Die Anwendung digitaler Medien in der historisch-politischen Bildungsarbeit steckt heute noch in den Kinderschuhen. Oft sind die neuen Möglichkeiten kaum bekannt. Stattdessen setzen Pädagog/innen auf Altbekanntes. Immer noch dokumentieren Jugendliche häufig ihre Projekte auf Wandzeitungen, drucken Fotos aus, kleben sie auf Pappe und gestalten das Endprodukt mit bunten Malereien. Ein weiterer Klassiker ist die Dokumentation auf Video das auf eine DVD gebrannt wird oder als Powerpoint-Präsentation. Andere Medien werden kaum angewendet.
Im Gegensatz zu den alten Medien sind die digitalen oft weitaus zeitaufwendiger. Zusätzlich existieren in vielen Bildungseinrichtungen nur sehr schlechte und wenige Computer und noch weniger eine digitale Foto- und Videokamera und ein Audioaufnahmegerät. Neuanschaffungen sind aufgrund des geringen Budgets oft nicht möglich. Auch ein Internetanschluss und entsprechende Programme werden für die Arbeit benötigt. Vor allem aber müssen die Pädagog/innen wissen, welche Möglichkeiten diese Medien bieten und wie sie angewendet werden. Eine Einarbeitung in die Programme ist im Alltag oft nicht möglich, da die Zeit nicht reicht. Dies sind gewiss viele und gute Gründe, vor dem Einsatz digitaler Medien in der historisch-politischen Bildung zurückzuschrecken. Eine Lösung hierfür könnte sein außerschulische Kooperationspartner/innen zu finden, die über das nötige Equipment verfügen und den Einsatz digitaler Medien in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit unterstützen.
Inzwischen ist unbestritten, dass digitale Medien immer stärker unseren Alltag mitgestalten. So spricht die Erziehungswissenschaftlerin Christina Schwalbe (Universität Hamburg) dem Internet die gleiche gesellschaftliche Bedeutung zu wie die Erfindung des Buchdrucks im 16. Jahrhundert. Ebenso wie der Buchdruck wird auch das Internet bzw. digitale Medien die Gesellschaft nachhaltig verändern. Beispielhaft seien hier das veränderte Fernsehverhalten der jüngeren und mittleren Generation sowie die Entwicklung des Handys zum ständigen Begleiter genannt. Auch das Internet wird immer wichtiger. Wie die Studie des IT-Branchenverbands BITKOM von 2009 aufzeigt, würden viele Jugendliche und junge Erwachsene lieber auf ihre Liebesbeziehung verzichten, als auf das Internet. Dies bedeutet aber nicht, dass Jugendliche mit allen Möglichkeiten des Internets und der digitalen Medien vertraut sind. Meiner Erfahrung nach verwenden sie sie recht einseitig und haben oft große Wissenslücken.
Grundsätzlich ist Bildung ohne Medien nicht möglich, Bildung ist immer auch medial. Die Frage ist nur, welche Medien wann und wie angewendet werden. Dies ist abhängig von Zeit, Lernzielen, Infrastruktur und dem Alter der Lernenden.
Gerade Jugendlichen macht es großen Spaß mit digitalen Medien zu arbeiten. Denn mit ihnen lassen sich Themen auf kreative Art aufbereiten, sie regen zum selbstständigen Lernen an. So setzen sich die Jugendlichen durch die Artikulationsprozesse vertieft mit dem Thema auseinander, sie reden mit den restlichen Teilnehmer/innen der Gruppe oder Klasse über die Inhalte und machen sich Gedanken, wie sie die Inhalte darstellen möchten. Die Medienarbeit erfolgt meistens in Kleingruppen, in denen sie sich austauschen müssen, Ziele formulieren, Arbeitsprozesse gemeinsam gestalten. Das heißt Medienarbeit unterstützt das soziale Verhalten, die Kommunikation der Jugendlichen und die selbstständige Art, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Sie entdecken Möglichkeiten des Handelns und nehmen sich durch die Veröffentlichung ihrer Arbeit als Subjekt in der Gesellschaft, in der sie leben wahr. Sie erhalten eine soziale Anerkennung und ihr Selbstbewusstsein wird gestärkt. Zusätzlich lernen sie, wie Medien funktionieren und wie Medienberichte entstehen. In einer medialen Welt sind dies inzwischen Schlüsselqualifikationen für ihr späteres Leben.
Eine Möglichkeit, historische Themen gemeinsam mit Jugendlichen aufzubereiten, sind Weblogs – die sogenannten Onlinetagebücher. Inzwischen ist es recht einfach, einen Weblog zu installieren und vorzubereiten, dies kann z.B. mit dem Programm Wordpress erfolgen. Eine Domain mit dazugehörigem Webspace ist nicht teuer bzw. für Bildungseinrichtungen häufig umsonst. Der Vorteil von Weblogs ist, dass mit verschiedenen Medien Prozesse und Ergebnisse dokumentiert werden können: Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, Audio- oder Videointerviews mit Zeitzeug/innen oder Expert/innen hochzuladen, Fotos einzustellen oder Artikel zu schreiben. Zudem lassen sich einzelne Beiträge kommentieren, so dass sich die Jugendlichen über die Themen austauschen können. Ein Beispiel für einen solchen Weblog ist http://www.queereurope.net .
Im Schreibprozess müssen sich die Jugendlichen genau überlegen, was sie veröffentlichen wollen und wie sie das Thema medial aufbereiten. Form und Inhalte diskutieren sie untereinander und auch beim Schreiben und Schneiden reden sie nochmals über die Inhalte. Sie werden zwar von Pädagog/innen angeleitet, treffen aber viele Entscheidungen selbst und sind für diese auch verantwortlich. Deswegen können sie sich am Ende mit dem Weblog stark identifizieren.
Meine Erfahrungen mit Weblogs in der Bildungsarbeit sind sehr gut, in Projekten mit 14-jährigen Jugendlichen aus sogenannten bildungsfernen Familien genauso wie in solchen mit jungen Studierenden. Die Mehrheit der Jugendlichen sind sehr engagiert dabei. Häufig kommentieren sie gegenseitig die jeweiligen Beiträge untereinander und stellen den Weblog ihrer Familie, Schulklasse oder Freund/innen vor. Wichtig beim Einsatz von Weblogs ist, dass die Pädagog/innen sich gut mit der Technik auskennen und auch selbst Spaß an dem Medium haben. Denn viele Jugendliche brauchen vor allem am Anfang Unterstützung bei dieser Arbeit. Es ist wichtig, sie motivieren zu können, denn der Aufbau eines Weblogs kann unter Umständen sehr viel Zeit beanspruchen. Allein ein einstündiges Audio- oder Videointerview zu schneiden, kann einen ganzen Tag kosten - Zeit die häufig besonders im Schulalltag fehlt.
Eine andere, bisher in der Bildungsarbeit wenig genutzte Anwendung, sind die sog. e-Portfolios. E-Portfolios sind Lerntagebücher, die je nach Programm unterschiedliche Möglichkeiten bieten. Eines der bekannteren ist „Mahara“, das in Schulen gern verwendet wird, weil es als Open Source Programm nichts kostet. Mit „Mahara“ können die Jugendlichen ihre Lernprozesse dokumentieren und in Teilen veröffentlichen. Ebenso haben sie die Möglichkeit, Gruppen beizutreten, sich untereinander auszutauschen und einen eigenen Weblog zu nutzen. Das e-Portfolio eignet sich vor allem für die Dokumentation von längerfristigen Lernprozessen, z.B. in einem ganzen Schuljahr oder einem festen Kurs. Für die freie Jugendarbeit eignet es sich meines Erachtens nicht so gut, da die Lernprozesse sich größtenteils auf kurze Zeit beschränken. Ein Vorteil von „Mahara“ ist, dass es sich leicht in das besonders in Schulen verwendete Lernmanagementsystem Moodle integrieren lässt.
Webanwendungen, die sich dagegen besonders gut für die außerschulische Bildungsarbeit eignen, sind virtuelle Welten. In virtuellen Welten können Gebäude und ganze Stadtteile nachgebaut und mit Videos und Audios ergänzt werden. Durch die Ausarbeitung von z.B. virtuellen Spaziergängen können die Jugendlichen auf kreative Weise eine historische Situation nachbauen. Dazu müssen sie sich intensiv mit den historischen Gegebenheiten auseinandersetzen. Auch hier allerdings müssen die Pädagogen/innen sich gut in der Technologie auskennen.
Die allgemein bekannteste virtuelle Welt ist das Second Life. Für die Bildungsarbeit mit Jugendlichen eignet es sich aber nicht, da sich nur Volljährige registrieren dürfen. Für das Pendant für Jugendliche , das Teen Second Life, wird von Seiten des Betreibers Linden Lab (USA) ein Registrierungsverfahren vorgegeben, welches für Jugendliche in Deutschland nicht anwendbar ist. Eine Alternative könnte in Zukunft der sog. Open Simulator sein, der sich aber aktuell noch im Aufbau befindet (http://opensimulator.org/wiki/OpenSimGerman ). Zur Zeit ist es möglich eine Testversion des Programms herunterzuladen und zu benutzen.
Weitere für die Bildungsarbeit interessante Möglichkeiten bieten Onlinespiele. Bekannter ist das Spiel „Bordergames“, das im spanischen Madrid von einer Gruppe aus Programmierern und sozialen Aktivisten entwickelt wurde. In den ersten Workshops erstellten sie gemeinsam mit jugendlichen arabischen Migranten ein Onlinespiel, dass den Alltag von Jugendlichen ohne Papiere in einem Stadtteil von Madrid erfahrbar macht. Aber auch andere Kontexte lassen sich darstellen. Ein großes Problem beim Einsatz dieses Spiels ist aber der Aufwand: Die Produktion kostet viel Zeit und bedarf auch einiger Programmierkenntnisse.
Einfacher ist die Erstellung von digitalen Mindmaps. Mit Mindmaps können Jugendliche komplexere Zusammenhänge ordnen und darstellen. Sie müssen sich genau überlegen, welche Faktoren in welchem historischen Kontext wichtig sind, was Über- und was Unterpunkte sein müssen. Durch diese strukturierte Arbeit fällt es ihnen später viel leichter, sich auch in völlig anderen Themen zu orientieren und diese zu erfassen. Je nach Alter der Teilnehmer/innen einer Gruppe kann das Thema eines Mindmaps komplexer oder einfacher sein. Für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit eignet sich besonders das Programm FreeMind, da es relativ einfach zu bedienen ist und nichts kostet.
In Zukunft aber wird vor allem ein anderes Medium in der Bildungsarbeit eine noch viel größere Rolle spielen: das Handy. So kann man Stadtralleys mit dem Handy koordinieren, Filme z.B. zu historischen Orten erstellen und per SMS mit Unterstützung von GPS Aufgaben verteilen. Dazu kommt, dass das Handy sicherlich ein Medium ist, das fast alle Jugendliche anspricht. Somit wird die Einbindung des Handys in die Bildungsarbeit in Zukunft attraktiver werden. Webanwendungen in Mobiltelefonen werden in Zukunft Standard sein, die Datenübertragung wird schneller verlaufen, Tarife werden sicherlich sinken und Flatrates werden die Normalität. Zusätzlich werden ständig neue Programme entwickelt. Auch die Linuxcommunity programmiert fleißig Anwendungen für das Handy.
Meines Erachtens wird die Verknüpfung von historisch-politischer Bildungsarbeit und der Medienbildung vor allem dann in Zukunft sehr fruchtbar sein, wenn Schule und außerschulische Bildungsträger enger zusammen arbeiten. Da Schulen in Zukunft wohl verstärkt ganztags unterrichten, wird es für Jugendliche schwieriger außerschulische Angebote anzunehmen. Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Kooperationspartnern könnte den Ganztagsbereich mit attraktiven Angeboten sehr gut ergänzen bzw. könnte den Unterricht kreativer und interdisziplinärer gestalten. So können aus unterschiedlichen Perspektiven innovative Ideen entstehen, die den Schulalltag nachhaltig positiv beeinflussen werden. Schule und Lernen könnte auf diese Weise den Schülerinnen und Schüler mehr Spaß machen. Allerdings gibt es große Hürden in der Finanzierung solcher Kooperationen. Die Politik ist aufgefordert, diese zu lösen, bzw. müsste sich das starre Schulsystem mit seiner recht restriktiven Personalpolitik ändern. Viele Aufgaben, die zu lösen sind, eine Arbeit die sich aber für ein besseres Schulsystem mit attraktiveren Bildungsangeboten lohnen würde. Immerhin ist es eine Investition für unsere Zukunft.