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Der Bunker „Valentin“ steht an der Weser, 35 km nördlich vom Stadtzentrum Bremen entfernt. Einst eines der größten Rüstungsprojekte des nationalsozialistischen Deutschlands ragt er heute als Bauruine in die Landschaft. Das über 400 Meter lange Beton-Gebäude wurde von der Kriegsmarine als verbunkerte U-Boot-Werft geplant. Wenige Wochen vor Kriegsende wurde die noch nicht fertig gebaute Anlage durch Luftangriffe der Alliierten bombardiert. Sie wurde nie in Betrieb gesetzt; darin wurde nie ein einziges U-Boot produziert.
Von Mai 1943 bis April 1945 arbeiteten über 10.000 Zwangsarbeiter auf der großen Bunkerbaustelle. Sie kamen aus ganz Europa, waren als Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge, Gefangene der Bremer Gestapo oder ausländische Zivilarbeiter nach Bremen verschleppt worden und in verschiedenen Lagern östlich der Baustelle untergebracht. Hunderte von ihnen starben infolge der Arbeits- und in den Lagern herrschenden Lebensbedingungen. Viele Überlebende litten ihr Leben lang körperlich und seelisch an den Folgen der Gewalterfahrungen.
Der Bunker wurde über Jahrzehnte nicht als Tatort eines Gewaltverbrechens wahrgenommen, sondern galt vor allem als touristische Sehenswürdigkeit und als technische „Meisterleistung“. Mitte der 1960er Jahre wurde das Gelände von der Bundesmarine übernommen und teilweise als militärisches Depot verwendet. Der Zugang wurde gesperrt, der Bunker aus Luftbildern herausretuschiert. Auf die Suche nach den Spuren der nationalsozialistischen Geschichte im Allgemeinen und des Zwangsarbeitseinsatzes im Besonderen begaben sich lokale Initiativen und Einzelpersonen ab Ende der 1970er Jahre. In der Folge konnte im Herbst 1983 das Denkmal „Vernichtung durch Arbeit“ des Bremer Künstlers F. Stein eingeweiht werden, in Anwesenheit von ehemaligen KZ-Häftlingen und deren Angehörigen. Die Erinnerung bahnte sich einen Weg. 1989 wurde der Film „Der Bunker“ (Thomas Mitscherlich) ausgestrahlt. Unter dem Titel „Hortensien für Farge“ wurden Mitte der 1990er Jahre die Erinnerungen von ehemaligen Zwangsarbeitern veröffentlicht (Bärbel Gemmeke-Stenzel und Barbara Johr). Auch in der Bundeswehr setzte ein langsames Umdenken ein; Teile des Bunkers wurden zum – temporären – kulturellen Veranstaltungsort: es fanden Lesungen ehemaliger Häftlinge oder aus Erinnerungsberichten statt; mehrere Spielzeiten lang führte das Bremer Theater das Antikriegsstück „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus auf.
Als 25 Jahre nach der Einweihung des Mahnmals die Bundeswehr beschloss, das Gelände zu verlassen, sprach die Bremische Bürgerschaft einstimmig die Erwartung aus, der U-Boot-Bunker Valentin möge von der Bundesrepublik Deutschland als Gedenkstätte von nationaler Bedeutung anerkannt und zu einem Ort der historisch-politischen Bildung gestaltet werden. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen beauftragte daraufhin die Landeszentrale für politische Bildung Bremen mit der Erarbeitung eines Gedenkstättenkonzepts.
Seit 2011 gehören der Bunker und das umliegende Gelände der für die Verwaltung des Vermögens des Bundes zuständigen „Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“ (BImA). Zum ersten Mal in seiner 70jährigen Geschichte wird der Bunker seitdem zivil genutzt. Aus dem U-Boot-Bunker der NS-Kriegsmarine wird nun der „Denkort Bunker Valentin“. Die Aufbauphase (2011-2015) wird zu gleichen Teilen aus dem Bremer Landeshaushalt und aus Mitteln der Gedenkstättenförderung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) finanziert. Gefördert wird das Projekt ferner durch den Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen sowie aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) der Europäischen Union.
Der Denkort Bunker Valentin will ein Ort der lebendigen Auseinandersetzung mit der Geschichte sein. Er will die Besucher und Besucherinnen dazu anregen, sich auf die Spuren der nationalsozialistischen Vergangenheit zu begeben und der Komplexität/Vielschichtigkeit der Geschichte des Ortes bewusst zu werden. Ausgehend vom Bunker selbst als zentralem Exponat werden die 70 Jahre nach Kriegsende meistens verdeckten Spuren wieder sichtbar gemacht, kontextualisiert und damit vermittel-, besprech- und verstehbar gemacht. Hierfür kann auf eine breite Quellenlage zurückgegriffen werden: Interviews mit Überlebenden, historische Filmaufnahmen und Fotografien, Zeitzeugenberichte, Ausgrabungsfunde u.a.
Der Denkort will ein Ort innovativer pädagogischer Ansätze zur Vermittlung von Geschichte und historischem Bewusstsein sein. Er will vielfältige gesellschaftliche Gruppen ansprechen. Um den unterschiedlichen Bedürfnissen der unterschiedlichen Zielgruppen gerecht zu werden (Schulklassen, Student/innen, Lehrer/innen, Berufstätige, Senioren …), wird ein breites Angebot entwickelt. Dieses beinhaltet verschiedenste Formate, von Überblicksführungen und thematischen Rundgängen durch den Bunker und über das ehemalige Gelände der Baustelle, über Selbstführungen, „Junior-Guides“-Führungen, mehrstündigen Projekttagen und mehrtägigen Projekten bis hin zu internationalen „Workcamps“. Anliegen aller Angebote ist es, den Teilnehmenden die Möglichkeit zu eröffnen, ihren Interessen nachzugehen sowie ihre Fragen und Gedanken in die Auseinandersetzung einzubringen.
Für den Denkort Bunker Valentin wurde ein Informationskonzept erstellt. Ein Rundweg wird künftig um den Bunker herumführen und die Innen- und Außenansicht ermöglichen. Entlang des Rundweges werden an mehreren Standorten Fotos, Zitate und Texte Auskunft über die Geschichte des Ortes geben. Dieses stationäre Informationsangebot wird durch einen mobilen Multimediaguide ergänzt, der den Besucher/innen Möglichkeiten der inhaltlichen Vertiefung und Ergänzung bereithalten wird.
Die offizielle Eröffnung des neu gestalteten Wegeleitsystems ist für Herbst 2015 geplant.