Die 2014 erschienene Aus Politik und Zeitgeschichte mit dem schlichten Titel „Comics“ geht der Frage nach, was Comics eigentlich sind, wie in Comics erzählt wird und welche Anforderungen an ihre Leser*innen gestellt werden (S.2). Dabei finden die Autor*innen unterschiedliche Zugangswege zum Thema.
Einen kreativen Zugang wählt Scott McCloud, der seinen Beitrag „Was ist ein Comic?“ als eben solchen präsentiert. McCloud versucht, eine möglichst allumfassende Definition zu finden. Er erzählt von eigenen Erfahrungen mit Comics. Den Weg zur Definition geht er über Verweise auf Will Eisner[1]. Laut Eisner sei ein Comic „sequenzielle Kunst“: Ein Bild allein ist nichts anderes als ein Bild, in der Sequenz – der Abfolge von mindestens zwei Bildern – verwandelt sich das Bild in „die Kunst des Comics“ (S.7). McCloud weist zudem darauf hin, dass zwischen Form und Inhalt zu trennen sei. Er grenzt so Comics beispielsweise zum animierten Film ab. Letztendlich sind Comics – laut McCloud – „zu räumlichen Sequenzen angeordnete, bildliche oder andere Zeichen, die Informationen vermitteln und/oder eine ästhetische Wirkung beim Betrachter erzeugen sollen“ (S.10).
Ähnlich wie McCloud versucht auch Thierry Groensteen zu ergründen, was ein Comic eigentlich ist. Sein Aufsatz „Zwischen Literatur und Kunst: Erzählen im Comic“ ist dabei jedoch mehr der Frage nach der Literaturform an sich gewidmet. Groensteen spricht von einem „interaktiven Hypermedium“ (S.35). Der Comic sei ein Hybrid, da er mit der Sprache des Wortes und der Bildsprache zwei unterschiedliche Sprachen verbindet. Dabei sind das Geschriebene und das Gezeichnete fein voneinander zu trennen, wie Groensteen betont. Den Bildern misst er jedoch erhebliche Bedeutung bei, wie durch die ausführlichen Erläuterungen der Bildanalyse im Rahmen seines Beitrages deutlich wird.
Der allgemeinen Entwicklung des Comics folgt Andreas C. Knigge in seinem Essay „KLONK, BOING, WUSCH!!! Eine kurze Kulturgeschichte des Comics“. Knigge zufolge seien dies stets auch „Spiegel gesellschaftlicher Befindlichkeit und konservieren Ängste, Nöte und die Träume ihrer Epoche“ (S.12). Knigge zeichnet die historischen Entwicklungen ebenso nach wie die inhaltlichen Linien. Amerikanische Superheldencomics werden „schnell zum die Comics dominierenden Thema“ (S.11). Anfänglich noch in Zeitungen als „Strips“ über mehrere Ausgaben erzählt, erscheinen 1933 die ersten Comicbooks. Mit deren Verbreitung verschiebt sich auch das Zielpublikum: Während die Comicstrips eher auf Erwachsene zielen, erreichen die Comicbooks vor allem jugendliche Leser*innen. Eine Sonderform des Comics stellt Jaqueline Berndt vor. In „Manga ist nicht gleich Manga: Plädoyer für eine Differenzierung“ wird die aus Japan stammende Form des Comics näher erläutert. Berndt verweist auf unterschiedliche Stile und woran diese im Besonderen erkannt werden können.
Stephan Packard geht in seinem Aufsatz der Frage nach, wie Comics politisch sein können. Neben expliziten Beispielen wie „Maus“ wendet Packard den Blick jedoch auf die scheinbar unpolitisch anmutenden, die nicht offensichtlich von politischer Relevanz sind. Als Beispiel wählt Packard unter anderem die Geschichten um Dagobert Duck, „der in seinem Geld schwimmt und dem die halbe Welt gehört, während er die andere Hälfte gerade erobert“ (S.17). Eine eindeutige Interpretation – im Falle von Dagobert Duck etwa als Kapitalismuskritik oder Helden des Kapitalismus – sei jedoch nicht möglich. Es gilt, so Packard, den Kontext der Symboliken zu beachten, denn „gerade indem sie mit [diesen] einfachen Zuordnungen brechen, indem sie der politischen Topik ihre sprachlichen, bildlichen und semantischen Allgemeinplätze entwenden, eröffnen sie ein neues Feld für Politik in einem weiteren und tieferen Sinne“ (S.18). Auf die Frage nach Politik in Comics – thematisiert und betrieben – gebe es zwei Antworten. Zum einen gibt es die explizit politischen Comics, wie zum Beispiel zur Aufklärung über Rechtsextremismus. Zum anderen entwickele das spezifische Kunstmittel des Comics eine eigene, andere Politik als der Mainstream, beispielsweise in „300“ (S.19). Packard analysiert den Comic ausführlich hinsichtlich seiner Bildsprache und der verwendeten Stilmittel. Gerade die ästhetische Gestaltung verdiene im politischen Comic eine gesonderte Betrachtung.
Wie diese und weitere Erkenntnisse angewendet werden können, untersucht Christine Gundermann in ihrem Aufsatz „Geschichtskultur in Sprechblasen: Comics in der politisch-historischen Bildung“. Obwohl Comics seit zwanzig Jahren in der historischen Bildungsarbeit angekommen sind, finden diese laut Gundermann noch immer keinen Platz in den (Lehr-) Curricula. Dabei gibt es vor allem im Bereich Zeitgeschichte immer mehr Veröffentlichungen, meist im biografischen Rahmen angelegt. Christine Gundermann sieht darin die Möglichkeit, neue Interpretationen einer Persönlichkeit zu finden (S.24). Auch würden auf diesem Weg Personen oder Personengruppen eine Stimme verliehen, wie etwa den verfolgten Homosexuellen im Comic „Rosa Winkel“.
Einen allgemeineren Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus bietet Martin Frenzel in seinem Beitrag „Der Holocaust im Comic“. Dabei orientiert sich der Autor überwiegend an Art Spiegelmanns „Maus“, verweist aber auch auf zahlreiche weitere Werke neueren Datums. Frenzel zeichnet die anfänglichen Diskussionen um den Comic und die aufgeworfene Frage nach, ob man den Holocaust so darstellen dürfe. Frenzel gibt zu bedenken, dass jede künstlerische-darstellerische Auseinandersetzung irgendwann an ihre Grenzen stößt. Im Falle des Comics – was sicher jedoch auch allgemeingültig gelesen werden kann – sei zu beachten, ob die grafischen, narrativen und inszenatorischen Dimensionen der Shoah angemessen sind (S.32).
Frenzel bemerkt auch, dass der Einsatz von Comics im pädagogischen Bereich in Deutschland noch ausbaufähig ist. Doch woher kommt dieses latente Misstrauen? Diese Frage kann Dietrich Grünewalds Beitrag „Zur Comicrezeption in Deutschland“ ein wenig beantworten. Von der anfänglichen Ablehnung über die Herausbildung einer Subkultur bis zum Einzug in „Feuilletons, Museen und Wissenschaft“ (S.46) zeichnet Grünewald die Geschichte des Comics in Deutschland nach. Dabei geht er ebenso auf die Eigenheiten der deutsch-deutschen Geschichte ein wie auf fortwährende Ablehnung von Comics.
„Comics“ bietet eine gute Heranführung an das Thema im Allgemeinen und verschafft einen Überblick, welche weiteren Themenfelder berührt werden. Insbesondere wenn persönlich keine Berührungspunkte bestehen, können aufkommende Fragen so geklärt werden. Der in jedem Beitrag ausführlich vorhandene Fußnotenapparat ermöglicht es, bei Bedarf die Lektüre zu vertiefen. Lehrer*innen und Multiplikator*innen können außerdem Anregungen für Comics jenseits des Klassikers „Maus“ finden.
Die ApuZ ist online verfügbar.
[1]Will Eisner: Mit Bildern erzählen. Comics & Sequential Art, Comic Press Verlag 1995.