Nach dem großen Frankfurter Auschwitz-Prozess (1963-1965) führte die DDR 1966 ihren eigenen Auschwitz-Prozess. Angeklagt war Dr. Horst Fischer, ehemaliger stellvertretender Standortarzt von Auschwitz und Lagerarzt im IG-Farben Lager Monowitz.
Fischer war der ranghöchste SS Mediziner der je vor einem deutschen Gericht – Ost oder West – stand. Der Prozess gilt als das wichtigste NS-Verfahren in der DDR. Eine besondere Bedeutung erhielt er im Kontext des Kalten Krieges.
Dies ist das erste Buch, das über diesen Prozess und die Biografie des Angeklagten, Dr. Horst Fischer, umfassend informiert. Der Schauprozess vor dem Obersten Gericht der DDR 1966 war in vielerlei Hinsicht ein besonderes Verfahren. Der Autor behandelt ausführlich die Tätigkeiten von Fischer in Auschwitz: die Selektionen an der Rampe, die medizinischen Versuche und Schau-Operationen. Er schildert auch den privaten Alltag dieses Mannes, der an der Ermordung von mindestens 70.000 Menschen direkt beteiligt war.
Fischers Leben mit Frau und Kindern jenseits des Lagerzauns war kein Einzelfall. Es erinnert auch an Rudolph Höss, der mit seiner Familie scheinbar normal neben der Todesfabrik lebte. Der Autor gibt auf breiter Quellenbasis Einblick in die Hintergründe des von der Staatssicherheit initiierten Schauprozesses, der mit dem Todesurteil endete, das am 8. Juli 1966 in der zentralen Hinrichtungsstätte der DDR, einem geheim gehaltenen Nebentrakt der Strafvollzugsanstalt Leipzig, durch die Guillotine vollstreckt wurde. Die nach der Vollstreckung erfolgte Pressmeldung für ADN kam aus dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und sollte "insbesondere auf internationaler Ebene die konsequente Haltung der DDR gegen Nazi- und Kriegsverbrechen im Gegensatz zur westdeutschen Strafpolitik dokumentieren".
Dirks zeichnet ein neues Bild der Geschehnisse und dessen, was sich hinter der offiziellen Propagandakulisse tatsächlich abspielte. Er räumt sachlich und differenziert mit dem offiziellen Geschichtsbild der DDR von der systematischen Verfolgung von NS-Straftätern auf. Das Buch ist eine gründliche Studie über einen Mediziner ohne Gewissen und zugleich ein wichtiger und kritischer Beitrag zum Umgang mit der NS-Vergangenheit in der DDR.