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Vor 100 Jahren, am 16. Dezember 1919, wurde der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. in Berlin gegründet. Heute gilt der Volksbund als ein international anerkannter Träger der Gedenk- und Bildungskultur. Für seine Verdienste in der Jugendarbeit erhielt er 2014 den Internationalen Preis des Westfälischen Friedens. 2016 folgte die Auszeichnung durch die Deutsche Nationalstiftung. Mit seiner Plakatkampagne seit 2017 „Darum Europa – Kriegsgräber mahnen“ setzt sich der Volksbund jüngst für ein zusammenwachsendes Europa ein.
Es waren die Erschütterungen des Ersten Weltkrieges, die vor 100 Jahren zur Gründung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge führten. Unter dem Eindruck des bis dahin unvorstellbaren Ausmaßes an Zerstörung und Leid sollte eine Organisation ins Leben gerufen werden, die sich um die „fern der Heimat“ liegenden Gräber der mehr als zwei Millionen Gefallenen kümmert und deren Angehörige unterstützt. Die noch junge Reichsregierung war in der unbeständigen Nachkriegszeit weder organisatorisch noch wirtschaftlich in der Lage, sich der Grabpflege für die Millionen Toten des Ersten Weltkrieges zu widmen.
Der Tenor im Werbeaufruf des neu gegründeten Vereins war pazifistisch geprägt und rief zu „gemeinsame(r) Totenehrung jenseits allen Völkerhasses“ auf. Zu den ersten Vorstandsmitgliedern gehörten der Gelehrte und Orientalist Ernst Jaeckh, der sich für die Idee des Völkerbundes einsetzte, der jüdische Direktor der Commerzbank Julius Rosenberger und der Architekt und spätere Erbauer des Berliner Funkturms Heinrich Straumer.
Gemäß der Losung „Ohne Unterschied des Bekenntnisses und der Partei“ fanden sich unter den 92 Mitgliedern des Verwaltungsrates im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, die den Spendenaufruf ebenfalls unterzeichnet hatten, Vertreter der verschiedenen Parteien, der Wirtschaft und des Militärs, der Gewerkschaften, des Roten Kreuzes und des Caritasverbandes. Bischöfe christlicher und Rabbiner jüdischer Gemeinden unterstützten den Volksbund ebenso wie Konrad Adenauer, Walther Rathenau und Conrad von Borsig. Zu weiteren Persönlichkeiten aus allen Teilen des damaligen Deutschen Reiches zählten Peter Behrens, einer der einflussreichsten deutschen Gestalter des 20. Jahrhunderts, der Hamburger Oberbaudirektor Fritz Schumacher, die Dichter Richard Dehmel und Gerhart Hauptmann sowie die Maler und Bildhauer Max Pechstein, Max Liebermann, August Gaul und Georg Kolbe. Unter den Unterzeichnenden findet sich jedoch auch Hjalmar Schacht, der nach Hitlers Machtübernahme 1933 als Reichsbankpräsident und späterer Reichswirtschaftsminister zu den Führungspersönlichkeiten des „Dritten Reiches“ aufrückte – und anschließend im Nürnberger Prozess zu den Hauptkriegsverbrechen angeklagt war.
Die hohen Opferzahlen des Ersten Weltkrieges erweckten in jeder Gemeinde den Wunsch, an die Toten zu erinnern. Rasch entstanden im ganzen Reichsgebiet Landes-, Bezirks- und Ortsverbände des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, um die im Ausland gefallenen Soldaten zu bergen und Friedhöfe anzulegen. Viele Kriegstote konnten jedoch nicht aufgefunden werden, so dass sie kein eigenes Grab erhielten. Auch deshalb errichteten die Heimatgemeinden ihnen ein Denkmal. In vielen Kirchen wurden Gedenktafeln mit den Namen der Gefallenen angebracht.
Ein halbes Jahr nach der Gründung des Volksbundes in Berlin wurde der Hamburger Landesverband von drei Frauen ins Leben gerufen und im Juli 1920 in das Vereinsregister der Hansestadt eingetragen. Dr. Almuth Hartmann führte eine umfangreiche Korrespondenz mit in- und ausländischen Behörden, um die Lage der Kriegsgefangenen zu verbessern. Einer ihrer Söhne war gefallen, der andere in Kriegsgefangenschaft geraten. Amanda Fera, die ihren einzigen Sohn bei St. Quentin in Nordfrankreich verloren hatte, stellte ihre Wohnung am Alsterufer für die erste Geschäftsstelle des Landesverbandes zur Verfügung. Fera reiste alljährlich, allein und unter schwierigen Bedingungen, nach Nordfrankreich, um sich vor Ort über den Fortgang der Arbeiten auf den Friedhöfen zu erkundigen. Ihre mitgebrachten Skizzen halfen, Angehörigen Auskünfte über die Grablagen mitteilen zu können. Unterstützt wurde sie von sogenannten französischen „Vertrauensmännern“, die sich – der „Erbfeindschaft“ zum Trotz – für die Gräber der deutschen Soldaten verantwortlich fühlten.
Thekla Haerlin, die dritte Gründerin, betrauerte zwei Söhne: Wilhelm und Otto hatten sich als junge Kriegsfreiwillige gemeldet, und schon im November 1914 starben die beiden Brüder innerhalb nur einer Woche. Sie sind auf dem größten deutschen Soldatenfriedhof des Ersten Weltkrieges bestattet, im belgischen Menen. Thekla Haerlin besaß in Hamburg mit ihrem Mann Friedrich das Hotel „Vier Jahreszeiten“. Als 1924 der Bundesvertretertag des Volksbundes mit mehr als 100 Teilnehmenden aus dem ganzen Reichsgebiet in der Universität Hamburg stattfand, wurden die Gäste unentgeltlich im Hotel „Vier Jahreszeiten“ aufgenommen. Es waren oft Frauen – Mütter und Witwen von Gefallenen – die aktiv die Volksbundarbeit voranbrachten.
Der Friedhof St. Quentin in Nordfrankreich, einer von zahllosen weiteren rund um die Schlachtfelder bei Cambrai, Arras und Verdun, wurde zum Patenfriedhof des Landesverbandes Hamburg ernannt. Die besondere Fürsorge hält bis heute an, und bis vor einigen Jahren fanden dort vom Hamburger Landesverband aus regelmäßig deutsch-französische Jugendbegegnungen statt.
Liegt der Fokus in Deutschland gegenwärtig aufgrund der historischen Verpflichtung eher auf den Friedhöfen des Zweiten Weltkrieges, haben sich bei unseren europäischen Nachbarn „The Great War“ oder „La Grande Guerre“ ins Bewusstsein eingeprägt. Die entsprechenden Gedenktage des Ersten Weltkrieges werden in Großbritannien, Belgien und Frankreich bis heute begangen.
Die Arbeit des Volksbundes in den 1920er Jahren war durch den verlorenen Krieg und die Auswirkungen des Versailler Vertrages geprägt. Bis 1926 musste sich der Volksbund eng mit inländischen Behörden abstimmen. Die Verbitterung über die Schmach der Niederlage spricht aus dem Inspektionsbericht des Stadtbaurates Arendt aus Essen, der 1924 im Auftrag des Volksbundes Friedhöfe in Flandern aufsucht: „(…) schließlich die französischen Friedhöfe. Ohne Gefühl in die Natur gesetzt. Frankreich spart allen Aufwand für den neuen Aufstieg der Nation zu beherrschender Größe (…) dürftige (…) Lattenkreuze, billiger Blumenschmuck. (…) Wir sind im fremden, nicht einmal im Freundeslande. Hier bleiben wir der ‚boche’, der Kinderschreck. Arm sind wir, arm sollen wir scheinen. Und alles was wir machen, unterliegt der kritischen Prüfung des Franzosen, seiner Genehmigung, die stets den französischen Maßstab anlegt.“
In Hamburg wurde mit öffentlichen Lichtbildervorträgen für die Belange der Kriegsgräberfürsorge geworben. Das Ziel, für die „40.000 gefallenen Söhne der Stadt“ – so lautet die Inschrift auf der Ernst-Barlach-Stele am Rathausmarkt – je ein Mitglied zu gewinnen, wurde in den 20er Jahren nicht erreicht. Die Zahl der Mitglieder in Hamburg bewegte sich – wie bis noch vor einigen Jahren – zwischen 3.000 und 4.000. Einzelne Mitglieder, so etwa Carl Hagenbeck, übernahmen eine Patenschaft für einen deutschen Soldatenfriedhof im Ausland.
Die Mitgliedsbeiträge wurden damals oft bar an der Haustür eingenommen. Eine Kassiererin, die 1924 von Almuth Hartmann für die Mitarbeit im Volksbund geworben worden war, schildert rückblickend ihre Erlebnisse:
„In St. Pauli hatte ich ein treues Mitglied, ein altes Mütterchen, (das) ihren Sohn im (…) Krieg verloren hatte, (die Frau) hatte ein Holzbein, aber jedes Jahr zählte sie mir 150 Kupferpfennige mit lieben Worten in die Hand. Am Hafen (…) war der Wirt einer Hafenschenke ein treues Mitglied, seine Gäste waren geschäftliche Zuhälter und Arbeiter“, die ihren Beitrag oft „stunden“ mussten. „Hamburg war in den 20er Jahren noch sehr (rot)“, fügt die Kassiererin hinzu und fährt fort: „Es war in einem Hinterhaus ein Zuhälter (…), was ich aber nicht wusste. Ich wurde durch einen dunklen Gang ins Wohnzimmer geführt, in dem drei Männer anwesend waren. Der Besitzer der Wohnung sagte mir nur `wir haben heute kein Geld‘, ich (solle) wiederkommen.“
Innerhalb weniger Jahre nach der Gründung traten im Volksbund nationalistische Töne in den Vordergrund. Mit der Inflation, als es zunehmend schwieriger wurde, den Alltagsbetrieb aufrecht zu erhalten, entbrannte ein Streit darüber, wie der Erlös der „Reichssammlung“ zu verwenden sei: nur für die Kriegsgräber oder auch für den Unterhalt der Bundeszentrale in Berlin und die Entlohnung der hauptamtlichen Mitarbeiter.
Auf den Kriegerdenkmälern, die zum Ende der Republik zahlreich in Auftrag gegeben wurden, drängte der Gedanke an die Revanche für die als Schmach empfundene Niederlage und die Folgen des „Schandvertrages“ von Versailles in den Vordergrund: Es wurde aufgerüstet und gedanklich mobilisiert,
Die Trauer um die Gefallenen trat mehr und mehr zurück. Versöhnung und Verständigung zwischen den Völkern wurden jetzt als „überholte pazifistische Ideen“ bewertet. Der bis dahin vom Volksbund getragene Volkstrauertag diente nun als „Heldengedenktag“, der Demonstration der „Macht und des Wehrwillens des Dritten Reiches“. So schreibt der Bundesführer des Volksbundes, Siegfried Emmo Eulen, 1934 an Reichskanzler Adolf Hitler:
„Den vom Volksbund 1920 eingeführten und in den 14 Jahren der Schmach und Schande erkämpften Gedenktag für unsere Gefallenen haben Sie, mein Führer, im neuen Reich als Heldengedenktag zum gesetzlichen Staatsfeiertag erhoben. Hiermit ist das große Ziel unserer inneren Arbeit verwirklicht worden (…) auch hierfür (Dank) namens des gesamten Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge.“
Vielerorts wurden die Grabsteine jüdischer Gefallener auf Friedhöfen des Volksbundes entfernt.
Siegried Eulen gilt gemeinhin als Gründer des Volksbundes. Er hatte im Ersten Weltkrieg seit 1917 als Gräberverwaltungsoffizier an der deutschen Ostfront gedient. Sein erster Posten im Volksbund war der des Generalsekretärs. Äußerte er 1922 noch seine Bedenken, ein Mitglied des Kyffhäuserbundes in den Bundesvorstand des Volksbundes wählen zu lassen – der Volksbund solle überparteilich bleiben – so wird Eulens Haltung später zunehmend nationalistischer. Aus einer relativ unbedeutenden Stellung als Major der Reserve heraus ergreift er die Chance, im Volksbund Karriere zu machen. Über die gesamten zwölf Jahre der NS-Herrschaft war Eulen Präsident oder – wie es damals hieß – Bundesführer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, bis zu seinem Tod 1945 infolge einer Kriegsverletzung. Dass die fast 26jährige Tätigkeit Siegfried Eulens in höchster Position später über lange Jahre nicht kritisch beleuchtet wurde, wird dem Volksbund zu Recht vorgeworfen. Noch bis 1973 wurde für herausragende Verdienste die sogenannte „Siegfried-Emmo-Eulen-Plakette“ verliehen.
Der Chef-Architekt des Volksbundes, Robert Tischler, diente von 1926 bis zu seinem Tod 1959 vergleichbar lange und über drei politische Systeme hinweg im Volksbund. Tischlers Friedhofsanlagen sollten „die deutsche Heimat in fremder Erde“ symbolisieren. Sie werden oft als monumentale und raumgreifende Totenburgen empfunden.
Im Dezember 1933 wurde der Bundesvertretertag in Berlin „im Zeichen des neuen Reiches“ eröffnet, mit dem Plan der „Einführung des Führergrundsatzes“. Der damalige Hamburger Landesvorsitzende erhebt Einspruch: Da der Landesverband ein eingetragener Verein sei, sei eine Änderung der Satzung nur mit ¾ Mehrheit aller Stimmen möglich. Siegfried Eulen hingegen erläutert, dass „Vertreter der Demokratie“ und „ein parlamentarisches System“ die „Volksbundarbeit in den vergangenen Jahren (…) gehemmt habe.“ Ziel sei nun das „Ausmerzen von Fehlern“, wozu „in erster Linie die Beseitigung der Eintragung einzelner Glieder des Volksbundes in das Vereinsregister (gehöre)“.
Auch im Provinzialverband Rheinland wehrte man sich gegen die autoritäre und eigenmächtige Satzungsänderung. Es gab Gesprächsbedarf – und die Vorstände der Bezirksverbände Düsseldorf, Aachen, Koblenz, Köln und Trier tagten im November 1933 außerplanmäßig in Düsseldorf. Im Protokoll der Sitzung ist zu lesen, dass „Herr Dr. Eulen fernmündlich (…) gebeten (habe), von dieser Sitzung Abstand zu nehmen, da die Satzung, so wie sie sei, in Kraft treten solle und eine Debatte nicht zugelassen werden könne“.
Allerdings richteten sich die Proteste der Landes-, Bezirks- und Ortsverbände wohl in erster Linie gegen den zu erwartenden Machtverlust und nicht gegen die Politik des NS-Regimes an sich.
Kraft seines neuen Amtes und der neuen Satzung nahm Eulen sogleich Personalveränderungen vor: Anstelle der Landes- und Bezirksvorsitzenden wurden für das Reichsgebiet elf Gauführer bestimmt, Mitglieder im Bundesvorstand wurden ausgetauscht. So gehörten dem neuen „Bundesamt“ – wie der Bundesvorstand jetzt hieß – fortan der Reichsstatthalter von Sachsen, Martin Mutschmann, und Hitlers Bevollmächtigter für Kirchenfragen, der spätere Reichsbischof Ludwig Müller, an.
Weil der Volksbund nach dem Zweiten Weltkrieg seine Arbeit im Ausland zunächst nicht aufnehmen durfte, wurde er vielerorts von den Alliierten für die Gestaltung der heimischen Kriegerfriedhöfe herangezogen. Die Bundeszentrale wurde – analog zu Bonn - nach Kassel verlegt. In der neu gegründeten DDR war der Volksbund verboten.
1946 heißt es im Jahresbericht der Hamburger Senatskanzlei, dass „das Ansehen des Volksbundes in Hamburg stark durch seine viel zu enge Bindung in den letzten Jahren an die NSDAP gelitten hat “. Dennoch genehmigte die Militärregierung im gleichen Jahr die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit. Da die Arbeit „jenseits der deutschen Grenzen“ vorläufig noch verschlossen war, sollte sich der Volksbund „in die Betreuung der Ehrenstätten für die in der Heimat beerdigten Wehrmachtsangehörigen“ einsetzen und zur „würdigen Gestaltung der Deutschen Kriegerfriedhöfe in Ohlsdorf beitragen“ .
So trägt auch der Soldatenfriedhof in Hamburg-Ohlsdorf Gestaltungsmerkmale des Volksbundes, wie etwa die Dreier-Kreuzgruppen an den Gräberfeldern. In der Mitte der Anlage steht ein Rundbau, ein vergleichsweise bescheiden anmutendes Spätwerk Robert Tischlers.
1952 übertrug die Bundesregierung dem Volksbund die Kriegsgräberfürsorge für deutsche Kriegstote im Ausland. Es konnten Abkommen mit den entsprechenden westlichen Ländern geschlossen werden, die das dauerhafte Ruherecht der Kriegstoten sicherten.
Der Volksbund errichtete nach und nach zahlreiche Sammelfriedhöfe in ganz Europa und Nordafrika. Er organisierte regelmäßige Angehörigenreisen zu Einweihungsfeierlichkeiten und Gedenktagen.
In Hamburg setzte sich der Volksbund schon früh für die Jugendarbeit ein. In einer Ansprache vor Schüler*innen eines Gymnasiums 1954 warnte der damalige Vorsitzende vor Nationalismus und beschwor den ein Jahr zuvor im ersten internationalen Jugendlager auf einem Friedhof in Belgien geprägten Leitsatz „Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für den Frieden“.
1972, in der Zeit des Kalten Krieges, lud der Hamburger Volksbund Jugendliche aus Leningrad ein. Zum Besuchsprogramm gehörte auch der Bergedorfer Friedhof, auf dem mehr als 650 sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus dem KZ Neuengamme bestattet sind. Bis heute finden an diesen Kriegsgräbern Schulprojekte und im Frühjahr Pflegeaktionen statt.
Im Rahmen der Städtepartnerschaft Hamburg-St. Petersburg gibt es seit vielen Jahren gemeinsame Projekte, und oft sind es die von der Stadt geförderten binationalen Jugendbegegnungen des Volksbundes, die helfen, angespannte politische Situationen zu befrieden. Im Jahre 2000 wurde der größte deutsche Soldatenfriedhof des Volksbundes eingeweiht. Sologubowka bei St. Petersburg soll eines Tages etwa 80.000 Gräber beherbergen.
Nach dem Fall der Mauer und der Öffnung des Ostens konnte der Volksbund in den neuen Bundesländern seine Arbeit wieder aufnehmen. Waren das Auffinden der Kriegsgräber und die Errichtung der Friedhöfe im Westen lange abgeschlossen, so ruhten jetzt unvorhergesehen große Hoffnungen auf dem Volksbund. Millionen Deutsche hatten kaum Kenntnisse über den Verbleib ihrer gefallenen und vermissten Angehörigen. Es wurden jetzt wieder sogenannte „Umbetter“ eingestellt, nicht nur bei unseren östlichen Nachbarn. Im Landesverband Brandenburg etwa werden jährlich noch an die 300 Tote geborgen. Der Waldfriedhof Halbe ist einer der wenigen inländischen Friedhöfe in der Fürsorge des Volksbundes. Viele Gräber dort waren geplündert, so dass Erkennungsmarken und persönliche Utensilien fehlten und die oft sehr jungen Gefallenen namenlos blieben. Der Landesverband Brandenburg betreibt aufgrund der besonderen Situation in Halbe eine Gedenkstätte.
Die immens große und neue Aufgabe im Osten bindet seitdem enorme finanzielle und personelle Ressourcen des Volksbundes. Der Volksbund hat deshalb in der finanziellen Notlage gedroht, die Friedhöfe des Ersten Weltkrieges in die Obhut der Bundesregierung zu übergeben. Seitdem erhält er durch das Auswärtige Amt wieder Unterstützung, die Jahr für Jahr neu ausgehandelt werden muss. 70% „erwirtschaftet“ der Volksbund nach wie vor durch Beitragszahlungen und Spenden der Mitglieder und Förderer*innen und durch die Haus- und Straßensammlung der Bundeswehr und der Schulen. Waren die Mittel des Auswärtigen Amtes bisher nur für den Bau und die Pflege der Friedhöfe im Osten gedacht, so wird jetzt auch die Bildungsarbeit im Ausland finanziell unterstützt. Der Volksbund will nach und nach Friedhöfe im Ausland mit Informationstafeln versehen. Je weiter die Weltkriege zeitlich zurückliegen, desto weniger erklären sich die Kriegsgräber von selbst.
Über die Hintergründe der Kriege aufzuklären, war – in den verschiedenen Landesverbänden unterschiedlich ausgeprägt – ein Anliegen des Volksbundes seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Jugend-, Schul- und Bildungsreferent*innen wurden schrittweise eingestellt. Es sollte aber bis nach dem Jahr 2000 dauern, dass diese Bildungsaufgabe in der Satzung des Volksbundes verankert wurde.
Einer der Laudatoren bei der Verleihung des „Deutschen Nationalpreises 2016“ war Jan Philipp Reemtsma. Einst Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung und Initiator der emotional und kontrovers diskutierten „Wehrmachtsausstellung“, hätten damals wohl weder der Volksbund noch Reemtsma diese gegenseitige Respektsbekundung für möglich gehalten.
Von Hamburg aus erging im Jahr 2000 die Initiative zur Gründung des sogenannten Riga-Komitees. Unter der Leitung des Volksbundes schlossen sich Städte aus Deutschland und Österreich zusammen, aus denen 1941 und 1942 jüdische Mitbürger*innen nach Riga deportiert worden waren. Dem Komitee gehören heute 55 Städte und Gemeinden an. Der Volksbund errichtete in Riga eine Gedenkstätte für die ermordeten Juden und veröffentlichte 2003 mit dem „Buch der Erinnerung“ hierzu die Namen aller Deportierten.
An dem Bau einer Gedenkstätte in Trostenez bei Minsk, Belarus, die an das größte nationalsozialistische Massenvernichtungslager auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion erinnert, ist der Volksbund ebenfalls beteiligt.
Bis heute gibt es im Volksbund lebhafte und kontroverse Auseinandersetzungen. Es ist erfreulich, dass es 2017 gelungen ist, mit den Vorständen der 16 Bundesländer ein Leitbild zu entwickeln, dessen Inhalt jetzt alle Verantwortlichen mittragen. Ein wissenschaftlicher Beirat, 2002 vom ehemaligen niedersächsischen Kultusminister und langjährigem Vorsitzenden des Landesverbandes Niedersachsen, Rolf Wernstedt, ins Leben gerufen, gibt wichtige Impulse.
Der Volksbund hat sich über einen langen Zeitraum nicht entscheiden können, ob er sich ausschließlich der Gräberpflege widmet oder ob er Friedhöfe erforscht und als Lernorte etabliert. Es gibt eine beachtliche Anzahl von Veröffentlichungen zu Einzelaspekten des Volksbundes. Eine zusammenhängende „Geschichte des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ wird endlich zum 100jährigen Jubiläum des Volksbundes im Herbst 2019 publiziert werden.
Zitate stammen aus Archivalien des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., Landesgeschäftsstelle Hamburg, Bundesgeschäftsstelle Kassel und der Mitgliederzeitschrift „Kriegsgräberfürsorge“ 1921-1982. Vgl. auch O. Christ, „Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. – Zur Gründungsgeschichte des Vereins“, http://www.hamburg-18-19.de/journal/2018/der-volksbund-deutsche-kriegsgräberfürsorge-e-v.