Timo Leimbach zeichnet in seinem Buch auf knapp 130 Seiten die politische Entwicklung Thüringens von der Gründung des Landes bis zur Gleichschaltung der Länder 1933 nach.
Dabei ist für ihn der Umstand, dass sich Thüringen in einer Zeit politischer Ungewissheit und wirtschaftlicher Krisen erst aus Grafschaften und Kleinstaaten zu einem Verwaltungsgebiet formieren musste, ein wichtiger Grund, um die Thüringer Landespolitik der Weimarer Republik auch als Zeit demokratischer Leistungen zu sehen. So zeichnet er eingangs nach, wie sich aus acht Kleinstaaten ein Land Thüringen formierte. Noch kurz vor der Landesgründung am 1. Mai 1920 – ein Parlament bestand im Volksrat bereits – war der Demokratisierungsprozess durch den Kapp-Lüttwitz-Putsch und ihm folgende Unruhen im März 1920 massiv ins Wanken geraten. Mehrere Wochen hielten die Kämpfe an, bis die kurzzeitige Machtübernahme des Reiches sie beendete. Durch den Putsch, Gewalttaten und die Beteiligung deutschnationaler Volksratsmitglieder daran hatte sich der Graben zwischen Arbeiter*innenbewegung und Bürgertum weiter vertieft. Das Verhältnis der beiden Lager und die Arbeit der sie vertretenden Parteien in der „bis dahin einzige(n) auf demokratisch-parlamentarischem Wege zustande gekommene(n) Landesneugründung der deutschen Geschichte“ (S. 11) prägen Leimbachs Studie.
Nach einer Betrachtung der besonderen Thüringer Verfassungsform, mit einem vom Landtag gewählten Kabinett, in dem zudem jeder Teilstaat vertreten sein musste, widmet sich Leimbach dem Parteienspektrum. Hier unterscheidet er grob zwischen den bürgerlichen Weltanschauungsparteien (DDP, DVP, DNVP), Wirtschaftsinteressenparteien (WP, VRP, Thüringer Landbund), völkisch-nationalsozialistischen Strömungen (NSDAP, DVFP) und der Arbeiter*innenbewegung (USPD, MSPD, SPD, KPD)
Dass nach den ersten Parlamentswahlen eine Minderheitenregierung von MSPD und DDP bei Tolerierung der USPD das Land führte, mag als bezeichnend für die Spaltung der Lager und die künftig häufig wechselnden Regierungen und Koalitionen sein. Leimbach erzählt jedoch neben der Geschichte politischer Macht-und Grabenkämpfe stets die Geschichte des thüringischen Landesaufbaus. So habe der erste Landtag, in den nur knapp acht Monaten bis zum Rücktritt des Kabinetts, die Verfassung verabschiedet, Polizei- und Gerichtsstrukturen aufgebaut und die Regierungen der früheren Einzelstaaten umgebaut. So erkennt der Autor auch die Vorarbeiten zur finanziellen Stabilisierung des Landes durch den vierten Landtag 1927-1929 an, obwohl diese erst nach der Auflösung dieses besonders durch instabile Mehrheitsverhältnissen und einer Neuwahl geprägten Landtags umgesetzt wurden. Im Anschluss an die chronologische Kommentierung der Landesregierungen setzt sich Leimbach noch ausführlicher mit der Parallelität von Landesaufbau und schwierigen politischen Verhältnissen auseinander.
Dem ersten Landtag folgte 1921 eine MSPD-USPD-Regierung, die jedoch auf die Unterstützung der KPD angewiesen war. Leimbachs Deutung eines durchaus positiv zu bewertenden Reformprojektes stützt sich auf die kontinuierliche Entwicklung der Kommunalverwaltung und eines einheitlichen Bildungssystems. Es ist positiv hervorzuheben, dass der Autor somit nicht nur das Ende der Regierung mit der Intervention der Reichswehr aufgrund der Gründung einer Arbeiterregierung von SPD und KPD und drohenden kommunistischen Aufständen sieht.
Mit der darauffolgenden Auflösung des Parlaments setzt eine reaktionäre Wende ein. Die zusammengenommen, bereits in der Vergangenheit fast vergleichbar starken bürgerlichen und antisozialistischen Kräfte gewannen die folgenden Wahlen 1924 als Sammelliste „Thüringer Ordnungsbund“. Diese Liste vereinte neben dem Thüringer Landbund als Interessensvertretung der Bauern und der DDP auch die DVP und die DNVP. Insbesondere letztere fiel in den ersten Monaten mehrfach mit antisemitischer Hetze auf. Abgesehen davon, dass die Annäherung mit den Alliierten auf Reichsebene durch den DVP-Außenminister Gustav Stresemann von der DNVP bekämpft wurde, gab es innerhalb des Thüringer Kabinetts jedoch kaum Streitigkeiten.
Die darauffolgende Legislaturperiode stand zunächst vor der Herausforderung einer Regierungsbildung, da eine Vielzahl von Bündnissen von links bis bürgerlich-rechts möglich schienen. Erst nach drei Monaten formte sich ein Minderheitenkabinett aus DDP, DVP, Thüringer Landbund und Wirtschaftspartei des deutschen Mittelstandes (WP). Geprägt von Rücktritten, einer Neuwahl mit fast identischem Resultat und starker Neuverschuldung zerbrach die Koalition dann an einer – von den Nationalsozialisten forcierten – Erklärung zur Ablehnung des Young-Plans durch mehrere Regierungsparteien.
Die Neuwahlen 1930 führten dann zur ersten Regierungsbeteiligung der NSDAP im Deutschen Reich. Gleich zwei Minister konnten die Nationalsozialisten als drittstärkste Kraft in der gemeinsamen Regierung mit DVP, WP, DNVP und Landbund einnehmen.
Allerdings war die NSDAP damit noch nicht vollständig etabliert. Sie hoffte durch die Regierungsbeteiligung zwar einem erneuten Parteiverbot entgehen zu können, insbesondere die Wahl Wilhelm Fricks zum Innenminister war aufgrund seiner Beteiligung am Putsch von 1923 jedoch lange umstritten. Durch die Distanzierung der DVP von der NSDAP und ihrem Austritt aus der Koalition 1931, dem die DNVP folgte, schien eine erneute Landtagsauflösung nahe.
Das gebliebene Minderheitenbündnis aus Thüringer Landbund, WP und NSDAP bestand jedoch weiter, da andere Kräfte wie die SPD bei Neuwahlen noch größere Verluste befürchteten. Nachdem eine 1932 geschlossene Tolerierungsvereinbarung mit der SPD aus Sicht der Regierung nicht mehr aufrecht gehalten werden konnte, trat die Regierung zurück. Ohne eigene Mehrheit und somit im Bündnis mit dem Thüringer Landbund konnte die NSDAP im Juli 1932 mit Fritz Sauckel den Leitenden Staatsminister stellen. Bis zur Gleichschaltung und Anpassung an die Mehrheitsverhältnisse der Reichstagswahl distanzierte sich der Landbund zwar, verhinderte den eingeschlagenen Weg aber nicht mehr, während die Nationalsozialisten legal und illegal die Möglichkeiten der Opposition im Landtag zu beschränken.
Abschließend befasst sich Leimbach auch mit der Frage, warum der Thüringer Landtag in Forschung und Öffentlichkeit oftmals negativ betrachtet werde. Eine Antwort findet der Autor insbesondere in Zeitungsartikeln aus den Jahren vor 1933, die unerfüllbare Erwartungen noch weiter befeuerten, die Regierungen sowie den Parlamentarismus anzweifelten und zum Teil auch die Weiterexistenz Thüringens als eigenständiges Land in Frage stellten.
Leimbachs Studie hat zwei große Stärken. Sie betrachtet zum einen übersichtlich die politischen Entwicklungen und häufigen Veränderungen und Wirrungen. Durch die dichte Beschreibung ist es ihm gelungen, diese knapp und gut lesbar zu erfassen. Neben dieser Chronologie analysiert Leimbach aber auch den Aufbau des neu geschaffenen Landes Thüringen und bemerkt strukturelle Veränderungen. So beobachtet er etwa, dass aufgrund der wachsenden politischen Spaltung und Abnahme der parteiübergreifenden Parlamentsarbeit, die thüringische Landespolitik zunehmend mehr von Regierungsverordnungen anstatt von Gesetzen geprägt ist, da erstere ohne Mitspracherecht der Opposition ausgesprochen werden können.
Leimbach gelingt es zu zeigen, dass in der Thüringer Politik auch Positives vollbracht wurde und bei allen Schwierigkeiten, die Demokratie nicht zwangsläufig zum Scheitern verurteilt war.
Leimbach, Timo: Politik im Land Thüringen 1920-1933, Erfurt 2018. Die Publikation kann über die Landeszentrale für politische Bildung bezogen werden.