Oberste Maxime bei der Erstellung des Handbuches war es, eine sensible pädagogische Begleitung zu fördern, die sowohl die individuellen Zugänge und die spezifischen familiären Hintergründe als auch die Gefühlslagen innerhalb und zwischen den Austauschgruppen berücksichtigt. Im äußersten Fall könnte es sonst zu Frontenbildungen zwischen den Jugendlichen kommen, genährt durch nicht thematisierte Schuldgefühle bzw. stillen Ärger über ungenügendes Interesse und Verständnis.
Das zweisprachige Handbuch gliedert sich in vier Kapitel: Gemeinsam Erinnern, Praxisbeispiele, Materialien sowie Gebete und Texte für die Gedenkfeier. Unter dem Leitmotiv „Gemeinsam Erinnern: Die Erinnerung bewahren“ stellen die Autoren den üblichen Ablauf von Gedenkzeremonien und ihrer jeweiligen gesellschaftlichen Bedeutung in Israel und Deutschland vor. Das daraus abgeleitete Konfliktpotential führen sie über in eine kleinschrittige, handlungsorientierte Konzeption von Gedenkzeremonien. Die Autoren vermeiden es jedoch bewusst starre Regeln oder Vorgaben für den Ablauf einer Zeremonie aufzustellen. Stattdessen haben sie eine Reihe von Fragestellungen zur individuellen Vorbereitung erarbeitet und dies durch die Auswahl einiger gelungener Projektbeispiele erweitert. Die Autoren legen viel Wert darauf vorab die Erwartungen der einzelnen Teilnehmer zu bestimmen, dafür geben sie den pädagogischen Begleitern eine Reihe von Methoden und Leitfragen an die Hand. Hilfreich sind sicherlich auch die speziellen Reflexionsfragen für die Gruppenleitung. Der potentiell konfliktträchtigen Ausgangslage für das gemeinsame Gedenken begegnen die Autoren zusätzlich mit einer Reihe praktischer Hinweise zu „Gepflogenheiten“ israelischer und deutscher Gedenkfeierlichkeiten.
Im zweiten Teil des Handbuchs werden vier Projektbeispiele zum gemeinsamen Gedenken vorgestellt. Alle Projektberichte wurden von den betreuenden Lehrkräften für das Handbuch verfasst, sodass die individuelle Herangehensweisen und Schwerpunktsetzungen der einzelnen Begegnungen deutlich hervortreten. Wichtig bei allen Projekten schien die Beteiligung der Jugendlichen an der Vorbereitung der Zeremonien. Unbeteiligte Jugendliche können oft nur schwer mit den möglicherweise heftigen Emotionsausbrüchen während einer Gedenkzeremonie umgehen, sodass eine solche Zeremonie schnell einen Bruch in der Gruppe hervorrufen kann. In zwei der Projektbeispiele erwähnten die Gruppenleiter eine mögliche Beteiligung von Zeitzeugen am Gedenken. Im Handbuch wird die Beteiligung von Zeitzeugen nicht weiter thematisiert, da sie nicht integraler Bestandteil einer Zeremonie ist. Die Auseinandersetzung mit Zeitzeugen während der Vorbereitung auf den Austausch kann für die Herstellung eines persönlichen Bezugs sehr hilfreich sein. Das Gespräch sollte jedoch gut vorbereitet und auf die persönlichen Erfahrungen des Zeitzeugen abgestimmt sein.
Das dritte Kapitel bietet detaillierte Informationen zu den Charakteristika ausgewählter Shoah-Gedenkorte in Israel und Deutschland, mit besonderem Verweis auf deren pädagogische Angebote. Außerdem haben die Autoren jeweils eine Literatur-, Film- und Linkliste für die Vorbereitung im Unterricht zusammengestellt.
Der vierte Teil gibt eine große Auswahl an Material für die Gedenkzeremonie. Neben Gebeten und Gedichten zum Gedenken, haben die Autoren eine Vielzahl an Zeugenaussagen und Erinnerungen zusammengetragen, die während der Zeremonie verlesen werden könnten. Das Handbuch bietet einen strukturierten Leitfaden für die Durchführung einer Gedenkzeremonie im Rahmen deutsch-israelischer Jugendbegegnungen. Solche Gedenkfeiern sind noch nicht weit verbreitet, obwohl sie bei sensibler Vor- und Nachbereitung Verständnis füreinander fördern und vertiefen können.