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Das Projekt „Aktiv gegen Antisemitismus“ verfolgt das Ziel, Jugendliche für aktuellen Antisemitismus zu sensibilisieren und sie zu motivieren, aktiv gegen Antisemitismus und für ein auf gegenseitigem Respekt basierendes Miteinander einzutreten.
Unsere Arbeit richtet sich schwerpunktmäßig an Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund und hat das Ziel, diese gegen antisemitische Erscheinungsformen stark zu machen und präventiv gegen Antisemitismus vorzugehen. Im Mittelpunkt des Projektes stehen Kinder und Jugendliche, die selbst oder deren Familien nach Deutschland eingewandert sind, die nichtdeutscher Herkunftssprache sind, die in einem religiös und kulturell gemischtem Umfeld aufwachsen.
Darüber hinaus richtet sich das Projekt an Lehrer/innen, Multiplikator/innen, die mit der oben genannten Zielgruppe in Kontakt sind und deren Einbindung in die Arbeit gegen Antisemitismus als besonders wichtig erachtet wird.
Das Projekt „Aktiv gegen Antisemitismus“ reagiert auf die Problematik, dass Lehrer/innen und Multiplikator/innen in der pädagogischen Praxis immer öfter mit antisemitischen Äußerungen von Kindern und Jugendlichen konfrontiert werden. Auch wenn dahinter in der Regel kein geschlossenes antisemitisches Weltbild steht, gilt es doch, antisemitische Strukturen zu erkennen und darauf adäquat zu reagieren. Dafür fehlen jedoch in vielen Fällen die notwendigen Handlungskompetenzen wie auch der notwendige Einblick in die Lebenswelt und das tatsächliche Wissen der Kinder und Jugendlichen seitens der Lehrkräfte. Aus dieser Praxis heraus erwuchs die Erkenntnis, dass eine Bündelung der Erfahrungen der unterschiedlichen Akteure im Bildungsbereich im Projekt „Aktiv gegen Antisemitismus“ für die Bildungsarbeit gegen Antisemitismus dringend erforderlich ist und als nützliche Erweiterung bestehender pädagogischer Angebote betrachtet wird.
Unsere bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass Kinder und Jugendliche in der Bundesrepublik Juden und Judentum in der Regel als Abstraktum und unter den Prämissen der Verfolgung bzw. gemäß des aktuellen antiisraelischen/antisemitischen Bildes eines überdimensionierten Feindes kennen lernen. Hier zeigt sich, dass Antisemitismus als Problem der Nicht-Juden zu erkennen und zu benennen ist und dass eine Präventionsarbeit gegen Antisemitismus bereits in der Grundschule einsetzen muss. Als besonders innovativ zu bewerten ist deshalb der Ansatz des Projektes „Aktiv gegen Antisemitismus“, Kinder im Grundschulalter mit jüdischem Leben heute vertraut zu machen und damit präventiv gegen ein Aufkommen von Antisemitismus vorzugehen. Im Hinblick auf die ethnisch heterogene Zusammensetzung der Grundschulen in sozialen Brennpunkten gilt es, prozesshaft und in produktorientiertem Arbeiten die Begegnung mit anderen Lebenswelten zu befördern.
Im Zentrum der ersten Säule stehen Kinder der Klassenstufen fünf und sechs aus Schulen in sozialen Brennpunkten, in denen ein hoher Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund lernt. Diese setzen sich mit dem Zusammenleben verschiedener Kulturen in ihrer Stadt auseinander und nähern sich in Projektreihen der jüdischen Religion an. Zentraler Gedanke hierbei ist, dass den Kindern Judentum durch lebendige Begegnungen näher gebracht wird. So erfahren sie, dass Juden nicht ausschließlich Verfolgte im NS waren, sondern Teil der deutschen Kulturgeschichte waren und sind. Die Kinder setzen sich mit verschiedenen Themen aus der jüdischen Religion und Geschichte auseinander, erfahren von Gemeinsamkeiten auch mit anderen Religionen, z. B. dem Islam, lernen historische Personen und darüber Formen des Zusammenlebens von Juden und Nichtjuden in verschiedenen Epochen und verschiedenen Regionen kennen. Auch aktuelle Formen von Antisemitismus lernen die Kinder in den Projekten kennen.
Methodisch steht dabei eine spielerisch-lernende Auseinandersetzung im Mittelpunkt, die möglichst lebensnah zu gestalten ist. Einbezogen werden hierbei Kinder mit unterschiedlichen sozialen und religiösen Hintergründen. Mit dem produktorientierten Arbeiten werden praktische und emotionale Fähigkeiten gefördert. Einen Blickwinkel bildet hierin die Erfahrbarkeit jüdischen Lebens und jüdischer Kultur. Den Kindern werden dadurch sowohl intellektuelle wie auch emotionale Zugänge zum jeweils ‚Anderen’ eröffnet und sie werden in ihrer Empathiefähigkeit gestärkt.
Ausgehend von der Beschäftigung mit dem Roman „Arabboy“ von Güner Yasmin Balci setzen sich die Teilnehmenden mit verschiedenen Identitätsmodellen auseinander, die ihre unmittelbare Lebenswirklichkeit betreffen. Neben der Religion und dem instrumentell – argumentativen Umgang damit, werden vor allem das Verhältnis zwischen Jungen und Mädchen, die Sexualität, Vorurteile und das lokale Umfeld beleuchtet. Durch die Analyse des Romans und einer Schulausstellung als Produkt der Einheit wird das Wissen und vor allem die Alternativvorschläge zur existierenden Lebenswelt einer schulischen Öffentlichkeit bekannt gemacht und weitergetragen.
Die durch viele Vorurteile und verzerrte Bilder vorherrschende Einstellung gegenüber Jüdinnen und Juden wird durch eine auf den gemeinsame Grundlagen und Werten der Religion basierenden Einheit vermittelt. Ausgehend von Alltagspraktiken und Ritualen soll die Grundlage des Judentums – Achtung des Lebens und Respekt vor anderen Menschen – den Schülern vermittelt werden. Durch Besuche in der Synagoge und Museen lernen sie darüber hinaus Judentum als festen Bestandteil „ihrer“ Stadt kennen und werden dafür sensibilisiert, bestehende Vorurteile gegenüber Jüdinnen und Juden abzubauen.
Nationalsozialismus (Klasse 10 Geschichte): Die Beschäftigung mit dem historischen NS und der Erinnerung daran bedeutet eine große Herausforderung für Lehrende und Lernende. Gerade in der Erinnerungsabwehr und subjektiv empfundenem „inkorrektem“ Verhalten am historischen Ort durch die Lernenden, macht eine neue Herangehensweise notwendig. Durch die Auswahl neuer Quellen, z.B. über die deutsch – türkische Beziehungsgeschichte in lebensweltlicher Hinsicht, können die Schüler einen neuen Zugang zum Thema erhalten und vom „eigenen“ auf das „fremde“ hin sensibilisiert werden. Durch die Einbeziehung und Berücksichtigung eines Methodenmix – Zeitzeugenbegegnung, historischer Lernort, Museum, Gedenkstätte – wurde eine große Bandbreite an Herangehensweisen erprobt, um künftige Empfehlungen zur Behandlung des Themas aussprechen zu können.
Die meisten antisemitischen Vorurteile werden durch die Zielgruppe des Projekts in Hinblick auf den Nahostkonflikt geäußert. Dabei wird durch das Elternhaus, die Sozialisierung im eigenen Milieu, die Medien und andere Faktoren entscheidend dazu beigetragen, eine verzerrte Wahrnehmung der Region und des Konflikts in seiner historisch – politischen Bedingtheit zu erzeugen. Durch die Entwicklung von geographischen und historisch – politischen Zugängen versucht das Projekt eine neue Grundlage für das Problembewusstsein in Bezug auf den Konflikt zu legen, das nicht mehr von einer einseitig antisemitischen, vorurteilsbehafteten Betrachtung ausgeht, sondern eine differenzierte, entmythologisierende Betrachtung gestatten soll.
Zu den inhaltlichen Schwerpunkten werden in regelmäßigen Fortbildungen Lehrerinnen und Lehrer aus dem Projekt und darüber hinaus geschult: Durchgeführt werden Sensibilisierungstrainings zu antisemitischen Stereotypen zu den Themen:
Das Projekt wird vom Berliner Büro des American Jewish Committee in Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg durchgeführt. Es wird als Modellprojekt durch das Bundesporgramm "Vielfalt tut gut. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie" durch das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.