Im Juli 2008 veröffentlichten Klaus Schroeder und Monika Deutz-Schroeder eine Studie, die in der Bildungslandschaft der Bundesrepublik gleichermaßen für Aufsehen und Aufregung sorgte. Die beiden Forscher/innen hatten zwischen Herbst 2005 und Frühjahr 2007 über 5000 Schüler/innen anhand eines Fragebogens und in zahlreichen Einzel- und Gruppeninterviews zur DDR befragt – und dabei in erster Linie eklatante Wissenslücken ausgemacht.
In ihrem Nicht-Wissen lagen die Jugendlichen aus Berlin, Brandenburg, Bayern und Nordrhein-Westfalen laut Studie Kopf an Kopf, wobei Schroeder und Deutz-Schroeder den West-Schüler/innen ein in Teilen fundierteres und differenzierteres Geschichtsbild attestierten.
Ziel der Studie war es, bei den Schüler/innen neben dem vorhandenen Faktenwissen auch ihre individuelle politische Bewertung der DDR zu erfragen. Dabei wurde deutlich, dass vor allem Schüler/innen aus den neuen Bundesländern dazu neigen, die sozialen Aspekte der DDR hervorzuheben, anstatt den repressiven und autoritären Charakter des Regimes herauszustellen. Grund dafür sehen die Herausgeber/innen der Studie in nostalgischen und teilweise verharmlosenden Diskursen im Familienkontext und in den Medien, sowie in einer unzureichenden Thematisierung im Schulunterricht. Um dem entgegenzuwirken, empfehlen die Autor/innen, die DDR stärker in Unterrichtskonzepte einzubinden und Gedenkstättenbesuche obligatorisch durchzuführen. Der Geschichtsdidaktiker Bodo von Borries, der aufgrund der anhaltenden Kritik an der Studie dazu beauftragt wurde, die Berliner Ergebnisse zu überprüfen, riet indes davon ab, von einer „pädagogischen Allmacht“ auszugehen.
Welche Bedeutung der familiären und gesellschaftlichen Tradierung von Geschichtsbewusstsein zukommt ist zwar spätestens seit Welzers „Opa war kein Nazi“ bekannt, wird jedoch in der vorliegenden Studie nur randständig beachtet. Dadurch kommt sie zu einer einfachen und eingängigen Formel, die die Ergebnisse der Befragungen auf einen Punkt bringen soll: Je mehr Faktenwissen bei den Schüler/innen vorhanden ist, desto kritischer sehen sie die DDR.
Betrachtet man jedoch die Formulierung der einzelnen Fragen und die vorgefertigten Antwortmöglichkeiten im Design der Studie, scheint eine objektive Interpretation des tatsächlichen Wissensstandes und der individuellen Einschätzung der Jugendlichen schwierig. Stattdessen ist anzunehmen, dass die Antworten der Schüler/innen oftmals – geleitet durch eigene Identitätskonflikte, persönliches Betroffensein und post-sozialistische Demütigungserfahrungen – eher eine emotionale Reaktion auf die Fragen darstellten.
Die Studie hätte daher an Seriosität und kritischem Gehalt gewonnen, wenn sie in ihre Bilanz Erkenntnisse der geschichtsdidaktischen Diskurse über die Tradierung von Geschichtsbewusstsein und Erinnerungskonzepte einbezogen hätte. Dennoch eignet sich die Studie, um auf fraglos vorhandene Wissenslücken und ein weit reichendes Desinteresse deutscher Schüler/innen an der Geschichte der DDR aufmerksam zu machen. Die Publikation, in der die Ergebnisse detailliert wiedergegeben werden, kann daher als umfangreicher Leitfaden für die Unterrichtsentwicklung und als Evaluation der eigenen Stoffvermittlung dienen.
Als theoretischer Einstieg und inhaltliche Positionierung wurde der Präsentation der Studienergebnisse in dem Band eine ausführliche Einleitung vorangestellt, in der die Herausgeber/innen wissenschaftliche Diskurse in der DDR-Forschung, das gesellschaftliche Meinungsklima zur DDR in Ost und West und pädagogische Konzepte zur Wissensvermittlung über die DDR vorstellen. Auf Grundlage dessen werden in den folgenden Kapiteln die Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Umfrage vorgestellt. Die Studie stellt allerdings keine empirisch repräsentative Stichprobe dar, da die Zusammensetzung der Befragten nicht den dafür notwendigen Anforderungen gerecht wird: Etwa fünfzig Prozent der Schüler/innen kam aus Berlin, zwei Drittel aller Befragten wurden auf dem Territorium der alten Bundesrepublik geboren. Außerdem handelte es sich bei siebzig Prozent der Jugendlichen um Gymnasiast/innen.
Die Vorstellung der Ergebnisse erfolgt geordnet nach den vier teilnehmenden Bundesländern und den einzelnen Themenbereichen. Der Fragebogen, den die Schüler/innen während der Befragung ausfüllen mussten, wurde im Anhang des Bandes abgedruckt. Dieser unterteilte sich in die bereits erwähnten Themenkomplexe: Die Beurteilung der DDR und der Bundesrepublik vor der deutschen Vereinigung, die Einschätzung verschiedener Aspekte der DDR, eine Abfrage von Faktenwissen zur DDR.
Die vieldiskutierte und kritisierte Studie, die von anderen als Pionierarbeit der DDR-Forschung gewürdigt wurde, weist zweifellos einige Unklarheiten und Einseitigkeiten auf. Allerdings kann die Arbeit von Deutz-Schroeder/Schroeder als hervorragender Einstieg in eine Diskussion über das gesellschaftliche Meinungsbild zur DDR in Ost und West dienen.