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„MEMO Deutschland, der Multidimensionale Erinnerungsmonitor“ untersucht den aktuellen Zustand und die Wesenheiten der Erinnerungskultur in Bezug auf das nationalsozialistische Unrecht in Deutschland. Sich diesen anzunähern und sie einzuordnen, bleibt das erklärte Ziel der von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft geförderten Studie, die seit 2017 läuft. Die vielfältigen Ergebnisse des Multidimensionalen Erinnerungsmonitors zeigen, dass wir dieses Ziel mit den bisher vier veröffentlichten Studien erreicht haben – und gleichzeitig noch einiges zu fragen bleibt.
Das Bielefelder Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, welches Teil des Forschungsverbundes Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist, führt die Untersuchungen als repräsentative Meinungsumfrage im Bevölkerungsquerschnitt durch.
Anspruch an die MEMO-Studien ist es, zum einen Erkenntnisse für die breit aufgestellte Institutionenlandschaft der Erinnerungskultur in Deutschland zu liefern. Angesichts der Vielfalt der Akteure in diesem Feld und ihrer zahlreichen Aktivitäten sollen zum anderen aber auch die eigentlichen Adressaten der historisch-politischen Bildung nicht aus dem Blick geraten: Die Lernenden selbst. Um beides zu ermöglichen, stellen die Bielefelder Forscher:innen einschlägige Daten bereit und können für konkrete Vertiefungen Daten korreliert aufbereiten.
Wir freuen uns sehr, dass in Zusammenarbeit mit dem Magazin von Lernen-aus-der-Geschichte in der vorliegenden Ausgabe, der Blick auf die MEMO-Studien geweitet wird und darin zahlreiche Autor:innen vertiefte Analysen der MEMO-Daten präsentieren. Wir danken für die unterschiedlichen Interpretationen und auch die konstruktiv-kritischen Betrachtungen. Denn es bleibt eine Herausforderung, die „richtigen“ Fragen zur Erinnerungskultur zu entwickeln, die alles andere als statisch ist und sich wandelt.
Die MEMO Studie wartet mit vielfältigen Ergebnissen und interessanten Erkenntnissen auf: 1. die Befragten erinnern die Deutschen überwiegend nicht als Tätergesellschaft und 2. zeigt sich entgegen der historischen Fakten eine Verschiebung hin zur Wahrnehmung der Deutschen v.a. als Helfer und als Opfer des Nationalsozialismus. Weiterhin wurde deutlich, dass die Befragten – ausgehend von den tatsächlichen Zahlen – 3. das Ausmaß der Zwangsarbeit in den Gebieten des Deutschen Reichs zahlenmäßig als zu gering einschätzen.
Die gegebenen Antworten auf Fragen zu ihren politischen und sozialen Einstellungen machen deutlich, dass der historisch-politischen Bildung eine Schlüsselrolle bei der kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zukommt. Je mehr sich nämlich Menschen mit der Geschichte des Nationalsozialismus aktiv beschäftigen, umso weniger stimmen sie antisemitischen Aussagen und Verschwörungserzählungen zu. Auch dies ist ein Befund, den MEMO herausgearbeitet hat.
Die Stiftung EVZ fördert MEMO auch mit dem Ziel, die Erinnerungskultur(en) und die kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zu stärken und dafür passgenaue, zielgruppenadäquate Bildungsangebote zu entwickeln. Die erhobenen Daten bieten eine faktenbasierte, empirische Grundlage dafür, wie zeitgemäße kritische Erinnerungsarbeit/-kultur heute gestaltet werden sollte, um wirksam und lebendig zu sein. Es wird deutlich, dass es notwendig ist, lebensweltliche Bezüge für Menschen herzustellen, die sich nur punktuell mit historischen und erinnerungskulturellen Fragen auseinandersetzen können oder wollen. Anhand der Daten zu den „Wegen der Auseinandersetzung“ erkennen wir, welche Medien und Formate Menschen nutzen und womit sie am besten lernen. Wir engagieren uns deshalb auch dafür, dass diese Daten breit rezipiert und in der Bildungsarbeit eingesetzt werden.
Auf diesem Weg gehen wir weiter voran – demnächst in Form einer eigenen Jugendpanelstudie. In dieser Analyse werden Jugendliche im Alter von 16 bis 25 Jahren zweimal online zu ihrer persönlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus sowie zu ihren Einschätzungen zur Erinnerungskultur in Deutschland befragt. Sie bietet daher einerseits die Möglichkeit, Verlaufsdaten und mögliche Veränderungen innerhalb einer Spanne von ca. einem Jahr zu analysieren. Andererseits werden auch offene Fragen gestellt, deren individuelle Beantwortung eine breitere qualitative Analyse ermöglichen. Daraus werden sich sicherlich neue Einsichten gewinnen und auch Erkenntnisse für eine zukunftsträchtige und wirksame Erinnerungskultur ableiten lassen.
In diesem Sinne: Durch die Lektüre wünsche ich Ihnen interessante und wertvolle Einblicke in das Erinnern in Deutschland, in sein Gedächtnis und seine Erinnerungskultur!
Ihre Dr. Andrea Despot