Der deutsche Überfall auf Polen jährt sich am 1. September 2009 zum siebzigsten Mal. Dieser Jahrestag bietet den Anlass in einem polnisch-deutschen Kooperationsprojekt der Frage nachzugehen, wie der Beginn des Weltkrieges in beiden Ländern dargestellt und erinnert wurde und wird.
In dem Gemeinschaftsprojekt werden Materialien und Quellen gesammelt, die sich mit der unterschiedlichen Sichtweise auf den Beginn des Krieges befassen. Dazu gehören Zeitungsausschnitte, Interviews, offizielle Verlautbarungen und Filme. Ein Ziel ist es unterschiedliche Perspektiven und Narrative, also nationale Erzählungen, auf dasselbe Ereignis darzustellen. In einem binationalen Seminar sollen junge Studierende das Material später analysieren.
Die recherchierten Dokumente werden Stimmen von jüdischen Deutschen und Polen ebenso zu Wort kommen lassen, wie die von nicht-jüdischen Polen und die Sicht von Deutschen, also die der Täter. Trotz dieser Angebote zu Perspektivwechseln wird es wesentlich sein, den historischen Umstand der deutschen Aggression gegen Polen nicht zu verwischen.
Für Polen bedeutet das Datum 1939 ein fortwährendes Trauma, das bis heute nachwirkt. Verkompliziert wird die geschichtliche Situation durch die –anfangs – doppelte Besatzung im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes und des damit einhergehenden Verlustes an staatlicher polnischer Autonomie.
In verschiedenen gemeinsamen Treffen erarbeiten die Projektpartner derzeit ein gemeinsames Konzept für Seminare mit jungen Erwachsenen aus Polen und Deutschland. Eine Gelegenheit für die erste praktische Erprobung wird Mitte September ein Seminar mit deutschen und polnischen Studenten sein. Bereits zu diesem Zeitpunkt lässt sich festhalten, dass die internationale Zusammenarbeit befruchtend für die eigene Arbeit wirkt.
Die Ergebnisse des zweitägigen Seminars werden zusammen mit der Konzeption und einem Teil der Quellen als didaktische Handreichung voraussichtlich ab Oktober online abrufbar sein. Lernen-aus-der-Geschichte wird auf die Veröffentlichung hinweisen.
Der polnische Projektpartner Dom Spotkań z Historią, (History Meeting House) ist eine kommunale Einrichtung in Warschau, die 2006 auf Initiative der polnischen Nichtregierungsorganisation Karta gegründet wurde. Dom Spotkań z Historią beschäftigt sich in erster Linie mit unterschiedlichen Zeugnissen zu polnischer und osteuropäischer Geschichte im 20. Jahrhundert.
Der Kooperationspartner auf deutscher Seite ist der Arbeitskreis Konfrontationen aus Berlin. In ihm haben sich Pädagoginnen und Pädagogen zusammengeschlossen, die in der historisch-politischen Bildung über den Nationalsozialismus tätig sind. Das Konzept ‘Kunst als Zeugnis’ des Arbeitskreises wurde bereits in Lernen-aus-der-Geschichte vorgestellt.
Möglich wurde das gemeinsame Projekt durch die Förderung aus dem Programm Geschichtswerkstatt Europa, einem Programm der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, das durch das Institut für angewandte Geschichte in Kooperation mit der Universität Viadrina in Frankfurt/Oder durchgeführt wird.
History Meeting House: http://www.dsh.waw.pl/
Karta Center: http://www.karta.org.pl/o_nas/72
Der AK Konfrontationen: www.arbeitskreis-konfrontationen.de
Für Interessierte an den Fördermöglichkeiten von Geschichtswerkstatt Europa in 2010: http://www.instytut.net/de/service/geschichtswerkstatt/