Beschimpfungen als „Jude“ und antisemitische Verschwörungstheorien häufen sich nicht nur bei der Thematisierung des Nahostkonflikts und nicht nur unter muslimischen Jugendlichen, so Jochen Müller, Islamwissenschaftler und Leiter des Webportals ufuq.de. Auffällig sei aber, dass oft der Nahostkonflikt als Begründung für Israelhass und antisemitische Äußerungen genannt werde, so Müller weiter. Gerade in Krisen- und Kriegszeiten mehrten sich derartige Äußerungen, nicht nur von Jugendlichen mit familiären Verbindungen in die Region, sondern auch als eine Art des Ausdrucks von Solidarität mit ihnen.
Verschiedenen Formen von Antisemitismus und Israelhass zu begegnen, sieht Müller als drängende Aufgabe für Pädagoginnen und Pädagogen.
Nach einem kurzen Problemabriss, der die Funktionen von Israelhass und antisemitischen Meinungsäußerungen bei einigen Jugendlichen erläutert, konzentriert sich Jochen Müller auf Möglichkeiten der pädagogischen Arbeit, antisemitischen Haltungen zu begegnen und vorzubeugen.
Er weist daraufhin, dass hinter vereinzelten antisemitischen Äußerungen noch kein geschlossenes antisemitisches Weltbild stehen müsse – letzterem sei mit pädagogischer Arbeit im Grunde kaum zu begegnen.
Eine Skandalisierung antisemitischer Aussagen nutze wenig, vielmehr sollten die Meinungen und Vorurteile der Jugendlichen Ausgangspunkt der Auseinandersetzung sein. Die Anerkennung von Unrechtserfahrungen, Kriegs- und Fluchtgeschichten von Jugendlichen gehöre dazu.
Für Pädagoginnen und Pädagogen bestehe nun die Schwierigkeit darin, zwischen realen Erfahrungen und verzerrten Feindbildkonstruktionen zu differenzieren, so Müller. Eine gute Kenntnis der Geschichte des Konflikts sei dabei unerlässlich. Eine multiperspektivische Herangehensweise, in der die Geschichte der Nakba, also der Flucht und Vertreibung nach dem Palästinakrieg, neben der der Staatsgründung Israels erzählt wird, wäre ein Ziel.
Als wichtiges Mittel um Propaganda und dem Aufbau von Feindbildern entgegen zu wirken, könne eine kritische Medienkompetenz sehr hilfreich sein, meint Müller. Die englische Berichterstattung des arabischen Nachrichtensenders Al-Jazeera könnte mit anderen Presseberichten verglichen werden. Nicht zuletzt setzen Jugendliche antisemitische Äußerungen z.T. als gezielte Provokation von Lehrkräften ein.
Zusätzlich hat Jochen Müller einige Stimmen und Hinweise rund um den deutsch-palästinensischen Rapper Massiv zusammengestellt, der 2008 auf Einladung des dortigen Goethe-Instituts durch das Westjordanland, die Heimat seiner Großeltern, tourte.
Die Berichterstattung über Massivs umstrittene Reise wurde von einem Fan von Massiv gesammelt, leider ist sie aber nicht mehr unter dem von Jochen Müller angegebenen Link zu finden, sondern unter dem Eintrag vom 17. Dezember 2008 in diesem Musikforum: http://www.myspace.com/wowabang1
Darunter gibt es einen ARD-Bericht, mehrere Zeitungsartikel aus der taz, der FAZ sowie einen 10-minütigen Film über Massivs Reise ins Westjordanland.
Alle Links der Presseschau sind außerdem unter dem Videoclip über Massivs Reise noch einmal versammelt worden: http://www.youtube.com/watch?v=eq82QbHuYlg
Von Jochen Müller nicht aufgeführt, aber eine Notiz wert, sind zwei Musikstücke von Massiv. Das erste Stück (Palestine) ist einige Zeit vor seiner Reise nach Palästina entstanden, während das zweite (Freedom) nach seiner Reise im Januar 2009 erschienen ist. In „Freedom“ klingt Massiv um einiges nachdenklicher als noch in der Anklage „Palestine“ und rappt „dieser song hier steht für Frieden“, anders als in „Palestine“, als er davon sprach, dass er „den Stein in der Hand“ hat. Manche Stimmen halten dagegen eher kommerzielle Gründe und den Versuch Ärger zu vermeiden für ausschlaggebend für diese Entwicklung. Die Auseinandersetzung mit Massivs Biographie und seiner umstrittenen Musik kann ein Ausgangspunkt sein, um den Nahostkonflikt zu thematisieren.
Der Artikel „Anerkennen und Abgrenzen – Überlegungen zur Pädagogik gegen Antisemitismus und Israelhass unter jungen Muslimen“ von Jochen Müller ist erschienen in: Ufuq Newsletter „ Jugendkultur, Religion und Demokratie. Politische Bildung mit jungen Muslimen.“ Ausgabe vom 3. Dezember 2008. Zu beziehen unter: http://ufuq.de/newsletter