Das Interesse an einer historischen und politischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus und seiner Folgen in der Bundesrepublik war in der Nachkriegszeit gering. Heute ist die erinnerungspolitische Landschaft u.a. auch durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR breiter und komplex aufgestellt. Doch herrscht neben Desinteresse an dieser Geschichtsaufarbeitung, häufig eine ablehnende Haltung vor, die sich nicht selten in unangebrachten Formen des Vergleichs von DDR und Nationalsozialismus widerspiegelt. Dieser Vergleich, der mit einer normativen Gleichsetzung einhergehen kann, ist umstritten.
In dem Artikel „Die Bedeutung des deutschen Diktaturenvergleichs für die politische Kultur der 'Berliner Republik'“ versucht die Bundeszentrale für politische Bildung eine Retrospektive der aufflammenden Diskussion um die Vergleichbarkeit der beiden Regime sowie deren geschichtswissenschaftliche Nachläufer bis heute.
Anhand des „Roten Ochsen“ zeigt der Artikel exemplarisch einen Gedenkort, welcher sich auf den Nationalsozialismus ebenso wie auf die Deutsche Demokratische Republik beziehen lässt. Solche Orte wären auch in anderen Ländern zu finden, doch macht die Bundeszentrale einen entscheidenden Unterschied aus, was sowohl "die weltanschauliche Intensität als auch (...) die praktische Herrschaftsdurchsetzung" betrifft. Damit ergibt sich eine einzigartige Situation für Deutschland in Bezug auf den Diktaturenvergleich: Der Deutsche Diktaturenvergleich. Der Artikel stellt die Frage, wie sich beide Diktaturen überhaupt in ein Verhältnis setzen lassen, was ihre spezifische Beziehung zueinander auszeichnet und wie Unrecht, welches in der DDR geschah, angemessen benannt werden kann, ohne dabei den Nationalsozialismus zu verharmlosen.
Damit wird der Artikel zu einem Text über den Vergleich und untersucht diesen als Methode, als ein zeitgeschichtliches Analyseverfahren mit Vorzügen und Nachteilen. Der vorliegende Text eignet sich also als Fachdidaktik für Historiker/innen und einen Einblick zur Debatte für Lehrer/innen.
Als Ausgangspunkt der bundesdeutschen Diskussion um den Diktaturenvergleich wird die Enquete-Kommission von 1993 genannt, die den Titel „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ trug. Dabei warnte etwa Jürgen Habermas vor dem Vergleich und empfahl, sich auch den jeweiligen Ideologien zu widmen, von der die sozialistische an und für sich keine menschenverachtende, sondern im Gegenteil mit einem „edlen Kern“ versehen sei. Zunächst gab es innerhalb der Kommission sehr verhärtete Fronten. Nach und nach konnten sich die Parteien jedoch annähern, was dem Artikel zufolge zu einer erhöhten Forschungsproduktivität geführt habe.
Am Ende wird betont, dass es nach wie vor eine wichtige pädagogische Herausforderung sei, die DDR und ihre Systematik in den Unterricht zu implementieren. Der Artikel dient bei der Bezugnahme auf den Diktaturbegriff selbst eher als Einstieg, ist dafür allerdings gut geeignet. Motivationen zur vertieften inhaltlichen Auseinandersetzung finden sich zahlreich in dieser Ausgabe unseres Magazins. Die Annäherung über Artikel der Bundeszentrale ist nichtsdestotrotz empfehlenswert. In diesem Zusammenhang lässt sich noch der spezifischere Text „Zwei deutsche Diktaturen im 20. Jahrhundert?“ empfehlen, in welchem Richard J. Evans die DDR zwar als Diktatur bezeichnet, jedoch auf ihre nichtdeutsche Tradition, also ihren russischen Zusammenhang und teils Ursprung, eingeht und damit in ein anderes Verhältnis zum Nationalsozialismus setzt.