In ihrer Einleitung schreibt die Autorin: Wir wissen nicht viel darüber, wie die Enteignungen […] konkret empfunden wurden. Die Ghetto- und Lagererfahrungen und der Verlust der nächsten Menschen überdecken in der Erinnerung vermutlich den systematischen Raub beinah allen Besitzes durch die Nationalsozialisten. Doch auch der gewaltsame Verlust materieller Habe, von Alltagsgegenständen, Erinnerungsstücken, von Häusern und Geschäften, von persönlich wertvollen oder einfach nur selbstverständlich vorhandenen und verfügbaren Dingen war ein massiver und zerstörender Einschnitt in das persönliche Leben.“
Lange Zeit ist aus diesem Grund das Thema im Unterricht wahrscheinlich eher vernachlässigt worden. Aber es dürfte für Pädagog/inn/en auch eine unangenehme Position gewesen sein, die weißen deutschen Schüler/innen zur Spurensuche in ihre Wohnhäusern oder in die ihrer (Ur-) Großeltern zu schicken.
Typisch für die Reihe „Konfrontationen“ ist, dass die Schüler/innen auch in den Übungen zum Thema „Enteignung/ Ausplünderung“ Perspektiven der Handelnden übernehmen. So findet sich z.B. die Geschichte der Familie Goldmann aus der Mitte der 30er Jahre, in der die Lernenden in den Rollen der Eltern über das Für und Wider „gesetzeswidriger“ Geldtransfers von jüdischen Deutschen ins Ausland diskutieren sollen. Auf der Grundlage der Geschichte des Hitlerjungen, der Zeuge der „Verwertung“ – des Raubes – vom Eigentum deportierter deutscher Juden durch seinen Onkel wurde, wird ein fiktiver Dialog zwischen beiden Personen als Übung zur Perspektivübernahme vorgeschlagen.
Die Autorin des Bausteins versucht auf zwei Wegen auch eine Aktualisierung des historischen Geschehens zu ermöglichen. Zum einen sind Lernende aufgefordert, die Personen Jahrzehnte nach Kriegsende noch einmal über das Geschehen sprechen zu lassen. So werden nicht nur die Verbrechen selbst, sondern auch der Umgang mit Ihnen zum Thema. Zum anderen wird eine Annäherung aus dem Heute an das Thema vorgeschlagen, in der die Jugendlichen für sich selbst reflektieren, welche Gegenstände zu ihrem alltäglichen Leben gehören, welche ihnen wichtig sind und: Wie sie sich fühlen würden, wenn andere Menschen darüber bestimmen dürften, was sie behalten dürften oder was ihnen weggenommen würde.
Die vielseitigen Vorschläge des Bausteins sind für den Unterricht in der Sekundarstufe II gut einsetzbar. Neben den oben beschriebenen Perspektivübungen werden mehrere Vorschläge zur Arbeit mit Quellen und Dokumenten gemacht. Der Baustein enthält die wichtigsten Gesetzestexte zur Legalisierung der Ausplünderung ebenso wie eindrucksvolle historische Fotografien z.B. der Möbellager, in denen das geraubte Eigentum aufbewahrt und verkauft wurde.
Konfrontationen ist ein pädagogisches Konzept für die schulische und außerschulische Bildung. Es basiert auf einem interdisziplinären Ansatz. Die Bausteine (Methoden/ Übungen) sind nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung des auf die Vermittlung von Fakten orientierten Unterrichts zu verstehen. Der Einsatz von gestaltpädagogischen und kreativen Lernmethoden im Zusammenhang mit dem historischen Lernen ist ein Schwerpunkt des methodischen Konzepts. Die Verwendung von lokalhistorischem Quellenmaterial, das in den meisten Städten und Gemeinden inzwischen vorliegt, wird angeregt.
Konfrontationen geht von der Erkenntnis aus, dass eigenes Alltagshandeln Einfluss auf soziale Prozesse und die Wahrung der Menschenrechte hat. Die Erfahrung der Lernenden in ihrem eigenen Lebenszusammenhang wird in den Materialien und Methoden nach Möglichkeit zum Ausgangspunkt des Lernens gemacht. Die Beschäftigung mit Geschichte wird auf Entscheidungssituationen im historischen Alltag konzentriert. Die unterschiedlichen Perspektiven der Handelnden im Geschehen der nationalsozialistischen Verbrechen werden betont, die Fähigkeit zu Perspektivwechseln somit gefördert.
Informationen zum Bezug finden Sie unter http://www.fritz-bauer-institut.de/projekte/konfrontationen-projekt.htm