Beitrags-Autor: Ingolf Seidel Sie müssen angemeldet sein, um das Benutzerprofil zu sehen |
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Rossertstr. 9 60323 Frankfurt/M. Tel. 069-721575 E-Mail: studienkreis [at] widerstand-1933-1945 [dot] de |
Sie waren jung, sie waren mutig, sie waren unangepasst. Jugendliche in der NS-Zeit, die sich dem Regime entgegenstellten, setzten ihr Leben aufs Spiel. Was kann ihr Handeln jungen Menschen heute noch bedeuten? Die Ausstellung „Es lebe die Freiheit!“ will Anregungen und Stoff zum Nachdenken über Zivilcourage geben – damals und heute.
„Was hätte ich in dieser Situation getan“ ist die Frage, die viele jugendliche Betrachter der 32 Tafeln stellen. Hätte ich den Mut gemacht, mich einzumischen? Die Biografien von 19 jungen Frauen und Männern zeigen die Bandbreite des Widerstands. Gertrud Liebig kam aus einem gewerkschaftlich geprägten Elternhaus, Heinz Gärtner war SPD-Mitglied. Bernhard Becker war aktiver Katholik, Gerhard Liebold gehörte zu den Zeugen Jehovas. Anton Reinhardt war ein deutscher Sinto, Marianne Cohn eine junge Jüdin im französischen Exil. Die Schicksale der jungen Leute, die in den verschiedensten Gegenden des Deutschen Reichs zu Hause waren, sind oft wenig bekannt. Wer außerhalb von Ansbach weiß, wie mutig Robert Limpert versuchte, seine Heimatstadt zu retten, indem er sie freiwillig den Alliierten übergeben wollte? Seinen Mut bezahlte er mit dem Tod durch einen fanatischen Wehrmachtsoffizier. Die Geschichte von Hildegard Hammermann, die im Kinderwagen illegale Schriften transportierte, wird in dieser Ausstellung erstmals erzählt.
Aber auch die „großen Namen“ fehlen nicht. Die „Weiße Rose“ wird gewürdigt, ebenso wie die jungen Mitglieder der „Roten Kapelle“ oder die Edelweiß-Piraten, die vor allem im Rheinland mutig und gewitzt sich den Vorgaben des Regimes nicht beugten. Ähnliches gilt auch für die Swing-Jugend. Zwei Tafeln widmen sich dem Widerstand junger Europäer in den von den Deutschen besetzten Ländern. Eine Einführung in das Thema bieten die beiden ersten Tafeln. Hier bekommen die Besucherinnen und Besucher grundlegende Informationen über die Situation und Bedeutung der jungen Generation in der NS-Zeit. Jungen und Mädchen bildeten die Projektionsfläche für die Ziele des Systems. Sie sollten dem „Führer“ gehorchen und sich bedingunglos der Erweiterung des deutschen „Lebensraums“ widmen. Dazu wurden sie einer engmaschigen Erziehung gemäß den Idealen der NS-Bewegung unterworfen. Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädel wurden zur Pflicht. Wer sich den Anforderungen des Systems widersetzte, war massiven Sanktionen ausgesetzt.
Die Ausstellung versucht, an das Lebensgefühl Jugendlicher anzuknüpfen. Ohne sich sprachlich anzubiedern, werden die Lebensläufe der seinerzeit jungen Menschen immer von einer charakteristischen Begebenheit ausgehend in einfacher Sprache geschildert. Das Pfeifen der „Marseillaise“ gemeinsam mit französischen Zwangsarbeitern, das Verstecken von geheimen Botschaften im Fahrradschlauch oder das Tanzen zu nicht genehmer „undeutscher“ Musik – das alles sind Dinge, die sich junge Menschen auch heute vorstellen können. Die einzelnen Biografien öffnen die Augen für das Risiko, das damals damit einherging. Ergänzt werden die Erzählungen durch die Lebensdaten und die Einordnung in das zeitliche und soziale Umfeld. Die Orientierung wird durch die farbliche Gestaltung der Ausstellungstafeln erleichtert: Rot ist der Grundton für die Widerständigen vor dem Krieg; grün sind die Biografien der Kriegszeit gehalten; blau die der Gruppen.
Auch die letzten Worte von Hans Scholl vor seiner Hinrichtung am 22. Februar 1943 „Es lebe die Freiheit!“, die den Titel der Ausstellung bilden und die dahinter liegende Hoffnung verstehen Jugendliche bis heute. Darüber hinaus einte das Verlangen nach Freiheit die jungen Aktivisten, welchen familiären oder politischen Hintergrund sie auch hatten.
Im Februar 2011 wurde die Ausstellung erstmals in Frankfurt/M. gezeigt. Seitdem ist sie – mittlerweile in zwei Versionen – in der Bundesrepublik unterwegs. Sie war und ist zu sehen in Schulen und Rathäusern, in Gemeinde- und Jugendzentren oder in Gedenkstätten.
Die „große“ Ausstellung umfasst 32 selbststehende Rollup-Banner, die kleinere Version 25. Die Träger können so aufgestellt werden, wie es der Umgebung entspricht, chronologischer Leitfaden sind die Farben. Begleitend ist ein Ausstellungskatalog und pädagogische Begleitmaterialien zur Ausstellung erschienen. Darüber hinaus gibt es eine englischsprachige Version der Ausstellung. Sie wurde 2012 an der University of Missouri in St. Louis eröffnet und stieß dort auf großes Interesse bei Jugendlichen und Erwachsenen.