Im Jahr 2011 begab sich Heinz Ratz von der Gruppe „Strom und Wasser“, mit dem Fahrrad auf Konzerttour durch Deutschland. Mit seiner „1000 Brücken-Tour“ wollte er ein Zeichen gegen die Asylpolitik Deutschlands setzen und seine Solidarität mit den Geflüchtete ausdrücken. Im Zuge der Tour besuchte er achtzig Flüchtlingsheime in ganz Deutschland und lud die Bewohner_innen ein, an seinen Konzerten teilzunehmen. Schnell stellte sich heraus, dass sich unter den Flüchtlingen, die er traf, auch zahlreiche exzellente Musiker befanden. Einige waren in ihrer Heimat bekannte Künstler gewesen, so zum Beispiel der Rapper Hosain alias MC Trelos, geboren in Afghanistan und aufgewachsen im Iran, der in seiner Heimat aufgrund seiner politischen Texte Schwierigkeiten bekommen hatte und sich als Achtzehnjähriger alleine nach Deutschland aufgemacht hatte.
In der zermürbenden Situation der Heime und der Asylverfahren hatten die Musiker, die Ratz traf, jedoch oft keine Möglichkeit, Musik zu machen und sie weiterzugeben. Nach seiner Tour entschied sich der Musiker deshalb dazu, mit seiner Band „Strom und Wasser“ und den Flüchtlingen ein gemeinsames Projekt – Strom und Wasser feat. The Refugees – ins Leben zu rufen. Ziel sollte es sein, die Musiker durch Konzertreisen, Proben und Aufnahmen aus ihrer durch die Residenzpflicht und andere Auflagen verursachten Isolation herauszuholen und ihnen dabei auf politischer und gesellschaftlicher Ebene Gehör zu verschaffen.
Der Band, die sich daraufhin gründete, gehören neben „Strom und Wasser“ noch fünf weitere Musiker, Nuri, Jaques, Hosain, Sam und Revelino, an. Bereits im Frühjahr 2012, wenige Monate nach der Initiierung des Projektes, veröffentlichten die Musiker eine erste gemeinsame CD und im Sommer darauf folgte eine große Konzerttour durch Deutschland. Mit ihren Liedern und durch den Austausch vor, während und nach den Konzerten wollten sie sowohl auf das große Ganze – die deutsche Asylpolitik – als auch auf die individuellen, leidvollen und desillusionierenden Geschichten aufmerksam machen, die hinter den Auswirkungen dieser Politik stehen.
Während der Reise wurde die Band begleitet von der Journalistin und Regisseurin Julia Oelkers, die das Material anschließend zu einem Dokumentarfilm verarbeitete. Der Titel des Films, Can't be silent, sagt aus, was Ratz und die anderen Musiker miteinander verbindet: Der Wille und der Drang, nicht länger still zu sein. Der Film, der Konzertsequenzen und Reiseetappen mit Einzelinterviews, Diskussionen und Besuchen in den Heimen, in denen die einzelnen Musiker wohnen, verbindet, bietet zahlreiche Möglichkeiten, das Thema Flucht und Asyl in den Unterricht zu integrieren. Ein ausführliches, vom „Institut für Kino und Filmkultur“ erarbeitetes und herausgegebenes Curriculum zum Film, fasst mögliche Ansätze und Konzepte zur Implementierung des Filmes in den Unterricht auf Grundlage der Lehrpläne in verschiedenen Fächern zusammen. Die Broschüre, die auf der Website des Films kostenlos heruntergeladen werden kann, bietet thematische und ästhetische Anknüpfungspunkte, Hintergrundinformationen, weiterführende Texte und eine ausführliche Linksammlung, die eine Behandlung des Films in den Fächern Sozialkunde/Gemeinschaftskunde, Religion, Ethik und Musik sowie in der Erwachsenenbildung ermöglichen.
Neben der Möglichkeit, „Can't be silent“ intern im Unterricht zu zeigen und zu besprechen, haben Lehrer_innen und Schüler_innen außerdem die Möglichkeit, eine Gruppenvorführung in einem öffentlichen Kino zu organisieren. Darüber hinaus ist der Film Bestandteil der Schulkinowochen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen.
In Zeiten, in denen Klischees, Vorurteile und Pauschalisierungen gegenüber Flüchtlingen in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung oft Überhand nehmen, bietet „Can't be silent“ eine gute Möglichkeit, um dagegen anzusteuern. Der Film zeigt auf bewegende Weise, dass jeder Flüchtling eine individuelle Geschichte, ganz eigene Wünsche, Ängste und Hoffnungen hat. Es geht nicht um „die Flüchtlinge“ sondern um eine Gruppe von Menschen, deren individuelle Gedanken und Gefühle in der Musik Ausdruck finden, und die doch für Viele sprechen. Einziger Wermutstropfen: In der Band befindet sich keine einzige Musikerin. Da weder im Film noch auf der Website darauf eingegangen wird, weshalb es sich bei „Strom und Wasser feat. The Refugees“ um eine rein männliche Band handelt, lässt sich über die Ursachen nur spekulieren. Es scheint jedoch recht unwahrscheinlich, dass sich unter den tausenden Flüchtlingen in den deutschen Heimen nicht auch exzellente Musikerinnen befinden. Ob diese sich jedoch im Kontext eines solchen Projektes zu Erkennen gegeben hätten oder haben, bleibt zu bezweifeln, bedarf es dafür doch eines gewissen Mutes und ausreichend Selbstbewusstseins. Eine Behandlung des Filmes im Unterricht würde sich dementsprechend auch dafür eignen, um über das Vorhandensein und die Fortführung patriarchaler Strukturen, u.a. in der Musik, zu diskutieren.
Can't Be Silent - On Tour with The Refugees (Deutschland 2013)
Regie: Julia Oelkers.
Länge: 86:04 min (dt./engl./fr. Untertitel)
DVDs für den Einsatz im Bildungsbereich können auf der Website der FWU (Medieninstitut der Länder) bestellt werden.