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Dr. Helmut Rook D-99427 Weimar-Buchenwald Tel.: +49 (0) 36 43 43 01 90 Fax: +49 (0) 36 43 43 01 00 |
Buchenwald wurde 1937 - auch mit Blick auf einen zukünftigen Krieg - als Konzentrationslager für Gegner aus dem Reichsgebiet und den (noch nicht) eroberten europäischen Ländern gebaut. Neben dem Lager existierten eine Ausbildungskaserne der Waffen-SS und seit Frühjahr 1943 die "Gustloff-Werke II", in denen Häftlinge zu Tausenden in der Rüstungsproduktion eingesetzt wurden, eine Anbindung des Gesamtkomplexes an das Schienennetz der Reichsbahn wurde so aus Sicht der SS immer dringlicher. Am 26. Februar 1943 kam Heinrich Himmler, der Reichsführer der SS, nach Buchenwald und befahl, auf der Grundlage vorliegender erster Planungen am 15. März mit dem Bau einer Eisenbahnlinie von Weimar nach Buchenwald zu beginnen - bereits drei Monate später, am 21. Juni, sollte die 10 km lange Strecke fertiggestellt sein.
In erster Linie sollte sie den in Buchenwald stationierten SS-Einheiten und der Rüstungsproduktion in den "Gustloff-Werken" dienen, weniger von Bedeutung für diese Entscheidung war der Transportbedarf des Konzentrationslagers. Dieses Projekt ist mit gnadenloser Härte durchgesetzt worden, die zwölfstündigen Tages- und Nachtschichten haben viele Häftlinge nicht überlebt. Zum gesetzten Zeitpunkt waren die Schienen verlegt, für die SS-Männer gab es ein Fest und Orden, die Häftlinge bekamen zum erstenmal nach Wochen einen Tag frei. Tatsächlich war die Strecke jedoch so mangelhaft errichtet worden, dass die Gleise unter den Zügen häufig wegsackten und die Wagen entgleisten. So mussten Häftlinge unter großen Strapazen die Schienen immer wieder neu verlegen. [siehe Dokumente]
Über diese Anbindung an das Schienennetz der Reichsbahn konnten nun Materiallieferungen für die Waffenfabrik und Massentransporte von Menschen geleitet werden. Über den Bahnhof sind mehr als 120.000 Häftlinge nach Buchenwald gekommen, viele wurden anschließend zur "Vernichtung durch Arbeit" in eines der zahlreichen Außenkommandos oder andere Konzentrationslager verschickt.
Von hier aus wurden Häftlinge in den Tod nach Auschwitz deportiert, später kamen hier auch Massentransporte aus jenen deutschen Konzentrationslagern an, die vor der heranrückenden Roten Armee geräumt wurden, um den Gegnern keine Zeugen der Verbrechen in die Hände fallen zu lassen und um noch weitere Häftlinge in die hiesige Rüstungsproduktion zwingen zu können.Anfang April 1945, kurz bevor die meisten Wachmannschaften flohen, zwang die SS noch viele Buchenwaldhäftlinge auf sogenannte Evakuierungstransporte, die bald darauf als "Todesmärsche" endeten. Eine nicht mehr festzustellende Zahl von Häftlingen ist so dem SS-Terror noch kurz vor der Befreiung zum Opfer gefallen.
Nach dem Kriegsende wurde die Bahnverbindung nur noch sporadisch genutzt, die bereits bei dem britischen Luftangriff vom August 1944 schwer beschädigten Bahnhofsgebäude wurden nie wieder hergerichtet. Die Informationen über die Nutzung der Bahnstrecke in Verbindung mit dem "Speziallager 2" der sowjetischen Besatzungstruppen von 1945 bis 1950 und die spätere Verwendung im Zuge der Bauarbeiten am Mahnmal bis 1958 sind spärlich und lückenhaft. Teilweise sind die Schienen schon Ende der vierziger Jahre als Reparationsleistung abgebaut und abtransportiert worden. In der Folgezeit wurden die Reste des Bahnhofs und die Gleisverbindung vergessen, ein dichter Pflanzenteppich überwucherte Ladeflächen, Gleisanlagen und Fundamente. Überlegungen, das Bahnhofsgebäude als Teil der Gedenkstätte Buchenwald freizulegen und in die offiziellen Besucherführungen zu integrieren, wurden zu Zeiten der DDR - trotz des Wunsches ehemaliger Häftlinge - nicht verwirklicht. Bis heute überdeckt der Wald weitgehend die einstige Strecke. Große Teile der alten Anlage stehen vor dem völligen Verfall. Die Schwellen sind meist vermodert, Metallteile verrostet, Regen und Schnee zerstören die Mauerreste, und viele Pflastersteine wurden gestohlen.
Seit 1990 ist der Bahnhof Buchenwald in den Mittelpunkt mehrerer Jugendprojekte gerückt. Die Empfehlungen der Historikerkommission zur Neuorientierung der Gedenkstätte gaben auch den Rahmen für neue Ansätze in der Jugendbildungsarbeit. So begannen 1991 junge Leute verschiedener Altersstufen und Nationalitäten im Rahmen von Schülerprojektgruppen und Workcamps damit, Unkraut und Schutt abzuräumen, um das Gelände wieder kenntlich zu machen und begehbar werden zu lassen. Seither ist in mehreren Einsätzen eine beträchtliche Fläche des früheren Bahnhofs freigelegt worden.Die Aufgabe, "kein Gras über diese Geschichte wachsen zu lassen", wird hier wörtlich angegangen, wodurch tiefere Einblicke in die komplexe Lagergeschichte wieder ermöglicht werden - für die beteiligten Jugendlichen ebenso wie für spätere Besucher. So haben die Jugendlichen gegen die Vernachlässigung und den weiteren Verfall angearbeitet und sich dabei mit der deutschen Vergangenheit auseinandergesetzt. Ein wichtiger Bestandteil des Lagers ist auf diese Weise wieder sichtbarer geworden.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die direkte Arbeit am Ort innerhalb der Jugendgruppen zu intensiven Auseinandersetzungen mit der Geschichte des Bahnhofs führt und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf diese Weise für die historischen Zusammenhänge sensibilisiert werden.Die Freilegungen brachten nicht nur zugeschüttete Sachzeugen zum Vorschein, sondern machten auch den Grad des Verfalls der Anlage deutlich. Dank gemeinsamer Anstrengungen der Gedenkstätte, des Reichsbahnpräsidenten Thüringen, des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands ist es möglich gewesen, jeweils im Herbst 1993 und 1994 gemeinsame Erhaltungsarbeiten durchzuführen. Mehr als dreißig junge Auszubildende aus dem Produktionsbereich Neudietendorf des Gleisbaubetriebs Naumburg haben den Gleiskörper freigelegt, das Gleisbett wieder aufgefüllt, die vermoderten Schwellen weitgehend entfernt und das Gleis mit anderen alten, aber noch gut erhaltenen Schwellen untersetzt. Schließlich wurden die freigelegten Metallteile konserviert. Alle Arbeiten der Bahn-Auszubildenden sind unter fachkundiger Anleitung im Rahmen ihrer Berufsausbildung ausgeführt worden.
Die besondere Schwierigkeit des Projekts bestand in der Aufgabe, die historische Originalität der Anlage zu erhalten. So wurde auf Technikeinsatz ebenso verzichtet wie auf das Zerlegen und neuerliche Zusammenfügen der Schienen. Somit verbleiben die Schienen, Klemmplatten und anderen Gleisbestandteile trotz Restaurierung an Ort und Stelle, kein Nagel oder Bolzen wird durch neues Material ersetzt. Dies ist auch aus denkmalpflegerischen Gründen notwendig. Heute sind insgesamt zwei Gleisstränge auf einer Länge von ca. 120 Metern freigelegt, ebenso die alte Rampe und ein gepflasterter Gleisübergang. Zur Information wurde eine Hinweistafel mit einer alten Aufnahme des früheren Bahnhofs aufgestellt, und viele Besuchergruppen werden auf ihrem Rundgang jetzt auch hier hergeführt, wo für über 120.000 Häftlinge das letzte Wegstück in das Konzentrationslager Buchenwald begann. Im Rahmen der Jugendbegegnungsstätte sind auch in Zukunft Workcamps vorgesehen, die sich um den Erhalt des Bahnhofsgeländes kümmern werden.
Zur Information der Gedenkstättenbesucher wurde am 23. März 1995 eine Tafel mit diesem Text am Gebäude des ehemaligen Bahnhofs von Buchenwald aufgestellt:"Dieser Gleisabschnitt ist durch mehrere Schülerprojektgruppen und internationale Workcamps wieder sichtbar gemacht worden. Junge Gleisbauer führten im Herbst 1993 und 1994 umfangreiche Erhaltungsarbeiten durch, die Holzschwellen sind dabei erneuert worden. Dieses Projekt wurde unterstützt durch: den Reichsbahnpräsidenten Thüringens, den Deutschen Gewerkschaftsbund Landesbezirk Thüringen, die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands/Bezirk Thüringen, den DB AG Gleisbaubetrieb Naumburg/Ausbildungsstätte Neudietendorf und die Jugendbegegnungsstätte der Gedenkstätte Buchenwald."