Eine Landkarte des Erinnerns ist die Achse des Projektes „Breslau CV“. An der Erstellung der multimedialen Karte des Vorkriegsbreslaus sind Zeitzeugen und jungen Menschen – ehrenamtliche Helfer, Leser der Zeitschrift „Rita Baum“, Schüler, Studierende, Touristen, Familien von Vertriebenen oder nach Kriegsende Umgesiedelten beteiligt. Die Landkarte wird auf verschiedenen Medien geschaffen, auf Papier (das heißt in einer Sonderausgabe des Magazins sowie als kleiner Reiseführer, also als Buch), auf CD und im Netz (in Form eines Touristenführers mit Archivbildern, Dokumenten, Zeitzeugenberichten und aktuellen Photos, die einen Vergleich des Stadtbilds von früher und heute ermöglichen). Ein anderer Teil des Erinnerungsprojektes wird an Breslauer Schulen umgesetzt werden (Treffen mit Schülern, Unterstützung des lokalen Geschichtsunterrichts an den Schulen).
Die Projektteilnehmer werden Materialien für eine Sonderausgabe der Zeitschrift „Rita Baum“ sammeln, die dem Projekt „Breslau CV“ gewidmet sein wird. In diesem Zeitraum entsteht zudem der Internetservice für die Landkarte des Erinnerns. Zusammen mit der Galerie „Entropia“, dem Internationalen Forum für Fotografie „Kwadrat“ und dem Institut für Journalismus und gesellschaftliche Kommunikation der Niederschlesischen Hochschule TWP wird eine „Sammelaktion“ organisiert (die beste Erinnerung, den interessantesten Gegenstand, das beste Erinnerungsstück oder Foto wird mit einem Heimkino mit DVD-Spieler belohnt). Bei der Organisation der „Sammelaktion“ helfen Freiwillige – Schüler und Studierende Breslauer Bildungseinrichtungen. Aus den so gesammelten Bruchstücken der Vergangenheit gestalten Künstler räumliche oder fotografische Landkarten des Erinnerns. Nach Beendigung dieser Etappe wird beim Festival für Junge Kunst „Wrocław non stop“ oder zur Sommersonnenwende eine Ausstellung organisiert.
Die zusammengetragenen Erinnerungen, Geschichten und Berichte hingegen werden im Rahmen des Internationalen Erzählfestivals präsentiert. Übersetzungen deutschsprachiger Erinnerungen werden zudem in der Zeitschrift „Rita Baum“ veröffentlicht. Darüber hinaus werden die Organisatoren das ganze Jahr hindurch neue „Entdeckungen“ die im Zusammenhang mit der Landkarte des Erinnerns stehen, groß bekannt geben.
Die Idee der Landkarte wird also mit Hilfe der Online- und der Druckversion von „Rita Baum“, des Internetradios „Zwrotnica.pl“, der Galerie „Entropia“ und der Mediatheken, beim jüdischen Festival, dem Festival für Junge Kunst „Wrocław non stop“ und beim Internationalen Erzählfestival sowie durch eine Aufkleberaktion im Stadtgebiet, Platzierung einer Information auf der Webseite der Stadtverwaltung und über das größte feministische Internetportal Polens „Feminoteka.pl“ verbreitet. Weiterhin werden die Organisatoren in der Entstehungsphase der Landkarte verschiedene Kunstaktionen in der Stadt initiieren: Klingeleisten und Türschilder werden mit den Namen der einstigen Bewohner überklebt, Schilder und Tafeln mit den Namen ehemaliger Läden und Geschäfte aufgehängt und Abzüge alter Fotografien vergangener Stadtansichten aufgestellt oder aufgeklebt. Aktionen dieser Art sollen die lokale Presse dazu bewegen, über das Projekt zu berichten und weitere Menschen dazu animieren, bei der Entdeckung des ehemaligen Breslaus und seinem Andenken mitzuwirken.
Das Projekt richtet sich an Leser der Zeitschrift „Rita Baum“, Internetnutzer, Studierende (der Journalistik und gesellschaftlichen Kommunikation, der Geschichte, Kunstgeschichte, Fotografie und anderer Kunstfakultäten), an Breslauer Künstler, Hobbyhistoriker, Touristen sowie an junge Einwohner Wrocławs, für die Details, Einzelheiten und Besonderheiten der Stadt, in der sie sich aufhalten, wohnen und leben von Bedeutung sind. Die Teilnehmer werden über verschiedene Zeitschriften zu denen freundschaftliche Beziehungen bestehen, Partnerorganisationen, Medien und Bildungseinrichtungen gewonnen.
Das Projekt wird unterstützt durch die Deutsche Gesellschaft für Kultur, die am Edith Stein Haus in Wrocław wirkt, durch Karolina Szykierska, künstlerische Leiterin des jüdischen Festivals in Wrocław, sowie durch Ela Pasternak, Koordinatorin von Bildungsprojekten in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau in Oświęcim. Mediale Unterstützung hat das wichtigste feministische Internetportal Polens „Feminotheka“ angeboten. An einzelnen Aktionen des Projektes nehmen zudem auch Studierende des Instituts für Journalismus und gesellschaftlicher Kommunikation der Niederschlesischen Hochschule TWP in Wrocław teil.
Die Initiatorin des Projektes ist Agnieszka Kłos, Multimediakünstlerin, Journalistin und Dozentin zum Thema Pressefotografie. Das Erstellen von Reportagen, also die Kunst Detailks, Fakten und gute Geschichten zu entdecken, erlernte sie bei der Beilage zur Tageszeitung Gazeta Wyborcza „Duży Format“. Dort lernte sie auch, Interviews mit schwierigen Gesprächspartnern zu führen. Während der von Mark Millers Laboratorium für Reportagen organisierten Workshops auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau übte sie sich in Gesprächen über schmerzhafte Geschichten. Sie ist ein Mensch ohne Wurzeln; obwohl sie nicht aus Wrocław stammt interessiert sie sich lebhaft für die Geschichte dieser Stadt.
Die Landkarte des Erinnerns, also eine Dokumentation von Orten, die die deutsche und jüdische Kultur in der Stadt repräsentieren, ist ein Projekt, das die Achtung für die älteste Generation der Bevölkerung Wrocławs wiederherstellt. Das Vorhaben will an die multikulturelle Gesellschaft der Stadt während des Zweiten Weltkriegs und an die vielen Umbrüche, die ihr folgten erinnern und ihr Erbe bewahren. Junge Menschen beteiligen sich an der Rekonstruktion des Andenkens an das ehemalige Breslau und der Veränderungen, die der durch die Deutschen provozierte Krieg über die Stadt brachte.
Den Organisatoren ist dabei daran gelegen, Kenner der Stadtgeschichte mit Menschen zusammenzubringen, die sich tagtäglich mit der Darstellung und dem Verkauf von Informationen und der Erreichung bestimmter Zielgruppen befassen (Journalisten, PR-Spezialisten, Künstler). Ein verbindendes Element zwischen ihnen werden die Zeitzeugen sein, also diejenigen, die die turbulente Geschichte Breslaus erlebt haben.
Die Landkarte des historischen Gedächtnisses der Stadt Wrocław soll lebendig und dynamisch gestaltet sein: An ihrer Gestaltung sind Zeitzeugen und junge Menschen beteiligt – Ehrenamtliche, dann die Leser von „Rita Baum“, zudem Schüler, Studierende, Touristen, Familien von vertriebenen Breslauern und unter Zwang hier angesiedelten Polen. Durch die Fortführung des Projektes in Schulen wird eine neue Form der historischen Bildung an die Schüler der Mittel- und Oberstufe herangetragen. Die multimediale Landkarte wird auch im Internet präsentiert werden, was es ermöglicht, weltweit Wissen über die Geschichte Wrocławs zu verbreiten.
Übersetzung: Thekla Lange