von Lili Zelmanovic und ihrem „Auschwitz-Album“ ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Lili Zelmanovic fand bei der Befreiung Auschwitz 1945 durch Zufall ein Fotoalbum, das Aufnahmen von der Rampe zeigt, die durch den SS-Fotografen Bernhard Walter gemacht wurden. Lili Zelmanovic entdeckte dabei Angehörige sowie den Rabbiner, der ihre Eltern verheiratete und schließlich sich selbst. Das Album diente später im Prozess dazu, bestimmte Angeklagte, die bei der „Selektion“ ungarischer Jüdinnen und Juden dabei waren, zu identifizieren. Das Materialheft druckt Lili Zelmanovics, zu dem Zeitpunkt bereits Lili Meier, Aussage vor Gericht ab, sowie einige Foto aus dem Album. Zu beachten ist bei der Arbeit mit diesen Fotos, dass sie die Sicht der SS dokumentieren, die bestrebt war keine Gewalttaten oder gar den Vernichtungsprozess zu dokumentieren. Weitere Kapitel thematisieren die Betreuung der Auschwitz-Überlebenden anhand von Zeitungsartikeln, Briefen und Erinnerungen von betreuten Zeugen, die Erlebnisse eines Zeugen vor Gericht in Form eines Berichts seines Sohnes sowie die Urteilsbegründung in Ausschnitten und in einem Echo aus der Presse. Das letzte Kapitel thematisiert das kulturelle Echo auf den Auschwitz-Prozess in Theater, Literatur, Film und Ausstellung. Abgerundet wird das Heft durch einen Abriss der Geschichte der drei Lager in Auschwitz, Lagepläne der Lager sowie Literaturhinweise zum Auschwitz-Prozess.
Wer auf der Suche nach fertigen Unterrichtsentwürfen ist, wird in dem Heft des Bauer-Instituts nicht fündig werden. Es bietet dagegen eine sehr umfangreiche Sammlung von Dokumentationen des Prozesses, von Zeitzeugenaussagen bis hin zur Rezeption in der zeitgenössischen Presse. Damit stellt das Heft ein wertvolles Arbeitsmittel für Lehrerinnen und Lehrer dar, die mithilfe der Materialien den Lernenden Originaldokumente aus den 60er zur Verfügung stellen können, die nicht nur den Prozess an sich thematisieren, sondern auch die Rezeption in der Gesellschaft anhand der Berichterstattung und der kulturellen Verarbeitung.