Im Dezember 1936 schrieb der britische Schriftsteller Christopher Caudwell von Barcelona aus nach Hause: „An fast jedem Gebäude gibt es Plakate von Parteien: Plakate gegen Faschismus, Plakate zur Verteidigung von Madrid, Poster zur Rekrutierung für die Milizen … und sogar Plakate für die Emanzipation der Frauen … .“ (Übersetzung G.-J. S.) Und augenblicklich nachdem Sevilla von den faschistischen Aufständischen eingenommen worden war, hingen in der ganzen Stadt die Porträts der beiden führenden Generäle Queipo de Llano und Franco.
In den Jahren 1936 bis 1939 behandelten zwischen 1.500 und 2.000 republikanische, also die demokratische Volksfront („Frente Popular“) unterstützende, Plakatmotive in einer durchschnittlichen Auflage von jeweils 3.000 bis 5.000 Exemplaren die drängendsten Fragen jener Zeit in Spanien. Viele Motive wurden zudem in der Presse abgedruckt oder für Postkarten verwendet. Unter den Künstlerinnen und Künstlern waren Amateure, aber auch nicht wenige der damals wichtigen bildenden Künstler/-innen Spaniens, wie z.B. Rodriguez Luna und Juan Antonio Morales.
Der Spanische Bürgerkrieg war nicht nur ein gewaltsamer Konflikt zwischen zwei politischen Lagern, die ihre jeweilige Propaganda in die Straßen klebten. Vor seinem Hintergrund spielte sich auch eine soziale Revolution ab, getragen insbesondere von anarchistischen und linkssozialistischen Gruppen aus dem republikanischen Bündnis. Die neue Realität sollte von einer neuen, selbst politisch wirksamen Kunst leben, und kein elitäres Amüsement sein. Einflüsse vom Kubismus bis zum Surrealismus drückten das Selbstverständnis aus, einer gesellschaftlichen Avantgarde anzugehören.
Eine repräsentative Auswahl von 42 Werken aus dem republikanischen Spektrum zeigt die kleine Herbert A. Southworth Sammlung der Bibliothek der University of California San Diego. Weil diese Quellensammlung auch online zugänglich ist (neben einem Katalog und einer Ausstellung), bietet sie Anregungen für das historische Lernen. So dokumentieren einige Plakate den ereignisgeschichtlichen Verlauf des Aufstiegs und schnellen Niedergangs der ersten spanischen Demokratie.
Spezifischer kann die Geschichte von sozialen Bewegungen als eine äußerst heterogene deutlich werden; ihre inneren Konfliktlinien zwischen radikaler Demokratie und repressivem Stalinismus treten hervor. Schon der künstlerische Produktionsprozess zeigt dies: Im anarchistischen Barcelona von 1936 produzierten die Künstler/-innen ohne jegliche Vorgabe und institutionelle Einflussnahme. Und die anarcho-syndikalistische Gewerkschaft CNT sah die grundsätzliche Chance, Privateigentum und Bürokratie abzuschaffen und warb für die direkte Wahl von Delegierten. Dagegen forderte die Moskau-treue Kommunistische Partei Spaniens (PCE): „Erst der Krieg, dann die Revolution.“ Im Kontrast ließen sich anhand der Motive von faschistischen Propagandabildern ideologische Merkmale wie der Führerkult sammeln und analysieren. Auf einer weiteren Ebene kann der Zusammenhang von modernen Medientechniken (wie die Fotomontage), Massenkommunikation („Das Radio bringt die Kultur den Arbeitenden nach Hause!“ (Übers. G.-J. S.) und politischer Propaganda diskutiert werden.