Auf dem Weg hin zu einer diskriminierungsfreien Gesellschaft gilt es, verschiedene Phänomene bewusst und entschieden zu bekämpfen. Das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V. (IDA) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Pädagog/innen und Multiplikator/innen vielseitige Materialien an die Hand zu geben, die eine reflektierte und erfolgreiche pädagogische Arbeit im Kontext verschiedener Diskriminierungsformen ermöglichen.
Oft findet die praktisch-methodische Einbettung der unterschiedlichen Diskriminierungsfelder unabhängig voneinander statt. Konzepte zur Bekämpfung struktureller und individueller Diskriminierung werden daher häufig nur aus einer Perspektive gedacht, obgleich an einigen Stellen eine Parallelisierung sinnvoll und ertragreich sein kann. Die von der IDA herausgegebene Broschüre versucht eine Analyse der Gemeinsamkeiten und Differenzen der drei Phänomene Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. Dabei soll herausgefunden werden, an welchen Stellen ein Zurückgreifen auf gleiche theoretische Konzepte und eine gemeinsame pädagogische Behandlung als empfehlenswert erachtet werden kann, und wo die Spezifika der verschiedenen Diskriminierungsformen anerkannt und beachtet werden müssen. Dabei stellen die Autor/innen Überlegungen an, welche Potentiale einerseits in einer gemeinsamen Bearbeitung von Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit liegen und welche Differenzen und unterschiedlichen Bedarfe andererseits konstatiert werden müssen. Die verschiedenen Beiträge der Broschüre ermöglichen in diesem Sinne einen multiperspektivischen Blick – auf das jeweiligeInterventionsfeld und auf eine verbindende pädagogische Arbeit im Kontext verschiedener Diskriminierungsfelder.
Die Broschüre ist im Wesentlichen in zwei Teile untergliedert. Der erste Teil stellt eine Einführung in die Verbindung aus Gesellschaftstheorie und Rassismus dar. Zu Beginn erläutert Stephan Bundschuh die historische Entwicklung der drei Phänomene Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit und offeriert eine Möglichkeit, diese gesellschaftstheoretisch miteinander in Verbindung zu setzen. Astrid Messerschmidt analysiert die Zusammenhänge zwischen Rassismus, Antisemitismus und dem Kulturrassismus gegen Muslime und verbindet dies mit Überlegungen zu einer rassismuskritischen Bildungsarbeit. Auch Paul Mecheril versucht durch praktische Handlungskonzepte „Wege aus dem Rassismus“ zu ebnen. Dabei plädiert er für eine Auseinandersetzung mit Dominanzverhältnissen und Zugehörigkeitserfahrungen innerhalb der pädagogischen Arbeit. Anschließend formuliert Susanne Lang eine Kritik am humanistischen Anti-Rassismus und eröffnet eine neue Perspektive auf die rassismuskritische Arbeit, die sich bewusst mit der Alltagsdimension von Rassismus auseinandersetzt. Die zwei Beiträge von Anne Broden, Gabi Elverich und Karin Reindlmeier beschreiben die (Selbst-) Reflexivität als wichtige Kernkompetenz von Akteur/innen der rassismuskritischen Bildungsarbeit. Dabei soll dazu angeregt werden, die eigene Verstrickung in Rassismen in den Blick zu nehmen, und die (Selbst-)Reflexion strukturell in pädagogische Handlungskonzepte einzubinden. Abschließend verweist Iman Attia durch die Einbettung des Islamdiskurses in einen postkolonialen und postnationalsozialistischen Kontext auf die spezifisch deutsche Form des antimuslimischen Rassismus.
Der zweite Teil der Broschüre wendet sich den Spezifika, Methoden und Perspektiven der Pädagogik gegen Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit zu und stellt Überlegungen zu verschiedenen Reflexionsmöglichkeiten an. Abousoufiane Akka thematisiert das Verhältnis von Rassismus und Antisemitismus und verweist dabei auf die Rolle von Zuschreibungen und Zugehörigkeiten innerhalb der pädagogischen Arbeit. Barbara Schäuble stellt das Bildungsmaterial „Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit“ vor und spricht sich für eine Synthese von Antirassismus und Antidiskriminierung in pädagogischen Konzepten aus. Am Beispiel des Projektes HAKRA erläutert Halil Can die pädagogische, politische und historische Bildungsarbeit aus der People-of-colour- Perspektive, die Empowerment und Powersharing als politische Handlungsmaxime versteht. Marina Khanide verbindet anschließend in ihrem Beitrag die interkulturelle mit der Diversity- Pädagogik und zeigt die darin enthaltenen Möglichkeiten auf. Anne Sophie Winkelmann und Oliver Trisch stellen den Anti-Bias-Ansatz vor, der ein vorurteilsbewussteres Handeln ermöglichen soll. Doron Kiesel erläutert einen begegnungspädagogischen Ansatz zur Bekämpfung von Antisemitismus. Dabei soll neben der historischen Wissensvermittlung und der Sensibilisierung für verschiedene Erscheinungsformen von Antisemitismus auch das Demokratiebewusstsein gestärkt werden. In einem abschließenden Beitrag setzt Stephan Bundschuh die Begriffe Rechtsextremismus und Rassismus miteinander inVerbindung.
Am Ende der Broschüre findet sich ein umfangreicher „Serviceteil“. Darin werden denLeser/innen ausgewählte Materialien, Literatur und Filme vorgestellt, die sich für die pädagogische Arbeit im jeweiligen Arbeits- und Themenfeld eignen. Dabei finden sichauch Angaben zu den Zielgruppen und der Niedrigschwelligkeit des vorgestellten Materials, was Multiplikator/innen die Einbettung in eigene pädagogische Konzepte erheblich erleichtert. Neben den hilfreichen Materialempfehlungen finden sich im Serviceteil außerdem Vorstellungen verschiedener Trainings für Akteur/innen im Bereich der antirassistischen Pädagogik.
Die gelungene Verknüpfung von Theorie und Praxis in den verschiedenen Beiträgen macht die Broschüre zu einem vielseitigen und empfehlenswerten Hilfsmittel für die pädagogische Arbeit. Der Reader sowie andere Publikationen können auf der Homepage des IDA kostenlos bestellt werden. Lediglich die Portogebühren müssen von dem/der Empfänger/in bezahlt werden.
Bundschuh, Stephan; Drücker, Ansgar; Jagusch, Birgit; Mai, Hanna (Hrsg.): Holzwege, Umwege, Auswege. Perspektiven auf Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. Reader für Multiplikator/innen in der Jugend- und Bildungsarbeit. Informations- und Bildungszentrum für Antirassismusarbeit e.V. (IDA). Düsseldorf, 2012.Die vom IDA herausgegebene Broschüre zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Phänomenen Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit auf und analysiert Handlungskonzepte für die praktische pädagogische Arbeit.