Es gab in der NS-Zeit "Stille Helden", Menschen, die verfolgten Juden halfen und ihr Leben dabei riskierten. Ihre Geschichten werden hier erzählt.
Ingeborg Hecht-Studniczka, Jahrgang 1921, von den Nationalsozialisten als "Mischling ersten Grades" eingestuft, weil sie einen jüdischen Vater, der später in Auschwitz ermordet wurde, und eine christliche Mutter hatte, schrieb das Geleitwort zu diesem Band mit Beiträgen einer Tagung der Katholischen Akademie Freiburg.
Dort berichtete Ingeborg Hecht-Studniczka, dass Verfolgte etwa 20 Helfer brauchten, um in "relativer" Sicherheit zu überleben. Diese Helfer hätten einander oft nicht gekannt und seien aus allen Schichten und Berufen gekommen. "Was sie gemeinsam hatten, war der 'aktive Anstand'", so die Schriftstellerin.
Wette umreißt in einer ausführlichen Einleitung das Thema und schildert insbesondere die Situation der jüdischen Flüchtlinge während der NS-Zeit im Dreiländereck. Der Südwesten Deutschlands, an den Landesgrenzen von Baden, Frankreich und der Schweiz bot für viele verfolgten Juden eine letzte Hoffnung, in die Freiheit zu entkommen. Etwa 30 000 Flüchtlinge wurden an der Schweizer Grenze abgewiesen, was für die meisten von ihnen Deportation und Tod bedeutete, doch schätzungsweise ebenso vielen Verfolgten soll die Flucht in die Schweiz gelungen sein mit der Hilfe von Bewohnern der Region zwischen Bodensee und Basel. Eine Flucht habe in der Regel nur erfolgreich verlaufen können, wenn es auf der deutschen wie auf der schweizerischen Seite ortskundige und solidarische Menschen gab, die halfen. Es waren nicht viele, doch mehr als bisher angenommen.
Dass die Judenretter ganz normale Menschen waren, zeigt dieses Buch, das sich mit jenen "stillen Helden" befasst, Pfarrer, Bauern, Arbeiter, deren Namen kaum jemand kennt. Das Buch versammelt die Forschungsbeiträge von 13 meist jüngeren Historikerinnen und Historikern, biographische Portraits und Skizzen von Retterinnen und Rettern wie der Caritas-Mitarbeiterin Gertrud Luckner und des Jesuitenpaters Heinrich Middendorf, der Regimegegnerin Luise Meier, des 21-jährigen Klaus Gerber und des KZ-Kommandanten Erwin Dold. Sie fanden sich nicht wie die meisten Mitläufer damit ab, dass man doch nichts machen könne, sondern nutzten ihre Handlungsmöglichkeiten vor Ort.
Die "Reichskristallnacht" am 9. November 1938, als die rassistische Hetze in offene Gewalt umschlug, löste bei den meisten der Helfer die Entscheidung zum Handeln aus, indem sie wenigstens Einzelne zu retten versuchten. Die Autoren zeigen die Entstehung von Hilfsnetzwerken und schildern die Spielräume und Risiken der Retter. So wurde etwa die Fluchthelferin Luise Meier durch das Gestapo-Verhör einer Verfolgten verraten, während der KZ-Kommandant Erwin Dold sich straflos einem SS-Befehl widersetzte. Aus welchen Motiven die Helfer und Retter jeweils handelten, - aus Nächstenliebe, religiöser Überzeugung oder auch gegen Bezahlung - lässt sich nicht immer klären.
Am aufschlussreichsten sind jene Beiträge, die der Frage nach der individuellen Motivation nicht ausweichen. Je nach Quellenlage gelingt die Schilderung der Helfer eindrücklich oder eher schemenhaft. Das Buch ist ein wichtiger Beitrag zur Retterforschung, das als Anregung für weitere Forschungen in anderen Regionen aber auch für schulische Projekte der Spurensuche nachdrücklich zu empfehlen ist.
Der Herausgeber des Buches, Wolfram Wette, Professor für Geschichte an der Universität Freiburg im Breisgau, forscht seit Jahren über die Retter und Helfer, vor allem über jene in Uniform. Von 1971 bis 1995 arbeitete er am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg. Er ist Mitbegründer des Arbeitskreises Historische Friedensforschung, Autor und Mitherausgeber zahlreicher Publikationen und schreibt regelmäßig über historische Themen in der ZEIT und der Frankfurter Rundschau.