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„Through the Darkest of Times“ ist ein Spiel, in dem Spieler*innen in die Rolle fiktiver ziviler Widerstandskämpfer*innen in der Zeit des Nationalsozialismus schlüpfen und versuchen Verfolgten zu helfen, Menschen aufzuklären und das Regime zu schwächen so gut es geht, ohne dabei von der Gestapo gefasst zu werden.
Es ist auch ein Experiment: ein Spiel, das seine Spieler*innen unterhalten und mitreißen und gleichzeitig zum Gedenken an die jüngere deutsche Vergangenheit beitragen will.
Wie wird zukünftig Geschichte künftigen Generationen vermittelt werden?
Digitale Spiele ermöglichen es den Nutzer*innen, in einer noch nie dagewesenen Intensität aktiv an einer historischen Situation teilzuhaben. Individuelle Erfahrungen können die Wirkung des "klassischen" Geschichtsunterrichts übersteigen.
Letztlich werden digitale Spiele mit hoher Wahrscheinlichkeit einen erheblichen Einfluss darauf haben, was unter Geschichte verstanden wird und wie das Geschichtsverständnis kulturell weitergegeben wird.
Die Frage, die wir uns bei der Entwicklung von „Through the Darkest of Times“ stellten, war, wie kann das Medium das leisten?
- Wie können reale Erinnerungen ihren Weg in ein Medium finden, das es den Rezipient*innen ermöglicht, ihre eigenen Geschichten zu kreieren?
- Wie kann das Bedürfnis der Spieler*innen nach Wirkungsmacht erfüllt werden, während man gleichzeitig dem Thema treu bleibt?
- Wie kann Spielmechanik eingesetzt werden, um das Verständnis für eine historische Situation zu verbessern?
- Wie können Videospiele zum Aufbau und zur Erhaltung einer Erinnerungskultur beitragen?
- Wie können Unterhaltung und eine kritische Reflexion der Vergangenheit in Einklang gebracht werden?
Die meisten digitalen historischen Strategiespiele sind hauptsächlich an dem interessiert, was ich kollektive Erinnerungen nenne. Die historischen Fakten, wie sie üblicherweise im Geschichtsunterricht vermittelt werden, das große Ganze, das Schicksal ganzer Länder.
Und es hat Vorteile, dass Computerspiele uns ermöglichen, in die Rolle von Herrschern oder Generälen zu schlüpfen, die die großen und harten Entscheidungen treffen, denn das ist etwas, wozu wir in unserem täglichen Leben nicht in der Lage sind, es ist eine interessante Fantasie.
Aber es gibt eben auch die Summe all der kleinen individuellen Erfahrungen und Erinnerungen von Millionen von Menschen, die das Schicksal des Landes nicht im Großen verändert haben, sondern nur versucht haben, ihr Leben zu leben.
Was ist mit ihnen? Sind sie es nicht wert, betrachtet zu werden? Sind ihre Geschichten es nicht wert, erzählt zu werden?
Mit „Through the Darkest of Times“ wollten wir nicht nur die kollektiven Erinnerungen erforschen, sondern auch eine Verbindung zu den individuellen Erinnerungen an eine Epoche herstellen. Erinnerungen an Menschen, die zufällig in Berlin lebten, als Hitler Kanzler wurde, und die gegen den Diktator waren, als der größte Teil des Landes für ihn und seine Ideologie eintrat.
Menschen ohne Einfluss oder Macht, Menschen ohne besondere Fähigkeiten – gewöhnliche Menschen, die sich weigerten, einem unmenschlichen Regime zu folgen, als fast alle anderen es taten – eine Tatsache, die sie dann doch so außergewöhnlich machte.
Die Held*innen des Spiels sind die Widerstandskämpfer*innen, der Spiel-Avatar und die anderen Mitglieder der Gruppe.
Um diese Charaktere zu entwerfen, müssen wir ihre Vorbilder aus der realen Welt verstehen.
Dazu mussten wir herausfinden: Wann trifft jemand die Entscheidung, sein Leben für den Kampf gegen ein unmenschliches Regime zu riskieren? Was treibt solche Personen an?
Ist es Verzweiflung oder eher Hoffnung?
Ist es Stolz? Zorn?
Wie bewahren sie ihren Mut?
Gibt es etwas, das sie verbindet?
Dazu muss man sagen, dass wir keine Historiker*innen sind, sondern Spieleentwickler – wir haben zwar immer wieder Historiker*innen im um Rat gefragt, die aktuelle Version des Spiels spielen lassen und um Rückmeldungen gebeten, aber die Recherche mussten wir selbst durchführen.
Für unsere Herangehensweise lasen wir viel Standardliteratur über zivile Widerstandsgruppen, und interessierten uns hauptsächlich an Erfahrungen und Dokumenten aus erster Hand – wo immer wir sie bekommen konnten. Interviews, Briefe, Berichte von Verwandten und Freund*innen. Glücklicherweise gibt es in Berlin eine Menge Material, das wir uns anschauen konnten.
Dabei stießen wir auch auf den Blog und Podcast "Die Anachronistin" von Nora Hespers, der Enkelin des Widerstandskämpfers Theo Hespers, der in Köln aktiv gewesen war und 1938 von den Nazis ermordet wurde. Nora, eine Journalistin, veröffentlichte Auszüge aus den Tagebüchern ihres Großvaters, die einen großartigen Einblick in die inneren und äußeren Konflikte einer zivilen Widerstandsgruppe erlaubten. Wir nahmen Kontakt auf und das Projekt gefiel ihr so gut, dass sie beschloss, uns zu helfen und sogar den Trailer und alle Stimmen im Spiel zu sprechen.
Wir lasen Sammlungen von Interviews mit Berliner Widerstandskämpfer*innen durch, die in kleiner Auflage gedruckt wurden und in denen sie über ihre Gefühle sprachen, über die Wut auf das Regime und die Menschen, die darauf hereinfielen, ihre Nachbar*innen, Kolleg*innen oder Verwandten.
Sie erzählten von ihrer Hoffnung auf Veränderung, wie sie sich erhofften, dass die Welt schließlich kommen und ihnen helfen würde, und von ihrer Verzweiflung, als sie erkennen mussten, dass niemand zur Rettung kommen würde, dass sie allein waren.
Haben wir eine Antwort auf unsere Frage gefunden, was diese Menschen zum Kampf motiviert hat?
Mehr als eine. Viele!
Die Antworten, die wir auf die Frage fanden, warum jemand sein Leben für den Kampf gegen ein unmenschliches Regime riskiert, waren so unterschiedlich wie die zivilen Widerstandsgruppen selbst. Viele waren politischer Natur. Demokrat*innen, Sozialist*innen, Kommunist*innen, Konservative, die verachteten, was das neue Regime tat. Die es so sehr verachteten, dass sie etwas tun mussten.
Manche waren auch spirituell - oder glaubten an ein höheres Ziel, eine höhere Sache. Eine Sache, die nicht religiös zu sein brauchte - obwohl viele auch Christ*innen waren. Einige waren Humanist*innen. Sie glaubten an die Menschlichkeit und waren überzeugt, dass die Menschen in der Lage seien, eine bessere Welt zu bauen - und dass dies früher oder später geschehen würde, dass die Nazis nur eine vorübergehende Verzögerung auf dem Weg in eine bessere Zukunft seien.
Natürlich gab es Menschen, die von den Diskriminierungen der Nazis betroffen waren, einige waren wütend auf das Regime, weil es ihnen ihre Kultur weggenommen hatte - Berlin in den 1920er Jahren war ein Ort des progressiven Lebensstils gewesen, ein Ort für Clubs und Partys, experimentelle Musik und Kunst. Die Nazis beendeten dies und ersetzten es durch ihren erfundenen Pseudohistorizismus, eine homogene Kultur, die sie als deutsch bezeichneten. Sie setzten die kulturelle Dominanz durch.
Die meisten Widerstandskämpfer*innen interessierten sich auch für progressive Kunst und Musik. Und einige haben sich zuerst für diese Art von Subkulturen interessiert und sind in den Widerstand eingetreten, weil sie nicht akzeptieren wollten, dass die Nazis ihnen das wegnahmen.
Es gab also sehr viele verschiedene Motivationen, die wir für die Protagonist*innen unseres Spiels berücksichtigen mussten.
Während unserer Recherchen hatten wir all diese individuellen Erinnerungen gesammelt und fragten uns, wie wir sie in das Spiel umsetzen würden.
Eine mögliche Umsetzung wäre gewesen, die Spieler*innen eine bestimmte historische Figur spielen zu lassen und die Entscheidungen des*der Spieler*in so einzuschränken, dass das Ergebnis mit der Biografie dieser Person übereinstimmt.
Aber das hätte die Handlungsfreiheit und damit das Gefühl der Wirkungsmacht für die Spieler*innen stark eingeschränkt, weshalb wir uns dagegen entschieden.
Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, die Spieler*innen zwar eine historische Figur spielen zu lassen, ihnen aber die Möglichkeit zu geben, frei Entscheidungen zu treffen, auch wenn diese von der historischen Biografie abwichen. Dieser Weg hätte zwar zu einer besseren Spielerfahrung geführt, aber wir empfanden es als falsch, die Biografie eines Menschen, der wirklich gelebt hatte, durch die Handlungen der Spieler*innen zu ändern – insbesondere die Biografie eines der Menschen, die oft so brutal gelitten hatten wie ein Mitglied des zivilen Widerstands gegen die Nazis.
Schließlich entschieden wir uns deshalb für fiktionale Charaktere.
Anstatt die genauen Ereignisse und Erinnerungen von existierenden Menschen wiederzugeben, versuchten wir, Mechaniken und Dynamiken des Spiels so zu gestalten, dass sie zu ähnlichen Situationen führen und dann das passende Ereignis nennen würde.
Ein Beispiel: Durch die Tagebuchauszüge Theo Hespers erfuhren wir, dass es eine Taktik gab, wenn jemand durch die Gestapo gefasst, verhört und gefoltert wurde, Namen und Aktionen preiszugeben, die bereits tot waren oder von denen die Gestapo bereits wusste.
Also fügten wir diese Möglichkeit als Spielmechanik in Verhören hinzu.
Von Saskia von Brockdorff, der Tochter eines Mitglieds des Roten Orchesters, hörten wir von einem Brief, den ihre Mutter an sie schrieb, als sie fünf Jahre alt war und ihre Mutter inhaftiert war und wusste, dass sie bald sterben müsste. Durch diese tragische Geschichte wurden wir dazu inspiriert, dass Widerstandskämpfer*innen Kinder haben könnten und dass die Gruppe diese Kinder erwähnt und darüber spricht, wie schrecklich es ist, wenn jemand stirbt und eine Familie zurücklässt.
Die Ereignisse für die Gruppe, die über eine Mutter klagen, die stirbt und ihr Kind verlässt, wurden für das Spiel individuell geschrieben, aber sie werden nach bestimmten Regeln und Mechanismen ausgelöst, wodurch eine erzählende Simulation entsteht.
Auch wenn Authentizität und Glaubwürdigkeit wichtig sind, muss ein Computerspiel den Spieler*innen auch die Möglichkeit geben, beim Spielen ihre ganz persönlichen Widerstandsgeschichten zu schreiben.
Unser Ziel als Spielentwickler*innen ist es, den Spieler*innen die Möglichkeit zu geben, genug Entscheidungsmöglichkeiten und Wirkungsmacht zu haben um ihre individuelle Widerstandsgeschichte zu erschaffen und zu erleben, aber innerhalb eines historischen Rahmens, der zu glaubwürdigen Geschichten führt.
Dieses Durchleben einer fiktiven Geschichte, eingebettet in einen historischen Rahmen ermöglicht den Spieler*innen (hoffentlich), eine Verbindung zu den Schicksalen der Menschen herzustellen, die in der Realität ihr Leben gegen alle Widrigkeiten riskierten, um einem unmenschlichen Regime zu widerstehen.
An ihr Leben und ihr Wirken soll erinnert werden, und wir hoffen, dass "Through the Darkest of Times" dazu einen Beitrag leistet.