In der Familie Katrin Himmlers wurde über die Verbrechen ihres Großonkels Heinrich Himmler offen gesprochen. Den Erzählungen nach galt er als der "ungeratene" Außenseiter eines humanistisch gebildeten Elternhauses, seine Brüder Gebhard und Ernst hingegen hätten mit der Politik des NS-Regimes nicht viel zu tun gehabt.
Als sie den Spuren ihres seit 1945 vermissten Großvaters Ernst nachging, stieß Katrin Himmler auf eine viel tiefere Verstrickung der beiden Brüder des Reichsführers SS Heinrich Himmler in den Nationalsozialismus. Auch sie schlossen sich früh der NSDAP an und profitierten beide für ihre beruflichen Karrieren nicht nur von den neuen Verhältnissen nach 1933, sondern sie unterstützten mit ihrer Tätigkeit im Reichserziehungsministerium und im Reichsrundfunk engagiert das NS-Regime. Noch gegen Ende des Kriegs inmitten zerbombter Städte wollten die Brüder gemeinsam mit dem mächtigen Bruder Heinrich Zukunftspläne "für die nächsten zwanzig Jahre" schmieden.
Die Berliner Politologin Katrin Himmler (Jahrgang 1967) setzt sich in bewundernswürdiger Nüchternheit und Ehrlichkeit ohne Selbstmitleid mit der Geschichte ihrer Familie auseinander, in der es kein Mitleid mit den Verfolgten, sondern Einverständnis mit den politischen Verhältnissen gab - bei den Ehefrauen, den Freunden, dem Schwager und bei Heinrich Himmlers Geliebter Hedwig Potthast.
Den entscheidenden Anstoß zu ihren ersten Nachforschungen gab schon vor Jahren ihr Vater und die eigene Erkenntnis, dass sie diese Familiengeschichte nicht würden verdrängen können. Ihrem Sohn, dem sie das Buch widmet, wollte sie keine von Legenden geprägte Familiengeschichte überliefern. Durch ein Seminar an der Freien Universität Berlin über "Die Enkelgeneration der Täterinnen und Täter des Nationalsozialismus" wurde aus diesem Vorhaben ein Forschungsprojekt.
In ihrer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit konnte Katrin Himmler auf zahlreiche unveröffentlichte Briefe, persönliche Dokumente aus den Familiennachlässen und Interviews von Familienangehörigen zurückgreifen. Die solid recherchierte Studie und schließt damit auch Lücken in der bisherigen historischen Täterforschung.