Wer gemeinsam mit Jugendlichen ein lokales Geschichtsprojekt zum Nationalsozialismus durchführen möchte oder bereits mitten in einem Projekt steckt, die*der kann auf eine Reihe an Fragen und Herausforderungen stoßen: Wie kann ich die Interessen der Jugendlichen und ihre unterschiedlichen Zugänge, Fähigkeiten und Fertigkeiten am besten berücksichtigen? Auf was muss ich im Umgang mit ihren Emotionen achten? Wie reagiere ich auf Veränderungen, wenn sich beispielsweise Interessen wandeln und Teilnehmer*innen die Gruppe verlassen? Wo beginnen wir mit der Spurensuche? Welche lokalen Ansprechpartner*innen und Archive gibt es? Welche Formen des Gedenkens kommen infrage?
Für diese und weitere Fragen liefert Was noch erinnert werden kann.... Antworten und nützliche Hinweise. Die 20 Seiten lange Handreichung zur lokalen Geschichtsarbeit wurde 2021 vom Landesjugendring Brandenburg herausgegeben und versammelt die Erfahrungen von jahrelanger Arbeit mit Jugendlichen in Projekten zur NS-Geschichte. Entstanden ist sie im Kontext des Projekts "überLAGERt - lokale Jugendgeschichtsarbeit an Orten ehemaliger KZ-Außernlager in Brandenburg". Dieser regionale Fokus zeigt sich in der Handreichung auf zwei Seiten, die über die Geschichte und die bislang bekannten ehemaligen Standorte der KZ-Außenlager informieren. Die meisten dieser Lager – auf der abgebildeten Karte sind etwa 60 vermerkt – waren dem Konzentrationslager Sachsenhausen und dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück zugeordnet (4, 5). Für die Suche nach historischen Spuren und Quellen sind heute die beiden KZ-Gedenkstätten wichtige Anlaufpunkte. Zwei weitere Seiten geben einen Einblick in einige Projekte, die im Rahmen von „überLAGERt“ zwischen 2016 und 2021 in Brandenburg durchgeführt wurden (16, 17).
Die Handreichung bietet wertvolle Tipps für die verschiedenen Phasen eines lokalgeschichtlichen Forschungsprojekts mit Jugendlichen. Mithilfe eines Fragebogens können (potenzielle) Projektbegleiter*innen vor Projektstart die eigene Motivation, Erfahrungen und Erwartungen überprüfen (3). Die Autor*innen machen mit dem einleitenden Fragebogen deutlich – und das zieht sich wie ein roter Faden durch den Rest der Hinweise und Tipps –, dass es in der Jugendgeschichtsarbeit nicht darum geht, den jugendlichen Teilnehmer*innen die eigenen Interessen und Meinungen überzustülpen, sondern vielmehr ein Partizipationsangebot für sie zu schaffen und mit dem Projekt einen Raum zu eröffnen, in dem Jugendliche und Begleiter*innen gemeinsam und voneinander lernen können. Grundlegende Prinzipien einer so verstandenen lokalen Jugendgeschichtsarbeit sind „Gruppenorientierung“, „Offenheit und Flexibilität“, „Freiwilligkeit“, „Erfahrungsbezogenes Lernen“, „Mit- und Selbstbestimmung“ und „Aktionsorientierung“ (6).
Ganz konkrete Praxistipps reichen von der einfachen Sprache in Flyern und in der Ansprache über den Vorschlag, sich digital oder am Wochenende zu treffen, falls die Terminfindung schwierig ist, bis zu einem kurzen Überblick über mögliche Emotionen, die die Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen hervorrufen kann, sowie körperliche Anzeichen von Scham und Schamabwehr. Eine Seite listet mögliche Ansprechpartner*innen wie Gedenkstätten, Geschichtsvereine und Ortschronist*innen auf, eine andere bietet eine Checkliste zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Gesprächen mit Interviewpartner*innen wie Z(w)eitzeug*innen und Lokalhistoriker*innen. Sind Spuren und Informationen dann gefunden und zusammengetragen, steht als nächster Schritt möglicherweise die Gestaltung eines Erinnerungszeichens an. Auch dafür gibt die Handreichung Hinweise, ebenso wie zu den Möglichkeiten, die Geschichtsarbeit und Spurensuche nach Abschluss des Projekts in Kooperationen mit anderen lokalen Akteur*innen weiterzuführen.
Die zahlreichen Tipps für die Praxis und Anregungen zur Reflexion machen die Handreichung Was noch erinnert werden kann… zu einer empfehlenswerten Orientierung für alle, die gemeinsam mit Jugendlichen ein lokales Geschichtsprojekt zum Nationalsozialismus organisieren und umsetzen möchten.