Die Ebroschlacht, die als letzte große Offensive der Republikaner im Kampf gegen die franquistischen Truppen in die Geschichte eingegangen ist, dauerte mehr als dreieinhalb Monate, vom 25. Juli bis zum 16. November 1938. Es war der verzweifelte Versuch der republikanischen Kräfte, den Vormarsch der Nationalisten auf die am Mittelmeer gelegene Stadt Valencia zu stoppen und damit eine Teilung der iberischen Halbinsel und die Trennung der republikanischen Truppen im Süden von jenen im Norden zu verhindern. Die Schlacht, in deren Verlauf mehrere Zehntausend Kämpferinnen und Kämpfer beider Seiten ihr Leben ließen, sollte außerdem der Stärkung der Moral dienen, da sie – sowohl von Republikanern als auch von Franquisten – als kriegsentscheidend angesehen wurde. Dementsprechend gingen die republikanischen Truppen, die in der Schlacht Seite an Seite mit den Internationalen Brigaden versucht hatten, ihre Stellungen zu halten, aus den verlustreichen Kämpfen geschwächt und moralisch gebrochen hervor. Es war nun nur noch eine Frage der Zeit, bis der Bürgerkrieg durch den Sieg der Truppen General Francos beendet werden würde.
Das Gebiet der damaligen Schlacht befindet sich in der spanischen Region Katalonien in der Provinz Tarragona und erstreckt sich über die beiden Landkreise Terra Alta und Ribera d'Ebre. Im Jahr 2001 gründete sich dort eine Erinnerungsgemeinschaft, die „Consorci Memorial dels Espais de la Batalla de l'Ebre“ (COMEBE), der zahlreiche Gemeinderäte der umliegenden Dörfer und Städte beitraten, und die in den ersten Jahren ihres Bestehens ein umfangreiches Gedenkkonzept für die Region erarbeitete. Der Gedenkstättenkomplex, der schließlich geplant und bis 2010 sukzessive realisiert wurde, setzt sich aus verschiedenen Orten sowie thematischen und methodischen Zugängen zusammen. Neben den sogenannten „Centres d'Interpretació“, in denen Dauer- und wechselnde Sonderausstellungen einen Einblick in Ursachen, Verlauf und Folgen der Schlacht geben, führen verschiedene „Espais Històrics“ die Besucher/innen an die historischen Orte der Schlacht und ein „Memorial de les Camposines“, ein Kriegerdenkmal, ermöglicht, der Toten zu gedenken. Das sich über mehrere Gemeinden erstreckende Ensemble, das im Rahmen mehrerer unterschiedlicher Routen selbstständig erschlossen werden kann, bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten des individuellen Gedenkens.
Nach dem Ende des Bürgerkriegs in Spanien gestaltete sich das öffentliche Erinnern an das Geschehene und das Gedenken an die Opfer äußerst schwierig. Anders als in Deutschland, wo das Ende des Zweiten Weltkriegs einen politischen und moralischen Neuanfang zumindest formell möglich machte, bestanden in Spanien sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene die Konfliktlinien fort, die sich vor und während des Bürgerkriegs herausgebildet hatten. Wenngleich sich bereits im spanischen Bürgerkrieg erstmals die globale ideologische Polarisierung gewaltvoll entlud, und die Kämpfe auf dem Boden und in der Luft zu einem Experimentierfeld wurden, unter anderem für das nationalsozialistische Deutschland, so handelte es sich jedoch in erster Linie um einen landesinternen Konflikt ohne einen externen Feind. Auf den Bürgerkrieg, der die Gesellschaft nachhaltig in zwei Lager spaltete, folgte eine bis zu dessen Tod 1975 andauernde Diktatur General Francos, in der die Verlierer anhaltenden Repressionen ausgesetzt waren und in der die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Entwicklung einer kollektiven Erinnerung nicht gegeben waren.
In ihrer Arbeit „Spanische Erinnerungskultur. Die Assmann'sche Theorie des kulturellen Gedächtnisses und der Bürgerkrieg 1936-1939.“ setzt sich Birgit Sondergeld ausführlich mit der Bedeutung und Entwicklung von Gedenkkonzepten im Post-Bürgerkriegsspanien und der spanischen Erinnerungskultur im Allgemeinen auseinander. Im Rahmen ihrer systematisch-qualitativen Analyse untersucht sie kollektive Erinnerungsprozesse in Spanien am Beispiel der „Espais de la Batalla de l'Ebre“ und versucht dabei herauszuarbeiten, inwiefern das von Aleida und Jan Assmann entwickelte systematische und begrifflich differenzierende Konzept des kollektiven Erinnerns auch auf das Erinnerungsfeld des Bürgerkriegs übertragbar ist.
Zunächst gibt Sondergeld jedoch einen ausführlichen Ein- und Überblick über jene Theorien, die die Assmanns in der Entwicklung ihres Konzeptes nennenswert beeinflussten. Neben Maurice Halbwachs, der in den 1920er Jahren erstmals den sozialen Aspekt als unbedingte Komponente der Erinnerung herausarbeitete und damit die Grundlage für die Assmann'schen Theorien schuf, findet sich im Band auch eine Einführung in die Theorien des Kunsthistorikers Aby Warburg, der die Bedeutung des sozialen Gedächtnisses mit der Methode der späteren Ikonologie begründete. Weiterhin wird der Geschichtswissenschaftler Pierre Nora vorgestellt, der in den 1980er Jahren an die Ideen Halbwachs' anknüpfte und dem sozialen Aspekt des Gedächtnisses schließlich noch die Dichotomisierung von Gedächtnis und Geschichte hinzufügte.
Nach der theoretischen und methodologischen Hinführung entlang der Ideen Halbwachs', Warburgs und Noras, nimmt die Autorin eine ausführliche Beschreibung der Theorie des kollektiven Gedächtnisses von Aleida und Jan Assmann vor. Dabei geht sie sowohl auf die Grundstrukturen des Gedächtnisses – hier unterteilt in kommunikatives und kulturelles Gedächtnis sowie die Totenmemoria –, als auch auf verschiedene spezifische Gedächtnisstrategien ein. Das dadurch entwickelte allgemein-definitorische Grundgerüst nutzt Sondergeld dann, um eine detaillierte Analyse der spanischen Gedenkkultur in den einzelnen Epochen nach Ende des Bürgerkriegs vorzunehmen und schließlich den Gedenkstättenkomplex „Espais de la Batalla de l'Ebre“ gesondert ins Auge zu fassen. Dabei dienen der Autorin vier Leitfragen dazu, die einzelnen Aspekte des Assmann'schen Konzepts mit Blick auf das spanische Gedenkensemble durchzuarbeiten:
Welches Kollektiv erinnert der „Espais de la Batalla de l'Ebre“
Warum ist der Gedenkstättenkomplex entstanden?
Warum ist er gerade jetzt entstanden?
Warum ist er in dieser Form entstanden?
Wie Sondergeld selbst im Fazit feststellt, lässt sich die Theorie des kulturellen Gedächtnisses von Jan und Aleida Assmann, dessen Grundlage zum Teil die Form der Erinnerung an den Holocaust in Deutschland bildete, allerdings nur bedingt auch für das spanische Beispiel anwenden. Gerade das Fehlen einer homogenen Erinnerungen einer Gesellschaft an eine gemeinsame Vergangenheit, von den Assmanns als „nationales Gedächtnis“ bezeichnet, stellte und stellt sich im nach wie vor geschichtspolitisch und erinnerungskulturell gespaltenen Spanien als schwierig heraus. Dennoch lassen sich zahlreiche Thesen und Überlegungen, die dem Assmann'schen Konzept zugrunde liegen, auf das Beispiel Spaniens und die „Espais de la Batalla de L'Ebre“ übertragen.
Insgesamt bietet der Band Sondergelds einen interessanten Einblick, sowohl in die Entstehung und Entwicklung der spanischen Erinnerungskultur, als auch in die verschiedenen, kultur-, kunst- und geschichtswissenschaftlichen Definitionen von Gedächtnis, Gedenken und Geschichte.