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Die Zwangsarbeit von über 20 Millionen Menschen ist das wohl zahlenmäßig größte Massenverbrechen der Zeit des Nationalsozialismus. Das Schicksal der Zwangsarbeit konnte alle Bevölkerungsschichten in den besetzten Gebieten wie im Deutschen Reich treffen. Zeitweilig waren bis zu einem Drittel aller im Deutschen Reich Arbeitenden hierher zwangsweise deportiert worden. Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern waren im Stadtbild sichtbar. Und doch stieß ihr Schicksal und das Thema der nationalsozialistischen Zwangsarbeit, verglichen mit anderen NS-Verbrechen, in der Öffentlichkeit auf weniger Resonanz. Warum war oder ist das so und welche Schlussfolgerungen sollten wir, auch im Hinblick auf die historisch-politische Bildung, daraus ziehen?
Mit dem nahenden Kriegsende befand sich das System der Zwangsarbeit in Auflösung. Die Arbeit kam zum Erliegen, die Bewachung und Inhaftierung wurde in vielen Fällen eingestellt. Und mit dem Eintreffen der Alliierten wurden aus den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern „Displaced Persons“. Sie wurden in der Folge eine ordnungspolitische Herausforderung vor allem für die UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration), deren Aufgabe es war, die Rückführung in die Heimatländer bzw. die Betreuung der DP´s zu übernehmen.
Zurück in ihren Heimatländern, stieß ihr Schicksal, so sie es denn preisgaben, in vielen Ländern auf Skepsis und Misstrauen. In der Sowjetunion standen sie unter dem Generalverdacht der Kollaboration und auch in westlichen Ländern waren Patriotismus und Widerstand das dominierende Narrativ. Hinzu kam, dass die von der Zwangsarbeit Zurückkehrenden in der Regel jünger waren, als politisch oder aus rassischen Gründen Verfolgte. Für viele lag es näher, eine unterbrochene Ausbildung zu absolvieren, und eine neue Existenz aufzubauen und Familie zu gründen. Anders als politisch Verfolgte verfügten sie nicht über politische Erfahrung. Es fehlten folglich Opfervertreter/innen, die sich für die Interessen und Entschädigungsforderungen ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter einsetzten.
Die amerikanische Militärverwaltung erließ 1949 ein Entschädigungsgesetz, das diejenigen Opfer berücksichtigt, die wegen politischer Gegnerschaft zum NS-Regime, wegen ihrer „Rasse“ oder ihres Glaubens verfolgt worden waren. Die Kriterien wurden zudem an Wohnsitzklauseln geknüpft. Unberücksichtigt blieben diejenigen, die als Kriegsgefangene oder Zivilisten Zwangsarbeit leisten mussten. Es wurde davon ausgegangen, dass diese Personenkreise im Rahmen späterer Reparationsverhandlungen berücksichtigt würden.
Im Londoner Schuldenabkommen im Februar 1953 wurde dann aber in Artikel 5, Abs. 2 festgehalten, dass „eine Prüfung der aus dem Zweiten Weltkriege herrührenden Forderungen von Staaten, die sich mit Deutschland im Kriegszustand befanden oder deren Gebiet von Deutschland besetzt war, und von Staatsangehörigen dieser Staaten gegen das Reich und im Auftrage des Reichs handelnde Stellen oder Personen … bis zur endgültigen Regelung der Reparationsfrage zurückgestellt“ wird. Die Bundesregierung legte diesen Absatz so aus, dass die Begleichung individueller Forderungen erst nach einem Friedensabkommen erfolgen sollte. Sie vertrat überdies die Auffassung, dass der kriegsbedingte Einsatz von Einwohnern besetzter Gebiete und von Kriegsgefangenen eine kriegsbedingte Begleiterscheinung sei und kein NS-typisches Unrecht.
Das im gleichen Jahr verabschiedete Bundesentschädigungsgesetz (BEG) schloss gleichfalls durch die Definition der Verfolgungsgründe und Wohnsitzbestimmungen die Ansprüche ehemaliger Zwangsarbeiter insbesondere aus Osteuropa aus. Anerkannte NS-Verfolgte, die in Konzentrationslagern, Ghettos und Gefängnissen zur Arbeit gezwungen worden waren, erhielten keine Entschädigung für die geleistete Arbeit, sondern für die Inhaftierung und etwaige Gesundheitsschäden.
Im Jahr 1950 bereits hatte Norbert Wollheim die Firma IG Farben auf Auszahlung des vorenthaltenen Lohnes als jüdischer KZ-Häftling bei den Buna-Werken in Auschwitz verklagt. Wollheim bekam 1953 Recht und 10.000 DM zugesprochen. Nachdem die IG Farben Widerspruch eingelegt hatte, endete das Verfahren schließlich 1955 mit einem Vergleich, indem sich die IG Farben verpflichtete, 30 Millionen DM an Überlebende der IG Farben Auschwitz zu zahlen. Drei Millionen DM sollten für nichtjüdische Häftlinge bestimmt sein. Einzelpersonen sollten bis zu 5.000 DM erhalten.
Wie auch in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wurde als Zwangsarbeit die „Sklavenarbeit“ von in erster Linie KZ-Häftlingen für die Industrie definiert. Industrievertreter lehnten in diesem Zusammenhang die juristische Verantwortung ab, indem sie sich auf den Befehlsnotstand beriefen. Die Unternehmen seien zur Einstellung von Zwangsarbeitern gezwungen worden und die Bewachung sei durch die SS erfolgt.
Die Interpretation, welcher Aspekt der NS-Zwangsarbeit entschädigungsrelevant war, unterschied sich je nach Standpunkt der verschiedenen Kläger und Opfervertreter. Während im Wollheim-Prozess die Entschädigung von Zwangsarbeit als der Zahlung entgangenen Lohns definiert wurde, bezifferten die beteiligten Staaten auf der Reparationskonferenz 1946 in Paris Zwangsarbeit als volkswirtschaftlichen Verlust der, der kollektiv entschädigt werden sollte. Staatenlose wiederum betonten den Unrechtscharakter der Zwangsarbeit und widersprachen der These der Zwangsarbeit als „normaler“ Begleiterscheinung des Krieges, mit dem Ziel der Einbeziehung ihrer Ansprüche in die Regelungen des Bundesentschädigungsgesetztes. Politisch Verfolgte verorteten die Zwangsarbeit als Ausdruck ungerechter Verhältnisse des Kapitalismus, denen mit der Enteignung der Industrie Rechnung zu tragen sei. Entsprechend wurden in der sowjetischen Besatzungszone Verstaatlichungen legitimiert.
In den 50er bis 70er Jahren folgten insgesamt elf bilaterale Verträge der Bundesrepublik mit westeuropäischen Staaten und Israel, die die Grundlage für zwischenstaatlichen Beziehungen und die Westintegration der Bundesrepublik schufen. Darin wurden einmalige Zahlungen vereinbart, die in den Ländern grundsätzlich orientiert an den Schadenskategorien des BEG verteilt werden sollten. Mit vier osteuropäischen Staaten wurden in dieser Zeit Vereinbarungen geschlossen, um Opfer pseudomedizinischer Versuche zu entschädigen. Die Sowjetunion hatte nach dem 17. Juni 1953 auf weitere Reparationen verzichtet. Die DDR sah sich nicht in der Rechtsnachfolge des Deutschen Reiches und lehnte entsprechend etwaige Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter ab. Eine Entschädigung insbesondere der osteuropäischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter war damit lange Zeit ausgeschlossen.
Sowohl auf Seiten der Bundesregierung als auch der Industrie war man bemüht, das Londoner Schuldenabkommen nicht in Frage zu stellen und Präzedenzfälle zu vermeiden. Entsprechend wurden Globalzahlungen Deutschlands an die oben genannten Staaten als freiwillige humanitäre Leistung definiert und statt Gerichtsurteilen außergerichtliche Vergleiche geschlossen. Die Verhandlungen fanden in der Öffentlichkeit nur wenig Resonanz.
Ende der 1960er Jahre traten christliche Initiativen wie Aktion Sühnezeichen Friedensdienste mit der Forderung auf den Plan, die Hilfe für NS-Opfer auch auf osteuropäische Staaten, insbesondere Polen auszuweiten. In den 1970er Jahren im Rahmen der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zur NS-Geschichte wurde die NS-Zwangsarbeit in diesen Diskurs einbezogen. Mit der neuen Ostpolitik wurden erneut Ansprüche an die Bundesregierung gestellt. Nach Abschluss der Warschauer Verträge stellte die polnische Regierung Ansprüche u.a. für ehemalige Häftlinge von Konzentrationslagern und ehemalige Zwangsarbeiter. Während für ehemalige KZ-Häftlinge Entschädigungen und Renten für Hinterbliebene gefordert werden, wurde für Zwangsarbeiter nur eine Kollektiverstattung einbehaltener Sozialversicherungsbeiträge erwartet. Es ging darum, den polnischen Opferverband der KZ- und Lagerhäftlinge für eine Annäherung zwischen Polen und Deutschland zu gewinnen. Letztlich einigte man sich auf die Zahlung eines Betrages von 1,3 Milliarden DM und einen zinsgünstigen Kredit. Von Individualzahlungen war beidseitig zu dieser Zeit keine Rede mehr. Ehemalige KZ-Häftlinge erhielten in der Folge höhere Altersbezüge, ohne zu wissen, woher das Geld stammte. Bei der Abstimmung im Bundestag über das entsprechende Gesetz argumentierte der Bundestagsabgeordnete Olaf Sund aber, dass das Abkommen berechtigte Ansprüche von Millionen Zwangsverschleppten betreffe, denen man von ihren Arbeitslöhnen ihre Sozialversicherungen abgezogen habe.
Der 1979 in Deutschland ausgestrahlte Film „Holocaust“ thematisierte auch die KZ-Zwangsarbeit, rückte aber vor allem das Schicksal der NS-Verfolgten und ihre Vernichtung in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Gleichzeitig entspann sich auch eine Diskussion um die Frage der Entschädigung bisher unberücksichtigter Opfergruppen. Es erschienen erste Monografien, die sich mit der Zwangsarbeit auseinandersetzten. Das Buch „Less than slaves“ (1979) von Benjamin Ferenc zur Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen bei deutschen Großunternehmen war einer der Auslöser der öffentlichen Auseinandersetzung. Das Standardwerk von Ulrich Herbert, „Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches“ (1985) bildete lange Zeit die Grundlage für weitere Diskussionen und Forschungen.
Zu Beginn der 1980er Jahre nahm die gesellschaftliche Debatte um die Verantwortung für die NS-Vergangenheit weiter zu. Zum 40. Jahrestag des Kriegsendes wurde ein Gesetzentwurf der Grünen zur Entschädigung NS-Verfolgter, insbesondere der bislang „Vergessenen Opfer“, in den Bundestag eingebracht. Als Anfang 1986 bekannt wurde, dass eine Gruppe ehemaliger Zwangsarbeiter des Flick-Konzerns eine Entschädigung erhalten sollten, gehörten neben Sinti und Roma, Zwangssterilisierten, Homosexuellen und als „asozial“ Verfolgten auch die Zwangsarbeiter zur Gruppe der zu entschädigenden Vergessenen Opfer. Bereits früher hatten einige deutsche Großunternehmen Entschädigungszahlungen an Zwangsarbeiter ihrer Betriebe gezahlt, ohne dass dies große öffentliche Resonanz hervorgerufen hatte.
Mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag und der deutschen Wiedervereinigung wurden die Reparationsfrage des Londoner Schuldenabkommens und individuelle Entschädigungsansprüche wieder relevant. Um diese zu regeln und individuelle Ansprüche zu vermeiden, wurden mit Polen und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion bis 1998 Verträge analog zu den Globalabkommen mit westeuropäischen Staaten geschlossen. In Russland, Belarus, Polen, Tschechien und der Ukraine wurden sog. Versöhnungsstiftungen eingerichtet, die die Zahlungen an NS-Opfer übernehmen sollten. Die Frage nach weiteren Entschädigungsforderungen stand danach nicht zur Debatte.
In der Folge des sog. Schweizer Bankenskandals wurden ab 1996 Sammelklagen vor amerikanischen Gerichten gegen deutsche Banken, Versicherungen und Industrieunternehmen eingereicht, in denen entgangene Lohnzahlungen, entwendetes Eigentum und andere Ansprüche geltend gemacht wurden. Neben den zunächst eingereichten Anträgen jüdischer KZ-Opfer wurde aufgrund der den vielen Klagen osteuropäischer ehemaliger Zwangsarbeiter der Tatbestand der Zwangsarbeit ein zentrales Element. Die deutschen Unternehmen befürchteten einen massiven Imageverlust und in der Folge wirtschaftlichen Schaden in den USA und waren auf Rechtssicherheit bedacht. Voraussetzung dafür waren nach Ansicht der US-Regierung vorherige individuelle Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter. Das Ergebnis der Verhandlungen, das im Deutsch-Amerikanischen Abkommen festgehalten wurde, sah vor, dass „freiwillige humanitäre Leistungen“ gezahlt an verschiedene Opfergruppen entsprechend des Schweregrades gezahlt werden sollten. Mit dieser Formulierung blieben die bisherigen deutschen Rechtspositionen bestehen. Anstelle der Forderung nach entgangenem Lohn trat jetzt die Betonung des erlittenen Leids verbunden mit der Anerkennung des begangenen Unrechts. Die Deutsche Wirtschaft und der Staat sollten zu gleichen Teilen in einem Stiftungsfonds in Höhe von 10 Mrd. DM einzahlen. Die Empfänger der Leistung mussten sich verpflichten, auf weitere Ansprüche zu verzichten.
Kriegsgefangene blieben von dieser Regelung ausgeschlossen. Dass dies neben sowjetischen Kriegsgefangenen auch die sogenannten Italienischen Militärinternierten betraf, wurde durch ein vom Bundesfinanzministerium bestelltes Gutachten entschieden. Dieses Gutachten wurde bereits nach seiner Veröffentlichung u.a. von Ulrich Herbert scharf kritisiert. Die Tatsache, dass insbesondere diese beiden Opfergruppen nicht die Auszahlungen einbezogen wurden, führt bis zum heutigen Tag zu Auseinandersetzungen und Forderungen.
Im August 2000 trat das Gesetz zur Errichtung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ in Kraft. Bis Ende 2006 wurden zusammen mit den Versöhnungsstiftungen, der Jewish Claims Conference und der International Organisation for Migration an über 1,66 Millionen Menschen 4,4 Milliarden Euro ausgezahlt.
Anders als bei früheren Entschädigungsfragen waren das öffentliche Interesse und die Präsenz des Themas Zwangsarbeitsentschädigung in der Presse enorm hoch. Die mediale Aufmerksamkeit verstärkte sich ab 1997 sprunghaft und ebbte erst im Jahr 2002 wieder ab. Wissenschaftliche Publikationen, Regional- und Lokalforschung zur Zwangsarbeit nahmen bereits ab Mitte der 1990er Jahre stark zu. Dazu zählten auch zahlreiche Forschungsvorhaben zur Geschichte verschiedener Großunternehmen. Erst nach dem Ende der Auszahlungen 2006 gingen die Zahlen der Publikationen zurück, blieben aber auf einem hohen Niveau. Wir müssen konstatieren, dass das öffentliche Interesse für das Thema schon vor Beginn der Sammelklagen relevant war. In vielen lokalen Initiativen wurde Lokalforschung betrieben. Als beispielsweise 1993 in Berlin-Schöneweide festgestellt wurde, dass dort ein nahezu vollständig erhaltenes Zwangsarbeiterlager existierte, führte bürgerschaftliches Engagement hat, dass hier heute ein zentraler Gedenk- und Dokumentationsort zur Zwangsarbeit steht. Es ist vielen Initiativen zu verdanken, dass zahlreiche Orte und Dokumente gesichert wurden. Durch die Verhandlungen und Auszahlungen aber wurde die Relevanz der Forschung auch für den Auszahlungsprozess selbst akut. Die eingehenden Anträge warfen historische Fragen auf, lieferten aber auch Daten und Dokumente. Gleichzeitig wurden unterschiedlichste Archive mit dem Thema konfrontiert und schlossen sich zu einem Archivverbund zusammen.
Der Deutsche Städtetag rief seine Mitglieder im Jahr 2000 dazu auf, auf eigene Initiative Entschädigungen an die in ihren Städten eingesetzten Zwangsarbeiter zu zahlen. Daraus entstanden in vielen Städten zusätzlich Begegnungsprogramme, die Schulen und Vereine aktivierten. Es sind wissenschaftliche Netzwerke wie die Mailingliste NS-Zwangsarbeit entstanden, die bis heute aktiv sind.
In der jüngst erschienenen Monografie von Henning Borggräfe „Zwangsarbeiterentschädigung“ konstatiert der Autor eine noch viel tiefer gehende Konsequenz. Er zitiert die Rede des Bundespräsidenten Köhler anlässlich des 60. Jahrestags des Kriegsendes. In der Rede gedachte das Staatsoberhaupt der „Millionen, die zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt wurden“. Darin heißt es: „Unsere ganze Geschichte bestimmt die Identität unserer Nation. Wer einen Teil davon verdrängen will, der versündigt sich an Deutschland.“ Er stellt fest, dass die Zwangsarbeiterentschädigung zu einem identitätsstiftendenden Teil des gemeinsamen Selbstverständnisses des wiedervereinigten Deutschlands geworden ist. Oder wie es im Untertitel des Buches heißt: „Vom Streit um `vergessene Opfer` zur Selbstaussöhnung der Deutschen“.
Wir können festhalten, dass in den letzten zwanzig Jahren zahllose Initiativen, Forschungen und Publikationen in Deutschland einen breiten Kenntnisstand zum Thema Zwangsarbeit hervorgebracht haben. Damit einhergehend wurde die Definition, was wir unter NS-Zwangsarbeit verstehen, breiter, aber auch ungreifbarer. War in den Jahren nach dem Krieg Zwangsarbeit gleichbedeutend mit dem Einsatz von jüdischen KZ-Häftlingen in der Industrieproduktion im Deutschen Reich, werden heute alle Formen der Zwangsarbeit, sei es in der Landwirtschaft, in öffentlichen Betrieben, bei den Kirchen oder in Privathaushalten, aber auch die Zwangsarbeit in den damals besetzten Gebieten, in die Definition mit einbezogen. Die Komplexität erschwert die Vermittlung des Themas in der Öffentlichkeit. Es bietet aber gleichzeitig die Möglichkeit, in der politischen Bildungsarbeit Recherchen vor Ort zu betreiben und Zeitzeugen in der eigenen Gemeinde, unter Nachbarn oder der Familie zu finden. Die Tatsache, dass die Historiografie zur NS-Zwangsarbeit noch nicht so festgeschrieben ist wie zu anderen nationalsozialistischen Verbrechen, bietet gleichzeitig die Möglichkeit einer offeneren Herangehensweise beispielsweise in der historisch-politischen Jugendbildung. Mit dem digitalen Archiv „Zwangsarbeit 1939-1945“ www.zwangsarbeit-archiv.de ist hierfür ein fundiertes Online-Angebot verfügbar. Durch die europaweite Relevanz bietet die Auseinandersetzung mit der NS-Zwangsarbeit auch eine geeignete Grundlage für internationale Kooperationsprojekte. Die Stiftung EVZ bietet hierzu Fördermöglichkeiten.
Die Geschichte zeigt, dass insbesondere zu den Jahrestagen des Kriegsendes das Thema der NS-Zwangsarbeit in der Öffentlichkeit relevant wurde. Im kommenden Jahr zum 70. Jahrestag werden wir es sehen.