Das Schulbuch sei nach wie vor das Leitmedium des Geschichtsunterrichts. Ausgehend von dieser Feststellung haben Bernd Schönemann und Holger Thünemann ein Handbuch zur Nutzung des Geschichtslehrbuches in der Unterrichtspraxis verfasst. Guter Geschichtsunterricht verlange nämlich trotz Methodenseiten und Hinweisen zur Anwendung eine reflektierte Verwendung des Lehrbuches. Die vorliegende Monographie verfolgt dabei zwei Ziele: Als theoretische Fundierung wird ein Einblick in die Schulbuchforschung gegeben, die historische Entwicklung des Geschichtsbuchs nachgezeichnet sowie Aufbau, Produktion und Distribution verdeutlicht. Darauf aufbauend geben die Autoren praktische Tipps und Ideen zur Nutzung des Lehrbuches im Geschichtsunterricht. Der Band richtet sich damit sowohl an Studierende und Referendare als auch an praktizierende Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer. Die einzelnen Kapitel sind dabei so geschrieben, dass sie auch einzeln lesbar sind.
In der Einleitung fragen die Autoren nach der Zukunftsfähigkeit des Schulbuchs in seiner herkömmlichen Form. Sie resümieren, dass vor dem Hintergrund der Alternative eines „Schulbuchs auf Datenträger“ (S. 13), das klassische Schulbuch weiterhin ein Leitmedium des Unterrichts bleiben wird. Dem liegt die Hypothese zugrunde, dass das Schulbuch „im Spannungsfeld heterogener Erwartungshaltungen mehr Wünsche besser erfüllt als seine Konkurrenz“ (S. 15). Den unterschiedlichen Interessen der Verlage, der Kommunen, der Praxisroutinen der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Tatsache, dass noch nicht alle Schülerinnen und Schüler über einen Computer verfügen, komme das Schulbuch in seiner herkömmlichen Form entgegen. Lesen Sie dazu mehr im Beitrag von Thünemann in dieser Ausgabe des Magazins.
Ein Überblick über die Schulbuchforschung zeigt historische, internationale und didaktische Perspektiven auf. Diese drei Richtungen der Schulbuchforschung gehen von einem unterschiedlichen Verständnis des Buches aus: Die historische Schulbuchforschung begreift es als Quelle und die Autoren verdeutlichen dies am Beispiel Lehrbuchentwicklung im Kaiserreich (S. 25ff). In der internationalen Schulbuchforschung wird das Lehrbuch als ein Instrument der Völkerverständigung begriffen. Konsequenterweise verstärkten sich die Forschungen in diesem Bereich nach den Einschnitten des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Ein Beispiel bieten hier die deutsch-polnischen Schulbuchgespräche. Die didaktische Schulbuchforschung schließlich sieht das Geschichtsbuch als ein Medium historischen Lehrens und Lernens. Diese Forschungsrichtung wird erst seit etwa 30 Jahren betrieben und ist am schwächsten ausgeprägt. Schönemann und Thünemann bieten auch hier einige Beispiele.
In einem weiteren Kapitel verdeutlichen die Autoren die Entwicklung des Geschichtsbuches von der Katechese über den klassischen Leitfaden, hin zum reinen Arbeitsbuch und schließlich zum heute dominierenden kombinierten Lern- und Arbeitsbuch. Zu jedem Typ findet sich eine morphologische Beschreibung, sowie Erläuterungen des geschichtstheoretischen Hintergrunds des Lehrbuchs, der Lernleistungserwartungen sowie des unterrichtsmethodischen Umgangs mit dem Lehrbuch. Alle vier Typen von Geschichtslehrbüchern werden mittels eines Beispiels vorgestellt.
Im vierten Kapitel zeigen Schönemann und Thünemann die klassische Struktur eines Schulbuches in der Form eines „Medienmix“ (S. 81) auf und verdeutlichen die Funktionen des jeweiligen Teils. Sie unterteilen das Lehrbuch in Auftaktdoppelseiten, Verfasser- bzw. Autorentext, Arbeitsteil und paratextuelle Elemente (Layout, Glossar, Register) und unterstreichen die jeweilige Relevanz für den Prozess des historischen Lernens. Das fünfte Kapitel zeichnet den Weg des Schulbuches vom Verlag auf den Schultisch nach und verdeutlicht Schwierigkeiten dieses Weges. Kapitel sechs widmet sich der Schulbuchauswahl und Unterrichtsplanung. Für diese beiden Praxisszenarien werden jeweils anwendungsbezogene Analyseraster entwickelt. Das fünfte Kapitel stellt somit einen Übergang zum Praxisteil des Buches dar.
Das folgende, siebte Kapitel ist der Praxisteil von „Schulbucharbeit“, der knapp ein Drittel des Bandes ausmacht. In diesem Teil werden didaktische Möglichkeiten vorgestellt, wie das Geschichtsbuch im Unterricht eingesetzt werden kann. Den konkreten Vorschlägen geht ein Überblick über den Forschungsstand zum Einsatz des Schulgeschichtsbuchs voran. Die vorgestellten Methoden sind in vier Unterkapitel gegliedert: Informationsentnahme durch Reorganisation, Erkenntnisgewinn durch Materialerschließung, Urteilsbildung durch Problemlösung sowie Ideologiekritik durch Schulbuchvergleich. Bei jeder Methode wird auf ein Geschichtsbuch verwiesen, in dem diese verwendet wird und die entsprechende Seite ist abgedruckt. Die Autoren erläutern die Methode und verdeutlichen den Lerneffekt.
Bei der Informationsentnahme komme es nach Ansicht der Autoren zunächst nicht auf historische Analyse oder Kritik an. Sie bilde aber die Voraussetzung für einen erfolgreichen historischen Lernprozess und erfolge durch eine eigenständige Strukturierungsleistung. Zur Neustrukturierung von Informationen stellt das Buch folgende Methoden vor: unterschiedliche Arten von Zeitleisten, Collagen, verschiedene Möglichkeiten der Versprachlichung von visuellen Darstellungen sowie der Visualisierung von schriftlichen Darstellungen.
Weitere vorgestellte Methoden zielen auf den zweiten Schritt der Beschäftigung mit einem Thema: dem historischen Erkenntnisgewinn. Quellen, aber auch Darstellungen/Texte im Schulbuch können dabei in dreifacher Hinsicht erschlossen werden: Erstes können Vereinfachungen durch sachliche Überprüfung kritisiert, zweitens monoperspektivische Darstellungen differenziert und drittens historische Ereignisse in einen größeren Kontext gestellt werden. Auf diese Weise könne ein reflektierter Umgang mit Darstellungen von Geschichte geübt werden. Ob dieses jedoch mit dem jeweils vorhandenen Lehrwerk möglich ist oder weiteres Material gesucht werden muss, müsse von der Geschichtslehrerin/dem Geschichtslehrer geprüft werden.
Der dritte Schritt bei der Erarbeitung eines historischen Themas umfasse die Urteilsbildung durch Problemlösung. Hierbei komme es darauf an, auf dem Weg der Sprache die gewonnenen Erkenntnisse in einen logischen Sinnzusammenhang zu stellen. Neuere Schulbücher enthalten bereits Methodenvorschläge wie das Verfassen eines Zeitungskommentars, eines Leserbriefes, eines Dialoges oder die Durchführung einer Podiumsdiskussion oder einer Pro-und-Contra-Debatte. Weitere Methoden seien aber geeignet, um „zugleich die mediale Eigenlogik des Schulbuchs gezielt“ (S. 176) zu reflektieren. Schönemann und Thünemann schlagen vor, die Schulbuchdarstellungen umschreiben zu lassen, eigene Darstellungen oder ganze Kapitel zu entwerfen oder ein Schulbuchkapitel zu rezensieren. Zuletzt weisen die Autoren auf die Möglichkeit hin, anhand eines Vergleiches von Schulbüchern Ideologiekritik zu üben. Durch einen solchen Vergleich könnten Schülerinnen und Schüler lernen, eine kritische Distanz zum Medium Geschichtsbuch aufzubauen sowie Einsicht in die Instrumentalisierbarkeit historischen Lehrens und Lernens erhalten.
Wer sich auf einer theoretischen Ebene mit Geschichte und Aufbau des Geschichtsbuches beschäftigen möchte, findet in „Schulbucharbeit“ eine kompakte Übersichtsdarstellung. Für Praktiker/innen bietet der Band eine Sammlung von Methoden, die teilweise existierenden Schulbüchern entnommen sind und sicherlich keine überraschende Innovation darstellen. Die Autoren verdeutlichen jedoch, wie man mit den üblichen Elementen eines Schulbuches (Informationstext, Karten, Graphiken und Ähnlichem) arbeiten kann, das Schulbuch selbst als Gegenstand für medienreflexive Aufträge nutzen kann und schärfen das Bewusstsein für einen reflektierten Einsatz des Lehrbuches im Geschichtsunterricht.