12 Millionen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, allein aus den besetzten Gebieten, arbeiteten bis 1945 für das Deutsche Reich. In kleinen Privatbetrieben, staatlichen Rüstungsfabriken, auf Bauernhöfen oder in kirchlichen Einrichtungen wurden sie in unmenschliche Arbeitsverhältnisse gezwungen. Noch immer wird der Behandlung der NS-Zwangsarbeit im Unterricht jedoch wenig Platz eingeräumt, auch wenn ihre zentrale Rolle für das Funktionieren der deutschen Kriegsökonomie unumstritten ist.
Dabei liegt mit der Dokumentation „Der Reichseinsatz“ von Wolfgang Bergmann seit mittlerweile 16 Jahren eine umfassende filmische Erarbeitung der Thematik vor. Im typischen „Lehrfilmstil“ kommentiert eine Erzählstimme die Ausschnitte aus den Wochenschauberichten sowie NS-Propagandafilmen und verliest Erlasse des Deutschen Reiches. Auf diese Weise wird die Anwerbung und spätere Verschleppung der europäischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zwischen 1938 und 1945 in 12 Kapiteln chronologisch beschrieben. Neben der „objektiven“ Erzählung über die historischen Ereignisse präsentiert die Dokumentation insbesondere die Perspektive der Überlebenden der NS-Zwangsarbeit. In längeren Interviews berichten sie von ihrer Deportation, den Arbeitsbedingungen und ihrer Befreiung. Im letzten Kapitel wird ihre Zeit nach der Befreiung thematisiert. Hier wird die Unterschiedlichkeit des Umgangs mit dem Thema „Zwangsarbeit“ in den europäischen Nationalstaaten deutlich. Gelten sie beispielsweise in der Sowjetunion als potentielle Kollaborateure, wird ihr Schicksal in Polen bereits früh dokumentiert.
Für den Einsatz des Filmes oder von dessen Teilkapiteln im Unterricht oder im außerschulischen Seminar bieten sich zur Ergänzung Quellen an, die aus der Perspektive der Deutschen im Deutschen Reich von Zwangsarbeit erzählen. Sie erweitern die Perspektive der Opfer und Täter um die der „ganz normalen deutschen Mitläufer und Zuschauer“. Diese waren nicht nur Zeugen der Zwangsarbeit, sondern profitierten auch von dieser. Des Weiteren ist es notwendig, auf die politischen Verhandlungen über die Entschädigung für die Sklavenarbeit am Ende der 1990er Jahre einzugehen.
Mit diesem Thema befasst sich die Dokumentation „Man kann das nie vergessen… Späte Anerkennung für Zwangsarbeiter“ der Deutschen Welle. Aus der Perspektive der Akteure der Entschädigungszahlung aus Politik und Wirtschaft wird über Gründung und Arbeit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (Stiftung evz) berichtet. Über 4 Milliarden Euro wurden an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter in Osteuropa, Israel und den USA bezahlt – nicht als Entschädigung oder Wiedergutmachung sondern als symbolische bzw. als humanitäre Geste, wie die beiden Politiker Otto Graf Lambsdorff und Wolfgang Bosbach im Interview betonen.
Leider beschreibt der Film lediglich die Entstehung der Entschädigungsstiftung und ihre Arbeitsweise in Deutschland und den Heimatländern der Entschädigten. Weitaus spannender wäre es gewesen, die späte Entscheidung für die Entschädigung, die Rolle der deutschen Wirtschaft und die Angemessenheit der Entschädigungssummen kontrovers auszuleuchten.
Deutlich wird hier nur Shifra Greta Ron, Überlebende der deutschen Besatzung Hollands und der Lager Westerbork und Bergen Belsen, wenn sie sagt „Das ist nicht zu vergleichen mit dem, was das vorige Geschlecht uns angetan hat. Es ist nicht zu vergleichen. Nicht zu bezahlen. Es sind verschiedene Sachen. Das Leben selbst oder Geld – das ist doch nicht dasselbe.“
Interviewaussagen wie, dass es der deutschen Industrie vor allem um die endgültige Rechtssicherheit gegangen und das Interesse der politischen Akteure die deutsch-amerikanischen, deutsch-israelischen Verbindungen sowie die Beziehungen zu den osteuropäischen Ländern gewesen seien, bleiben beziehungslos neben Porträts ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter stehen. Deshalb eignet sich dieser Film zwar als Basisinformation zum Thema „NS-Zwangsarbeit und Entschädigung“ für Lehrende selbst, für den Einsatz im Unterricht bietet er jedoch nicht genügend Impulse.
Der Reichseinsatz. Zwangsarbeiter in Deutschland, zu beziehen über:
absolut Medien http://www.absolutmedien.de/main.php?view=film&id=1035
„Man kann das nie vergessen …“ Späte Anerkennung für Zwangsarbeiter, zu beziehen über: Deutsche Welle/ DW-TV http://www.dw-world.de/