Wie das Fortbildungsangebot zum Thema Antisemitismus zeigt, ist das Thema aktuell. Immer wieder, vor allem um Gedenktage und nach periodischen Berichten der Medien, hat die Thematik Konjunktur. Das scheint auch den Verlag bewogen zu haben, in einen reißerischen Titel zu wählen, der auch missverständlich klingen kann. Expert/innen warnen sicher oft zu recht, dass Antisemitismus und Rassismus im Alltag meist nicht als manifeste stereotype Einstellungen erkannt werden. Andererseits werden auch Unsicherheiten im Umgang mit Begriffen und Sprechen über Juden, Judentum, Israel, den Holocaust teilweise unter Antisemitismusverdacht gestellt, statt sie zunächst mangelndem Wissen zuzuschreiben. Insbesondere wird Antisemitismus als ein Problem bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund diskutiert, ohne dass hinterfragt wird, inwieweit der Geschichtsunterricht und die politische Bildung diese Jugendliche in das nationale Geschichtsnarrativ bislang überhaupt einbezogen hat.
Mit dieser Methodensammlung, die, wie es heißt, je nach Anlass und Kenntnisstand von Jugendlichen eingesetzt werden kann, sollen grundsätzliche Fragen geklärt werden: Was ist überhaupt Antisemitismus? Und wie kann man im Alltag hinter abfälligen Bemerkungen versteckte antisemitische Einstellungen erkennen? Methodisch werden zur Auseinandersetzung mit der Thematik Rollenspiele, darstellendes Spiel, Assoziationsübungen, Empathieübungen, aber auch traditionelle Methoden wie Diskussion, Perspektivwechsel, Interviews, biografisches Arbeiten sowie Text- und Bild/Filmanalyse vorgeschlagen. Thematisch sollen Jugendliche sich mit dem christlichen Antijudaismus, alten und neuen Verschwörungstheorien und dem Nahostkonflikt befassen und dabei lernen, Vorurteile zu widerlegen und Antworten auf antisemitische Äußerungen zu entwickeln. Die Gliederung der Methoden mit Angaben zu Dauer, Zielen, Vorschlägen für die Weiterarbeit, die Planung von Übungen bis zu ganzen Projektwochen verspricht dem Lehrenden schnelle Vorbereitung. Zusätzliche Materialien enthält eine CD. Im Anhang findet sich ein Glossar wichtiger Begriffe, ein Verzeichnis weiterführender Literatur, sowie Links zu Internetportalen und der Nachweis der Methoden und Quellen.
Das optisch übersichtlich und ansprechend gestaltete Buch versteht sich fächerübergreifend als praktische Hilfe für Lehrer/innen der Sekundarstufe I und II sowie für Pädagogen in der außerschulischen politischen Bildung und Jugendarbeit. Es ist das Ergebnis einer vierjährigen Praxisarbeit eines Teams von 12 Pädagog/innen des Projekts BildungsBausteine gegen Antisemitismus. Mit dieser methodischen Handreichung auf der Basis von über achtzig Seminaren und Workshops wollen sie eine „Leerstelle in der politischen Bildung“ schließen. Die Inhalte folgen dem bewährten historisch orientierten Aufbau vom christlichen Antijudaismus im Altertum, Mittelalter und der Moderne. War in der Einleitung noch bemängelt worden, dass „Antisemitismus in Schule und Jugendarbeit fast ausschließlich im Kontext des Nationalsozialismus thematisiert“ werde, so werden nach drei Einstimmungsmodulen in 7 der 10 thematischen Kapitel durchgängig von biblischer Zeit bis zum Nahostkonflikt die bekannten judenfeindlichen Stereotypen und Bilder behandelt. Man lernt damit gründlich vor allem zuerst den Blick auf Juden und jüdische Geschichte aus der Perspektive der Antisemiten, ohne etwas über deutsch-jüdische Geschichte, jüdisches Leben und jüdische Bürger in diesem Land zu erfahren. Darin liegt ein Problem: Eine vertiefte Kenntnis der „positiven“ Geschichte der Juden und des Judentums wird vorausgesetzt.
Das jüdische Onlineportal haGalil (Galiläa) veröffentlichte kurz nach Erscheinen eine umfassende und teilweise polemische Kritik des Buches von Ramona Ambs. Das Buch beinhalte „banale Erklärungsmuster“ für den Antisemitismus, Juden würden in dem Buch beinahe nur als Opfer dargestellt. Außerdem seien viele Methoden naiv und keine speziell auf die Arbeit mit rechtslastigen Gruppen ausgerichtet.
Ein zentraler Kritikpunkt bezieht sich auf das Kapitel sechs „Die Matthäus-Passion“ zum christlichen Antijudaismus: typische Vorwürfe sollen gesammelt und dann vom Pädagogen richtig gestellt werden. Ambs konstatiert, dass dem Vorwurf "Die Juden haben Christus umgebracht" die empfohlene Richtigstellung "Das ist richtig" folgt, dieses dann „völlig unlogisch“ begründet werde und somit ein antijüdisches Stereotyp wiederholt würde.
Das Bildungsteam Berlin-Brandenburg reagierte auf diese Vorwürfe mit einer Stellungnahme und erarbeitete einige Ergänzungen zum Buch.
Dem Vorwurf zur Methode „Die Matthäus-Passion“ wird entgegen gekommen und die Übung in den Ergänzungen korrigiert und erweitert. Außerdem werden zu einigen Methoden ergänzende Hinweise geboten (vor allem zu ihrer Anwendbarkeit in Abhängigkeit von der jeweiligen Gruppe) sowie ein Literaturverzeichnis zum Thema Antisemitismus. Zudem weist das Bildungsteam noch einmal deutlich darauf hin, dass nicht jede Methode für jede Gruppe gleichermaßen geeignet sei. Die Autor/innen gehen davon aus, dass die Lehrer/innen die Kompetenz haben, ihre Klasse richtig einzuschätzen und so die richtigen Methoden zielgruppenspezifich auswählen könnten. Außerdem sollten die Lehrkräfte über ein fundiertes Wissen zu Antisemitismus verfügen.