Die Beteiligung der Wehrmacht an den Verbrechen im Osten und Südosten Europas ab 1941 ist inzwischen unumstritten. Doch der gnadenlose Rasse- und Vernichtungskrieg begann bereits mit dem Überfall auf Polen. Im September 1939 ermordeten Einheiten der Wehrmacht Tausende von Polen und Juden, Zivilisten und Kriegsgefangene.
Der Autor Jochen Böhler beleuchtet in seiner bahnbrechenden Untersuchung die Hintergründe. Bereits in seiner Magisterarbeit in Neuerer Geschichte an der Universität Köln befasste er sich mit den Verbrechen der Wehrmacht in Polen im September 1939 und wurde dafür mit dem Fakultätspreis der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln ausgezeichnet.
Böhler, Jahrgang 1969, ist Mitglied des Arbeitskreises Militärgeschichte und des Deutschen Komitees für die Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Seit 2000 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut, Warschau. 2005 erhielt er den Förderpreis des Generalkonsulates der Republik Polen in Köln und des Polnischen Wissenschaftsforum in Deutschland e.V.
Die Hauptthese seiner Untersuchung fasst er wie folgt zusammen: "Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion im Sommer 1941 ist in der bisherigen Forschung irrtümlicherweise als Wasserscheide zwischen einer herkömmlichen deutschen Kriegsführung und dem Vernichtungskrieg im Osten interpretiert worden. In Wirklichkeit wies bereits der erste kurze Einsatz der Wehrmacht alle wesentlichen Merkmale des Vernichtungskrieges auf: Die Wehrmacht erschoss dort im großen Stil Zivilisten und Kriegsgefangene, und sie kooperierte mit den Einsatzgruppen im Rahmen der 'Befriedung' und der Ermordung und Vertreibung der polnischen Juden. [Beziehungsweise wurden die Mordaktionen zur Niederschlagung jeglichen Widerstands in den eroberten Gebiete euphemistische benannt, Anm. AE] Proteste einzelner Militärs nach Abklingen der Kampfhandlungen vermögen nicht darüber hinwegzutäuschen, dass wesentliche Konstituenten der nationalsozialistischen 'Volkstumspolitik' bereits im Spätsommer 1939 mit der Wehrmacht abgesprochen und mit ihrer Hilfe in die Tat umgesetzt wurden. Die auf dem polnischen Kriegsschauplatz gesammelten Erfahrungen dienten im Vorfeld des deutschen Angriffes auf die Sowjetunion als Raster sowohl für die Verabschiedung der 'verbrecherischen Befehle' als auch für die einvernehmliche Regelung der Verwendung der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei. Daher bildete nicht der Angriff auf die Sowjetunion im Sommer 1941, sondern vielmehr der erste Einsatz der Wehrmacht in Polen im September 1939 den Auftakt zum Vernichtungskrieg."