Die Materialiensammlung, hinter der das Deutsche Polen-Institut in Darmstadt steht, ist auf 160 Seiten in 13 Unterrichtseinheiten eingeteilt, die ausgewählte Themen aus 1000 Jahren deutsch-polnischer Beziehungsgeschichte behandeln: von der deutschen Ostsiedlung, über die Zeit der Teilungen Polens, den Zweiten Weltkrieg, Solidarność, bis hin zum EU-Beitritt Polens.
Jede Unterrichtseinheit ist nach gleichem Muster aufgebaut: Eine Einführung, ergänzt durch Illustrationen und Karten (zur Darstellung der räumlichen Entwicklungen Polens im Laufe der Jahrhunderte), Materialien, Arbeitsanregungen, Vorschläge für Referate und Facharbeiten sowie Literaturhinweise. In der Publikation findet man eine sehr interessante Quellensammlung. Viele Dokumente und Karikaturen, die meistens noch nie in einem Schulbuch dargestellt wurden, sind hier zusammengestellt und ansprechend aufbereitet. Den Quellen sind kurze Einleitungstexte vorangestellt, die das Verständnis der Quellen erleichtern sollen. Die Quellen sind immer in der Originalsprache dargestellt. Die Mehrzahl ist auf Deutsch, viele sind aber auch auf Polnisch, mit deutscher Übersetzung.
Die Unterrichtseinheiten sind ergänzt durch eine Zeittafel (angefangen im Jahr 966), ein Glossar, eine Bibliographie, Internetressourcen, Adressen und ein Bildquellenverzeichnis. Das Innovative an dem Geschichtslehrbuch ist das Kapitel „Zur Aussprache des Polnischen“, das den deutschen Schülern die Grundlagen zur polnischen Aussprache beibringen soll.
Die Publikation ist für keine bestimmte Zielgruppe konzipiert. Sie ist als Ergänzung zum Unterricht anzusehen und ist nicht nur für die Verwendung im Geschichtsunterricht gedacht. Sie kann auch eine gute Unterrichtshilfe z.B. im Sozialkundenbereich sein. Die Materialiensammlung ermöglicht Lehrerenden bei der Behandlung zentraler Themen der deutschen Geschichte Brücken zur polnischen Geschichte zu schlagen und die deutsch-polnischen Beziehungen zu beleuchten. Mit dem illustrativen Charakter der Materialiensammlung sowie dem Bezug auf aktuelle Themen (WM Fußball 2006) soll die Attraktivität, im Unterricht polnische bzw. deutsch-polnische Themen zu behandeln, erhöht werden.
Das Buch ist ergänzt um eine CD-Rom, die den gesamten Inhalt der Publikation im PDF-Format enthält. Die Materialiensammlung ist nur für den Unterricht in deutschen Schulen konzipiert. Ein polnisches Äquivalent wird es nicht geben. Nach Prof. Ruchniewicz (Universität Wrocław), der am 16. Mai 2008 bei der Präsentation der Publikation im Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften (PAN) anwesend war, ist die deutsche Geschichte in polnischen Schulen sehr präsent, sodass kein Bedürfnis besteht, ein separates Lehrbuch einzuführen, das sie ausführlich behandelt.
Das Besondere an dem Buch ist der direkte Austausch zwischen den deutschen und polnischen Autoren. Es soll ein Versuch sein, voneinander zu lernen und eine neue Ebene im Lernprozess schaffen – die des Perspektivenwechsels. Prof. Ruchniewicz sieht die neue Aufgabe der modernen Schule – das Dialoglernen. Zum Dialoglernen tragen die Einheiten zu „Polen in Deutschland“ und zu deutsch-polnischen Stereotypen besonders stark bei. Sie ermuntern Lehrerinnen und Lehrer, Themen zu behandeln, die im Schulunterricht bislang kaum vorkamen.
Stereotype, die in Witzen und Karikaturen (im Vergleich zwischen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und heute) widergespiegelt werden, regen Schülerinnen und Schüler zur Selbstreflexion und kritischer Auseinandersetzung mit der eigenen Position an und motivieren sie zur Diskussion, v.a. wenn es sich um aktuelle Themen und Zivilcourage handelt. Die Materialiensammlung stellt keine Ereignisgeschichte dar, sondern ermuntert den Schüler, u.a. durch die angeforderte Quellenanalyse, zur Reflexion, Bewertung sowie zur Bezugnahme auf die deutsche/ deutsch-polnischen Geschichte.
Als problematisch kann man die Reduzierung in der Darstellung der polnischen Geschichte auf solche Themen betrachten, die unmittelbare Bezüge auf deutsche Geschichte haben. Eine Thematisierung von Motiven, die das historische Gedächtnis Polens prägen, aber nicht direkt mit den deutsch-polnischen Beziehungen zusammenhängen, ist in dem Buch nicht zu finden. Hier ist zu bemerken, dass im Lehrbuch hauptsächlich deutsche Stimme präsent ist, während die polnische oft gar nicht berücksichtigt wird. Mit dieser Reduzierung der Darstellung polnischer Geschichte hängt der mangelnde europäische Bezug zur polnischen Geschichte im Lehrbuch zusammen – die Verknüpfungen mit den östlichen Nachbarstaaten Polens wären an vielen Stellen (z.B. zur Teilung Polens) bereichernd. Die in manchen Einführungstexten verwendete Sprache sowie die Aufgabenstellung sind den Lernenden nicht immer gerecht. Durch langen, oft sehr komplexen Texte, erscheint die Materialiensammlung eher für die Sek. II eines Gymnasiums geeignet. In der Arbeit mit Klassen der Sek. I einer Gesamt- bzw.- Hauptschule bedürfte es einer klaren didaktischen Reduktion.
Eine besondere Möglichkeit ist das Angebot, dass neben der Nutzung des Lehrbuchs, Lehrkäfte eine Ausstellung zur polnisch-deutschen Geschichte ausleihen können. Die Ausstellung besteht aus 18 Tafeln, die, genauso konzipiert wie das Buch, die wichtigsten Aspekte der deutsch-polnischen Geschichte behandeln. Die Ausstellung kann durch jede Schule als eine didaktische Hilfe kostenlos angefordert werden, nur Transportkosten sowie Versicherung sind zu übernehmen.