„Incel“ steht für „involuntary celibate“ (dt.: unfreiwillig zölibatär) und bezeichnet eine Person, die der so genannten „Blackpill-Ideologie“ anhängt. In der Regel handelt es sich hierbei um junge Männer, die sich im Internet zu einer virtuellen Gemeinschaft zusammenfinden. Grundlegend für ihre so genannte „Blackpill-Ideologie“ ist der Glaube, Männer würden ein natürliches Anrecht auf Sex mit Frauen haben (Kracher 2020: 11ff.). Frauen jedoch würden ausschließlich an 20% der männlichen Gesellschaft sexuelles Interesse haben, nämlich an den gut aussehenden, reichen, erfolgreichen und starken Männern, die im Incel-Slang „Chads“ genannt werden (Incels-Wiki: Blackpill).
Dazu würden Frauen allerdings erst durch den Feminismus ermächtigt, der sie dazu ermutigte, ihre eigenen Entscheidungen nicht nur bei der Berufs-, sondern auch bei der Partner*innenwahl zu treffen (Kracher 2020: 12). Dem Großteil der Männer, die nicht stark, nicht schön oder nicht reich genug seien, um Frauen zu gefallen, bliebe nun das natürliche Recht auf Sex versagt, was laut der Blackpill-Ideologie Frauen zu Täterinnen und damit zu Feindbildern macht. Dadurch bleibt ihnen aufgrund ihrer Unattraktivität die Möglichkeit versperrt, an unserer vermeintlich sexbesessenen Gesellschaft, in der Anerkennung und individueller Profit sich am sexuellen Erfolg messen, zu partizipieren (Kracher 2020: 32).
Interessant ist an dieser Stelle die Anmerkung, dass sich das Selbstbild von Incels grundlegend von dem eben beschriebenen Fremdbild unterscheidet, denn sie leugnen, dass eine Form von Ideologie diese Gruppe zusammenhalte, manchmal sogar, dass es überhaupt eine Gruppe sei: „[...] incel is not a movement or a community, but a gender-neutral life circumstance“ (Incels-Wiki: Startseite, 21.03.2021). „Incel“ bezeichnet dieser Eigendefinition nach also einfach eine Person, die unfreiwillig keinen Sex hat, dies könne auch ein temporärer Zustand sein (Kracher 2020: 27). Hierbei ist der Begriff „gender-neutral“ fast schon zynisch, denn in aller Regel werden nicht-Männer aus den einschlägigen Foren gebannt, sobald sie sich als solche zu erkennen geben (ebd.: 50).
Wie es mittlerweile zu vielen größeren Themen innerhalb politischer Gemeinschaften oder als Fanbeiträge für Bücher, Filme etc. eigene Wikis (gemeinschaftlich erarbeitete Sammlungen von stichwortgeordnetem Wissen) gibt, haben auch einige engagierte Incels eine eigene digitale Plattform nach dem Wiki-Muster gegründet. Es ist ein gemeinschaftliches Projekt, wobei die meisten Einträge in Wirklichkeit aus einigen wenigen Federn stammen. Die auf der Website des Wikis selbst verwendete Definition für das Wiki ist folgende: „Incel Wiki is an encyclopedia about the manosphere at large, particularly incels, in the English language. It is meant to be a repository of academia, folk theories, memes, people, and art associated with involuntary celibates.“ (Incels-Wiki: About) Nach der Lektüre weniger Artikel wird schnell deutlich, dass hier mit „academia“ Wissensschöpfungsprozesse gemeint sind, die mitnichten den Ansprüchen an das, was man üblicherweise Wissenschaft nennt, gerecht werden. Der Gründer des Incels-Wiki nennt sich „Master“. Er ist gleichzeitig Co-Eigentümer und Administrator des größten Forums für Incels (incel.co) und ehemaliger Moderator von der mittlerweile gesperrten Website www.sanctionedsuicide.com, die Menschen zum Suizid ermutigen sollte (Incels-Wiki: Master (forum mod)).
Für die Bearbeiter des Wiki gibt es einige wenige Regeln: 1. Dürfen Incels nicht als Organisation, Gemeinschaft oder Ideologie bezeichnet werden, 2. dürfen keine Gesetze gebrochen werden und 3. soll Humor als Schlüssel zur Wissenskommunikation dienen (Incels-Wiki: Rules).
Kracher, Veronika (2020): Incels. Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults, Ventil Verlag, Mainz.