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Immer wieder wird diskutiert, ob Erzeugnisse der DDR ein eigenes Design hätten, das sie etwa von denen der Bundesrepublik grundlegend unterscheidet. Tatsächlich haben unterschiedliche wirtschaftliche und soziale Bedingungen zu einer abweichenden Produktkultur geführt, andererseits verblüffen die Erzeugnisse durch eine Gemeinsamkeit zum westdeutschen Design, die sich nicht durch ein Abkupfern erklärt, sondern in den gemeinsamen Wurzeln und Vorbildern, sowie eines Austauschs etwa durch Fachpublikationen oder dem Warenverkehr.
In der DDR genoss das Design eine besondere Anerkennung die so weit reichte, dass selbst freiberufliche Industriedesigner akzeptiert wurden und bedeutende Aufträge staatlicher Unternehmen bekamen, die selbst große Investitionsgüter umfasste. Bereits seit den 1950er Jahren wurde als staatliche Mustersammlung die „Sammlung Industrielle Gestaltung“ gepflegt. Diese befindet sich heute im Bestand der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
In der Tradition des Bauhauses und im Glauben an den Funktionalismus berief man sich in beiden Teilen Deutschlands auf die gleichen Vorbilder, obwohl sich der berufliche Alltag der Designer wesentlich unterschied: Während westdeutschen Designern meist der Zugang zur Industrie verwehrt blieb, mühten sich ihre ostdeutschen Kollegen mit der ausbleibenden Realisierung der Entwürfe ab. Auch waren ostdeutsche Entwerfer nicht dem wirtschaftlichen Druck ausgesetzt, modische marktgerechte Produkte zu entwerfen, sofern sie es nicht vertreten konnten: Beispielsweise war Chrom unter Automobildesignern in den 1960er Jahren als Blendmaterial verpönt, aber das Weglassen aus Repräsentationswünschen der Kundschaft nicht umsetzbar. In der DDR konnte jedoch gemäß dem Wunsch der Designer ein Mittelklassewagen ohne jeglichen Chromzierrat realisiert werden.
Vorbilder ostdeutscher Designer waren naturgemäß hochpreisige westdeutsche oder skandinavische Produkte, die sich (was offenbar nicht beachtet wurde) an eine akademisch-wohlhabende Klientel wandten. Der westeuropäische Arbeiter träumte jedoch nicht von minimalistischen Hi-Fi-Geräten von Braun oder Bang & Olufsen, sondern von Radios der Firmen Grundig oder Saba, die mit Holzimitat und Goldleisten für wohnliche Behaglichkeit sorgten. Folglich mussten die minimalistischen Geräte in der DDR der dortigen Arbeiterschaft als ärmlich erscheinen, und gepaart mit einer wechselhaften Qualität dann als Mangelprodukte. Einige Produkte bekamen daher spöttische Spitznamen, wie ein funktionalistisches Radio der Firma Stern-Berlin, das „Grubenlampe“ genannt wurde.
Nicht nachvollziehbar erscheint, wie ein Staat, der nach internationaler Anerkennung lechzte, bei internationalen (oder westdeutschen) Designpreisen keine Produkte zur Auszeichnung einreichte – viele Produkte hatten das Potential ausgezeichnet zu werden. Es gab nur den nationalen „Designpreis der DDR“, der sich strikt auf die einheimische Produktion beschränkte.
Besonders in der Frühzeit der DDR existierten noch viele innovative Kleinbetriebe, die vornehmlich im Elektrogerätebau beeindruckende Produkte auf den Markt gebracht hatten, wie etwa den Acosta „Partygrill“, den Sichtglas-Toaster „Lava“ oder von der Otto Bengtson KG den ersten Kaffeevollautomaten der Welt. Nach Verstaatlichung dieser Betriebe stellte sich meist die Innovation ein, zusätzlich wurden von übergeordneten Stellen unwirtschaftliche Produktvorgaben diktiert. So wurden Perkolator-Kaffeemaschinen (Dampfdruck-Prinzip) in großen Mengen produziert, obwohl Filterkaffeemaschinen beliebter und billiger in der Produktion waren.
Die Unzufriedenheit der Bevölkerung führte zu einer Konsumgüterinitiative, bei der Großbetriebe angesetzt wurden Konsumgüter zu produzieren, die dann unter gemeinschaftlichen Warenzeichen vermarktet wurden. Marken wie AKA electric oder Robotron vereinten unterschiedliche Produkte unterschiedlicher Qualität, manchmal extrem ähnliche Produkte und was noch schlimmer war, regelrecht unnütze Entwicklungen, deren Existenz wohl darin begründet war, ein Produkt auf den Markt zu bringen, nur weil es noch nicht existierte, beispielsweise einen robusten und leistungsfähigen Gyrosgrill - jedoch für den Haushalt. Einige dieser Produkte wurden in westdeutschen Kaufhäusern angeboten, aber nicht als Erzeugnisse der DDR-Marken, sondern als niedrigpreisige Hausmarke. Um eine nachhaltigere Vermarktungsstrategie hatte sich der Devisen-hungrige Außenhandel der DDR offenbar nicht bemüht.
Das bis auf Dresden nahezu überall empfangbare Westfernsehen und seine Werbung weckten in der Bevölkerung Begehrlichkeiten an Produkten, die nicht zu befrieden waren, sodass die DDR einerseits Westprodukte importieren musste, oder diese in Lizenz der Westmarken als scheinbare Westprodukte produzierte und die Lizenzgebühren dann in Warenlieferungen bezahlte (sog. „Gestattungsproduktion“). Investitionen in die eigene Fahrzeugindustrie stellte man fast vollständig ein und begann sogar mit dem Import von westeuropäischen Autos. Die Lizenzfertigung eines VW-Motors für die chronisch veralteten eigenen Fahrzeugmodelle erwies sich im Nachhinein gar als teurer, als einen eigenen selbst entwickelt zu haben.
Die DDR hatte es geschafft, mit einer weitreichenden Designpolitik gut gestaltete Produkte in jeden Haushalt zu bringen, eine gescheiterte Produktentwicklungs- und Vermarktungspolitik konnte dadurch aber eher begleitet als verhindert werden. Der Run auf westdeutsche Einzelhandelsgeschäfte nach der Maueröffnung war weniger ein Hunger nach Demokratie, sondern nach der Selbstbestimmtheit des Konsumenten, die sich etwa in dem damaligen Spottvers widerspiegelt „Ein Volk steht auf und geht zu Aldi“. Auch gutes Design bedarf Alternativen und Abgrenzungen, die wohl nie in der DDR vorgesehen waren.
Im Nachhinein aus heutiger Sicht wirken überdurchschnittlich viele Produkte der DDR als designorientierte Gegenstände sehr vornehm elegant oder wecken nostalgische Gefühle. Man darf aber auch nicht vergessen, in welcher Ineffizienz und Durchschnittlichkeit sie gefertigt wurden und wie veraltet sie häufig schon zu Bauzeiten gewesen sind.