Mit der Problematik des zweiten Weltkrieges beschäftigen sich die Schüler in der Slowakischen Republik an der Grundschule ab der 8. Klasse, aufgrund der Reformen des Schulpflichtsystems ab der 9. Klasse. Der Geschichtsunterricht erfolgt zweistündig pro Woche, eine Unterrichtstunde hat 45 Minuten.
An den achtjährigen Gymnasien in der Quarta und später in der Septime erfolgt der Geschichtsunterricht zweistündig pro Woche. An den Berufschulen und den Fachschulen im zweiten Schuljahr vorwiegend im ersten oder im zweiten Schuljahr gibt es eine Stunde Geschichtsunterricht pro Woche.
Nach dem politischen Wandel im Jahre 1989 haben das Autorenpaar Lubomir Liptak - dieser Autor durfte vor 1989 nicht publizieren- und Dusan Kovac die neuen vorübergehenden Lehrbücher ausgearbeitet. Eigentlich waren diese Schulbücher für alle Schulformen vorgesehen. In diesen für eine Übergangszeit gedachten Schulbüchern haben sich die Autoren erfolgreich um die Überwindung der vorherigen vereinfachten Interpretationen der Geschichte des 20. Jahrhunderts bemüht, die den marxistischen Doktrinen bzw. der Ideologie der kommunistischen Staatspartei entsprachen.
Das Ministerium für Bildung war nach der Wende nicht umgehend in der Lage, die Entwicklung neuer Lehrbücher in Auftrag zu geben. 1996 unterstützte sogar die EU durch das Programm PHARE l finanziell die Ausgabe des Geschichtslehrbuches von M. Durica. Damals war Eva Slavkovska Bildungsministerin, eine Repräsentantin der slowakischen nationalen Partei, die erheblich vom politischen Katholizismus, Nationalismus und Antisemitismus geprägt war. Nachdem die Europäische Kommission die entsprechenden Maßnahmen ergriffen hatte, musste dieses Lehrbuch aus den Schulen und Schulbibliotheken zurückgezogen werden. Die Ausschreibung des Ministeriums für Bildung für die Gestaltung neuer Grundschullehrbücher gewann ein Kollektiv von Autoren unter der Führung von Dušan Kovác.
Das Lehrbuch über das 20.Jh. für die Grundschulen ist in zwei Teile gegliedert - Die Geschichte der Slowakei und die Weltgeschichte. Die Geschichte der Slowakei wurde von den Autoren D. Kovác, I. Kamenec, V. Kratochvil verfasst. Das Ministerium für Bildung genehmigte es 1996. Ein gesondertes Kapitel beschäftigte sich mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs, die in sieben Themen gegliedert ist und in sieben Unterrichtsstunden durchgenommen werden soll.
Die Texte zu den jeweiligen Lehrinhalten sind entsprechend angeordnet: Der Text für eine Unterrichtsstunde besteht aus zwei Seiten. Auf der linken Seite steht die allgemeine Darstellung, im Vorwort sind alle wichtigen Daten und Ereignisse vermerkt. In einer Randleiste sind Bilder von historischen Personen, zeitgenössische Illustrationen und ein Glossar der Begriffe hinzugefügt. Auf der rechten Seite wird den Schülern die Politik Nazi-Deutschlands gegenüber der Tschechoslowakei einschließlich des Münchener Abkommens geschildert. Der Beginn der slowakischen Kriegsrepublik wird als Ergebnis der geopolitischen Interessen des „Dritten Reiches“ zur Eroberung und Beherrschung Osteuropas dargestellt.
Die Darstellung der slowakischen Politiker ist ambivalent, einerseits sollen sie nicht als Verbrecher erscheinen, andererseits wird auch nicht verschwiegen, dass sie Kollaborateure Nazi-Deutschlands waren. Hinsichtlich der Innenpolitik wird den Schülern das autoritäre Regime des Einparteiensystems der katholisch-nationalistischen slowakischen Volkspartei Hlinka`s dargestellt. Hinsichtlich der Außenpolitik erfahren die Schüler mehr über die Allianz zwischen der Slowakischen Republik und Nazi-Deutschland, sowohl von der Teilnahme am Krieg gegen Polen und die UdSSR als auch über die Kriegserklärung an Großbritannien und die USA.
Der Holocaustproblematik ist kein Extra-Kapitel gewidmet, stattdessen beschäftigt sich etwa die Hälfte des Lehrstoffs „Wie war die Slowakische Republik?“ mit diesem Thema. Man kann sich mit der Rolle der slowakischen Politiker V. Tuka und A. Mach auseinandersetzen, die maßgeblich für die Entrechtung und Verfolgung der slowakischen Juden verantwortlich waren. Die Illustrationen bieten den Schülern einen Einblick in die Problematik des Holocausts. Die Kennzeichnung mit dem Judenstern, die Vorgeschichte und der Verlauf der Deportationen werden dargestellt. Ein Foto zeigt den Eingang des Arbeitslagers für Juden in Novaky, Slowakei und ein mit antisemitischen Parolen und Zeichnungen beschmiertes Haus.
Als Dokumente gibt es einen Auszug aus dem Schreiben der Rabbiner, in dem die Judendeportation verurteilt wird, und einen Auszug aus einem Gesetz von 1942, mit dem die Deportation der Juden aus der Slowakei legalisiert wurde. Obwohl dieser Problematik kein ganzes Kapitel gewidmet ist, kann man sagen, dass die Schüler trotzdem einen Überblick über die Situation der Juden in der Slowakei bekommen.
Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass sich die Autoren bei der Interpretation um eine demokratische Perspektive bemühen und klar die Problematik des slowakischen Nationalismus - und insbesondere der national-klerikalen slowakischen Volkspartei Hlinka´s benennen. Die slowakische Kriegsrepublik wird nicht mythologisiert oder verklärt als ein Staat, auf den die Slowaken tausend Jahren gewartet hätten.
In dem Lehrbuch der Autorin H. Tkadlecková, werden vier Kapitel dem Zweiten Weltkrieg gewidmet. Die Lehrbuchstruktur ist mit der der o.g. "Geschichte der Slowakei" vergleichbar. Der Krieg zwischen 1938-1941 in Europa ist aus der Sicht der Diktatoren Hilter, Mussolini und Stalin interpretiert. Die Holocaust-Problematik wird nur als ein Teil des Themas behandelt. In einer Tabelle ist die Statistik der ermordeten Juden wiedergegeben. Die Fotos auf dieser Doppelseite zeigen Ghetto, Deportation und Konzentrationslager. Ein Dokument beinhaltet die Erinnerungen eines KZ-Häftlings. Die folgenden zwei Kapitel beschreiben die antisemitische Koalition, das Kriegsende und die Bedingungen der Nachkriegszeit.
Beide Lehrbüchern sind reich an Faktenschilderung, obwohl die zweite Seite jedes Themas die Analyse und Diskussion eines Dokuments oder eines Bilds/Fotos ermöglicht.. Der Lehrer kann selbst entscheiden, ob er ein halbes Jahr die Weltgeschichte und ein halbes Jahr die Nationalgeschichte der Slowakei unterrichten wird, oder, ob er mit beiden Büchern die Geschichte des 20. Jahrhunderts parallel mit den Schülern bearbeiten wird. Der Lehrer hat methodisch die Wahl, sich mit einer Thematik schwerpunktmäßig zu beschäftigen. Da beide Lehrbücher sehr umfangreich sind, hat er aber eigentlich nicht genügend Zeit dazu.
Als zusätzliche Hilfe dient das Geschichtslesebuch der Autoren: H. Tkadleckova, D. Kovác, I. Kamenec, V. Kratochvil, V. Jaksiscova, in dem sich viele verschiedene Dokumente und Bilder befinden. Zu unserem Thema gibt es sechs Texte, beispielsweise ein Auszug aus den Erinnerungen des Politikers P. Carnogurský, der Hlinka’s slowakischer Volkspartei angehörte, über die Entstehung der slowakischen Kriegsrepublik, vier literarische Texte der slowakischen Schriftsteller Rudolf Jašík, Milo Urban, Milan Ferko und L. Ballek über ihre Kriegserlebnisse und ein Ausschnitt aus dem Buch des jüdischen Intellektuellen Juraj Spitzer.
Durch die Vielfalt der Texte werden den Schülern die Probleme der Kriegsperiode aus unterschiedlichen Perspektiven verdeutlicht. Die Schüler bekommen diese Texte nur als Hausaufgabe, da sie aus Zeitgründen nicht in der Schulstunde gelesen werden können. Jeder Text ist methodisch bearbeitet, illustriert, und auch einige Merkwürdigkeiten sind angefügt, wie z.B. Witze aus der damaligen Zeit.
Das Bildungsministerium hat als Alternative auch ein weiteres Lehrbuch von R. Letz im slowakischen pädagogischen Verlag herausgegeben. Der Autor dieses Lehrbuches ist politisch dem Lager des Nationalismus und politischen Katholizismus zuzurechnen. Sowohl die Lehrbuchstruktur als auch die graphische und inhaltliche Strukturierung wurden von dem Vor-Wende System übernommen. Das Kapitel ist in sieben Unterkapitel gegliedert. Die nationalistische Einstellung des Autors wird beispielsweise daran deutlich, dass er die Entstehung der slowakischen Kriegsrepublik als einen wichtigen Schritt der politischen und nationalen Emanzipation der Slowaken interpretiert. Der Autor bemüht sich gar nicht darum, die Landtagswahlen in Dezember 1938 zu interpretieren. Man gewinnt den Eindruck, dass er das damalige Regime „verteidigen“ will. Die Teilnahme der Slowakei am Krieg gegen Polen und die UdSSR ist so dargestellt, als ob die Slowakei in diesen Krieg hineingezogen wurde, bzw. dass daran die radikale Politik von Hlinkas slowakischer Volkspartei (V. Tuka, A. Mach) schuld gewesen sei.
Allerdings hat er die Tatsache, dass die Slowakische Republik Großbritannien und den USA den Krieg erklärte, außer Acht gelassen. Die Mechanismen der Judenverfolgung interpretiert er, als ob nur einige wenige Politiker sie ausgelöst hätten. Die Verantwortung anderer - z.B. des slowakischen Parlaments, des Präsidenten und anderer Regierungsmitglieder - verschweigt der Autor. Aufgrund dieses Lehrbuches können falsche und verzerrte Vorstellungen über die politische Verantwortung der jeweiligen Politiker für die Entstehung des autoritären Regimes in der Slowakei entstehen. Dies betrifft auch die Frage des Holocaust.
Der Autor erwähnt zwar den antifaschistischen Widerstandskampf, erwähnt jedoch nicht, dass ohne dessen Existenz die Slowakei nach dem Krieg als der Verbündete Nazi-Deutschlands wahrgenommen worden wäre - ähnlich wie Ungarn, Finnland oder Bulgarien - und die Alliierten die Slowakei als solche behandelten.
Für die Fachschulen und Berufschulen wurde 1999 durch das Ministerium für Bildung das Lehrbuch der Autoren V. Varinský, M. Štefánsky, E. Chylová, V. Štefánsky, K. Fremal genehmigt. Das Lehrbuch ist in seiner Struktur von dem Autorenkollektiv D. Kovác beeinflusst. Die Problematik des Zweiten Weltkrieges ist auf zwei Seiten aufgegliedert - auf der eine Seite gibt es vier Themen für vier Unterrichtsstunden und auf der anderen Seite vier Oberthemen.
Der Text ist überfrachtet mit Fakten, die Ereignisse sind positivistisch, meist ohne Bewertungen oder Systematisierung dargestellt. Die Autoren konzentrieren sich auf die Aneinanderreihung von Daten und Fakten der Kriegsereignisse und die Entstehung der Anti-Hitler-Koalition. Der Holocaust wird nur kurz im Rahmen des Krieges gegen die UdSSR erwähnt. Die Darstellung der Geschichte der slowakischen Kriegsrepublik ist in diesem Lehrbuch nationalistisch. Nach Meinung der Autoren war die Ausrufung der Slowakischen Republik durch das Parlament legitim und verhinderte die Aufteilung der Slowakei unter den Nachbarstaaten.
Diese Deutung ist jedoch nur eine Mythologisierung der damaligen Situation - die Entstehung der Slowakischen Republik war in Wirklichkeit die Konsequenz der deutschen Herrschaft in Mitteleuropa, wonach verhindert werden sollte, dass die Nachbarnstaaten die Slowakei unter sich aufteilten. Schließlich begann wenige Monate danach der Krieg gegen Polen.
Dennoch respektieren die Autoren die Autorität des Regimes. Im Rahmen des Kapitels beschreiben die Autoren die Teilnahme der Slowakei am Krieg gegen Polen und die UdSSR, die Kriegserklärung an Großbritannien und die USA wird immerhin erwähnt. Im Kontext dieses Unterrichtsthemas sollen die Schüler auch noch die Holocaust-Problematik durchnehmen. Falsch ist die Darstellung der Autoren, dass die Aufhebung jüdischer Eigentumsrechte erst nach Aufnahme des Judenkodexes (1941) geschah. Das erste und auch das zweite „Arisierungsgesetz“ sind schon 1940 in Kraft getreten.
Für die antisemitische Politik wird die Regierung verantwortlich gemacht. Der antifaschistische Widerstandskampf wird als Entscheidung der Anti-Hitler-Koalition (der USA, Großbritanniens und der UdSSR) angehören zu wollen, interpretiert, was den Slowaken ermöglichte, nach Kriegsende auf der Siegerseite aufzutreten. (In Ungarn, Bulgarien und Finnland waren das eben nicht der Fall).
Es ist wirklich beunruhigend, dass bis jetzt - Jahre nach dem November 1989 - kein Lehrbuch für Gymnasien existiert, das die Geschichte des 20. Jahrhunderts behandelt. Den Lehrbuch-Wettbewerb gewann das Team von J. Hecková vom Institut für Geschichte der Universität in Nitra. Das genannte Kollektiv hat aber keine der drei geplanten Ausgaben für Gymnasien realisiert. Das Geschichtslehrbuch sollte im Jahr 2005 erscheinen.
Der Lehrplan beinhaltet derzeit Anweisungen für Lehrer/innen, wie sie die Thematik Zweiter Weltkrieg und die Slowakische Republik während des Krieges in 16 Unterrichtsstunden durchnehmen sollen. Für das gesamte Schuljahr sind 66 Stunden vorgesehen. Dem Thema sind folgende Themen zugeteilt: die Slowakische Republik in Europa - politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung, Opposition und Widerstand, Slowakische nationale Erhebung, Befreiung der Slowakei, Wiederherstellung der Tschechoslowakischen Republik. Bei einer solchen Gliederung könnten sich die Lehrer mit der Holocaust-Problematik lediglich eine ganze Unterrichtsstunde beschäftigen.
(Stand: September 2005)