Die Bochumer Ausstellung „Und trotzdem“ über Lesben im Nationalsozialismus gründet sich auf die Ergebnisse der feministischen Forschung der letzten drei Jahrzehnte. Die Westberliner Forscherin Ilse Kokula war Mitte der siebziger Jahre die erste, die Interviews mit lesbischen Zeitzeuginnen durchführte und dokumentierte. In den achtziger Jahren begann die Historikerin Claudia Schoppmann mit einer umfangreichen wissenschaftlichen Aufarbeitung der Thematik. Ihre Veröffentlichung „Nationalsozialistische Sexualpolitik und weibliche Homosexualität“ zählt als Standardwerk zu diesem Thema.
Die Ausstellung von ausZeiten und Rote Strippe will der immer noch dürftigen Quellenlage über Lesben im Nationalsozialismus entgegenwirken. „Und trotzdem ..." lautet der Titel eines Liedes, das Eva Busch gesungen hat und nach dem sie ihre Autobiographie benannt hat. Eva Busch hat als politisch Aufsässige Ravensbrück überlebt.
Hintergrund der Ausstellung ist die These, „dass die nationalsozialistische Homosexuellenpolitik geschlechtsspezifisch war und dass die Behandlung derjenigen Lesben, die nicht primär aus rassistischen Gründen verfolgt wurden, stärker durch die nationalsozialistische Frauenpolitik als durch die nationalsozialistische Homosexuellenpolitik bestimmt wurde.“
Im ersten Teil der Ausstellung wird der gesellschaftspolitische Kontext vor und nach 1933 skizziert. Es wird gezeigt, wie die Nationalsozialisten die damalige Frauenbewegung bekämpften, um ihre eigene Frauenpolitik durchzusetzen. Lesben wurden nicht über den § 175 kriminalisiert, doch sie standen unter ständigem Druck, sich in das propagierte nationalsozialistische Frauenbild einzufügen. Die Spanne der Reaktionen auf die Verfolgung verlief von Emigration über Rückzug in den Untergrund bis hin zur (optischen) „Anpassung“.
Über die Situation von Lesben in den Konzentrations- und Vernichtungslager lässt sich auf Grund der schlechten Quellenlage wenig sagen. Nur einige Dokumente und Selbstzeugnisse sind erhalten. In Erinnerungen von Überlebenden finden sich häufig abfällige Bemerkungen über lesbisches Verhalten, die durch die Lagerhierarchie, durch erfahrene Demütigungen, aber auch durch ein heterosexuell geprägtes Wahrnehmungsmuster beeinflusst wurden.
Im zweiten Teil der Ausstellung werden exemplarische Biographien von politisch unangepassten Lesben präsentiert. So zum Beispiel Johanna Elberskirchen. Sie war frauenpolitisch aktiv in der Frauenbewegung, offen lesbisch und publizierte Texte über „Die Liebe des dritten Geschlechts“. Ihre Partnerin Hildegard Moniac erhielt als USPD-Mitfrau Berufsverbot. Die Schriftstellerin Gertrud Schloß fiel als Jüdin der Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus zum Opfer und wurde – wahrscheinlich im Konzentrationslager Kulmhof – ermordet. Die jüdische Malerin Gertrude Sandmann hatte in Berlin Berufsverbot, konnte aber untertauchen und mit Hilfe ihrer Freundinnen überleben.
Die Ausstellung wurde 2005 im Rahmen der Reihe „Herstory“ der Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in NRW vom Frauenarchiv ausZeiten e.V. und der Rosa Strippe e.V. konzipiert und wurde gefördert aus Mitteln des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration NRW. Die Ausstellung besteht in der Originalfassung aus fünf thematischen Tafeln, fünf Biographietafeln und einem fiktiven Lebenslauf. Sie kann gegen Gebühr bei Rosa Strippe e.V. ausgeliehen werden.
Das feministische Archiv ausZeiten e.V. wurde 1995 als ein Projekt der autonomen Frauen/Lesbenbewegung in Bochum eröffnet. Die Rosa Strippe e.V. ist ein vom Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Bochum geförderter gemeinnütziger Verein und unterhält ein Jugend- und ein Beratungszentrum
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