Der Sammelband geht zurück auf einen Workshop, den die Forschungsgruppe "weltkrieg2kindheiten" im Frühjahr 2005 am Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen kurz nach dem ersten interdisziplinären und internationalen "Kriegskinderkongress" in Frankfurt am Main veranstaltete.
Experten diskutierten in Essen die Möglichkeiten und Risiken lebensgeschichtlicher Bewältigung von Kriegskindheiten. Die gerade erschienene Publikation enthält die Vorträge und Diskussionsbeiträge der Essener Tagung, ergänzt durch weitere Fachbeiträge. Die Forschungsgruppe, die 2002 gegründet wurde, tritt ein für eine stärkere Wahrnehmung und Anerkennung der bis ins Alter sich auswirkenden Folgen von Kriegstraumata und durch Krieg verursachten Stress, die in früher Kindheit und Jugend erlitten wurden und werden.
Den Kriegserfahrungen der Generation der Kinder des Zweiten Weltkrieges wurde bisher kaum Beachtung geschenkt, bzw. diese früheren Kinder werden in erster Linie als Opfer gesellschaftlicher Gewalt thematisiert. Die Resilenzforschung will auf diesem Gebiet andere Akzente setzen, indem sie zwar erfahrene Traumata nicht ausblendet, aber nach Möglichkeiten gelingender Bearbeitung und heilenden Faktoren sucht, die in der Persönlichkeit des Kindes selbst liegen.
Durch diese andere Fragestellung wird die lebensgeschichtliche Vielfalt erfahrbarer, die durch Elternverlust, Vertreibung, Flucht, Aufenthalt in Lagern, Zwangsarbeit sowie körperliche und seelische Verletzungen ausgelöst werden kann. Die Konzepte und Ergebnisse der Resilenzforschung werden nicht ausschließlich auf Kriegserfahrungen und Kriegskindheiten bezogen, sondern werden auch allgemein unter dem Aspekt der Bindungstheorie und Bewältigungsforschung der Eltern-Kindbeziehung in der klassischen Psychoanalyse erörtert.
Die 16 Beiträge des Bandes beziehen sowohl Untersuchungen über Kinder und Jugendliche im Zweiten Weltkrieg, als auch über Kinder ein, die in aktuellen Krisengebieten Verluste und Traumatisierungen erfahren haben. Es werden zudem Befunde aus Längsschnittstudien vorgestellt, die nach 1945 in West- und Ostdeutschland durchgeführt wurden und die Belastungen im Lebenslauf von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter hinein untersuchten.
In dem abschließenden Beitrag fasst der Mitherausgeber Jürgen Zinnecker die Ergebnisse des Bandes zusammen und erörtert insbesondere die wachsende Bedeutung der Resilenzforschung sowie die zunehmende Sensibilität gegenüber den vielfachen Belastungen und Risiken des modernen, globalisierten Lebens in Krieg und Frieden. Der Band ist sehr empfehlenswert für Pädagogen, die ihre eigene Sozialisation in der deutschen Nachkriegsgesellschaft besser verstehen wollen. Er kann aber auch zum besseren Verständnis von Denk- und Verhaltensweisen von Migranten aus Krisengebieten und ihren Kindern in unserem Bildungssystem beitragen.
Beachten Sie bitte auch die Besprechung des Tagungsbandes: Erfahrungsräume, Erinnerungskultur und Geschichtspolitik zum Kongress in Frankfurt am Main auf dieser Website unter: [node:3983]